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Im rekonstruierten Raffael-Kabinett stimmt sogar die Hängung der Kupferstich-Reproduktionen von Gemälden des im damaligen Berlin beliebten Renaissance-Malers. Carl Knoblauch, offenbar ein Mann mit Geld und Stil, ließ alle Bilder gleich rahmen. In gebildeten Bürgerkreisen war das damals nicht üblich – wohl aber bei Hofe.

© DAVIDS/Sven Darmer

Willkommen in der Zeitmaschine: Biedermeier-Schau im Berliner Knoblauchhaus öffnet wieder

Zwei Jahre war das Bürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert geschlossen. In dieser Zeit wurde die Ausstellung rundumerneuert – und ihr Design mit einem Preis geehrt.

Irgendein Fest nahte, zu dem man dem Herrn Alexander von Humboldt etwas Besonderes schenken wollte. Was sich eignen könnte, wurde der Kammerdiener gefragt, der eine Matratze empfahl, und so geschah es. Solch ein Präsent würde heute irritieren, war im Berlin der Biedermeierzeit aber der pure Luxus. Durchaus verwunderte es aber, als zwei Jahre später die gleiche Frage gestellt und wieder eine Matratze empfohlen wurde. Wozu braucht ein unverheirateter Mann zwei? Es stellte sich heraus, dass die erste den Empfänger nie erreicht hatte. Der Kammerdiener hatte sich bedient.

Die Anekdote aus dem Leben des berühmten Naturforschers wurde am Dienstag bei der Vorstellung des zur Stiftung Stadtmuseum gehörenden, von heute an wieder geöffneten Knoblauchhauses zum Besten gegeben. Wenn sie auch – das wurde zugegeben – kaum belegbar ist, ein Wesensmerkmal solcher Geschichten, passte sie doch gut zu dem übrigens matratzenlosen Bettgestell, das als Schlusspunkt der neuen Ausstellung „Berliner Salon“ im obersten Stock an die Wand montiert wurde.

Das wiederum ist echt: die originale Bettstelle und zugleich das Sterbelager Alexander von Humboldts. Um 1830/1840 wurde es hergestellt, 1860, ein Jahr nach dem Tode des Besitzers, vom Grundstücksmakler Richard Schweder ersteigert und zwei Jahrzehnte später dem Märkischen Museum geschenkt. Das Humboldt’sche Familienwappen, mit dem alle Teile des Gestells gekennzeichnet sind, wie auch das des Auktionators bezeugen die Echtheit.

Dienstagvormittag begehrte bereits die erste Besuchergruppe, zufällig vorbeigekommen, Einlass ins Knoblauchhaus, musste aber noch vertröstet werden. Erst ab Mittwoch ist die rundumerneuerte und ergänzte Biedermeierschau mit dem neuen Salon-Teil fürs Publikum geöffnet, die zweijährige, coronabedingte Schließung hat ein Ende. So lange stand die fertige Ausstellung schon für Neugierige bereit. Doch die Räume in dem Berliner Bürgerhaus, einem der wenigen Originale aus dem 18. Jahrhundert, sind einfach zu eng für Publikumsverkehr unter Pandemie-Bedingungen. (Knoblauchhaus, „Berliner Leben im Biedermeier“, Poststraße 23 in Mitte, Di–So von 10–18 Uhr, Eintritt frei.)

Wobei dieser Mangel ja das Besondere, Authentische des Hauses der Knoblauchs ausmacht. Für Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums Berlin, stellt es geradezu eine „Zeitmaschine“ dar, die die ursprüngliche Atmosphäre der alten Zeit spürbar macht. Die Berlin-Schau im Humboldt-Forum könne das nicht leisten, sagt Spies.

Kunstgenuss im Biedermeier

Mit der mehrjährigen Schließung des zur Sanierung anstehenden Märkischen Museums ab Ende 2022 werde die Bedeutung des Knoblauchhauses für das Stadtmuseum sogar noch steigen, glaubt er. Obwohl: Populär war es auch so schon. In den zwölf Monaten vor dem Lockdown hatten 30.000 Menschen das Haus neben der Nikolaikirche in Mitte besucht.

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Generationen der Familie Knoblauch haben es bewohnt, die letzten sind erst 1929 ausgezogen. Den Zweiten Weltkrieg hatte es halbwegs unbeschadet überstanden, war zu DDR-Zeiten in ein Weinlokal und Mietwohnungen aufgeteilt worden, wurde 1989, initiiert im Rahmen der Berliner 750-Jahr-Feier, zum Museum umgewandelt.

Erfreulich übersichtlich

Gezeigt wird in einer nun noch einmal technisch und inhaltlich aufgemöbelten Ausstellung das Interieur eines Berliner Bürgerhauses um 1835. Damals war das Haus vom Besitzer Carl Knoblauch, einem unter anderem im Seidenhandel tätigen Geschäftsmann, umgestaltet worden – der letzte Umbau des Hauses. In acht Räumen sind historische Interieurs rekonstruiert, oft sogar mit Original-Mobiliar, wie Kurator Jan Mende beim Rundgang erläuterte.

Der erste Raum, den man bei dem im ersten Obergeschoss beginnenden Rundgang durch die Biedermeier-Welt betritt, ist das Raffael-Kabinett. Hier wurde sogar die Hängung der Raffael-Reproduktionen anhand von alten Fotos rekonstruiert. Ergänzt wird die Historienschau durch einige das authentische Bild nicht weiter störende Medienstationen. Auch die Texte an den Wänden sind erfreulich übersichtlich.

Hausherr aus der High Society

Ein anderes Bild bieten die vier Themenräume „Berliner Salon“ im obersten Geschoss der Knoblauch-Schau. Statt der „nachempfundenen Rekonstruktion unter Verwendung alter Möbel“, wie der Kurator die Biedermeier-Räume umschrieb, beherrscht hier ein sehr modernes Ausstellungsdesign die Szene, verantwortet von der Firma Heilmeyer & Sernau, die dafür mit dem German Design Award 2021 ausgezeichnet wurde.

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Auch im Berliner Salon steht Carl Knoblauch im Fokus. Er war das Zentrum eines Netzwerks, das ihn mit Berühmtheiten wie den Humboldts und Schinkel in Kontakt brachte – und diese auch wiederholt in sein Haus. Der Geschäftsmann war ein rechter Vereinsmeier, Mitglied in einem guten Dutzend davon, meist sogar im Vorstand, darunter dem „Verein der Kunstfreunde im preußischen Staat“. Jede Menge Kontakte waren da garantiert, doch ging es nicht immer nur um die schönen Künste und Wissenschaften.

Allein 2000 Briefe und Rechnungen hat Knoblauch hinterlassen. Zehn sind an einer Medienstation per Touchscreen abrufbar, faksimiliert, noch einmal gedruckt und damit lesbar: ein Empfehlungsschreiben Alexander von Humboldts an Knoblauch oder auch die Jahresabrechnung des Schlossers Hauschild, den Knoblauch 1834 achtmal mit Reparaturarbeiten wie die Neuanfertigung von Schlössern und Türbeschlägen beauftragt hatte. Gleich daneben hängt ein Bild, dass den Schlosser im Kreise seiner Familie zeigt: Kunst und Handwerk per Museumsarchitektur ideal vernetzt.

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