zum Hauptinhalt

Tiergarten: "Wie ein britischer Landsitz"

Der Englische Garten im Tiergarten ist in Vergessenheit geraten. Dabei lohnt sich ein Besuch: Seit April hat auch das Teehaus wieder geöffnet – und erfreut sich prominenter Besucher.

Christof Blaesius kann kaum fassen, wo er hier in Berlin gelandet ist. „Das ist wie ein britischer Landsitz, mitten in der City“, sagt er. Seine Gäste seien oft „völlig baff“ ob der unvermuteten urbanen Begegnung. Blaesius, 56, ist Betreiber des Teehauses. Es ist ein Kultur- und Gastronomiebetrieb mitten im Tiergarten, genauer: im Englischen Garten, der Nachbar ist der Bundespräsident. Von der Altonaer Straße an der Siegessäule aus geht man erwartungsgemäß an symmetrisch bepflanzten Beeten vorbei, wie es sich für einen englischen Garten gehört. Am Ende des schnurgeraden Weges steht etwas, das aussieht wie ein riesiger Backsteinkasten. Beim Näherkommen verschiebt sich die Perspektive und die Backsteinwand zeigt sich als steiles Reetdach – „einzigartig in Berlin“, sagt Blaesius.

Das Kulturamt hat hier in den vergangenen Jahren vereinzelte Kulturevents veranstaltet. Jetzt sind Blaesius und seine Partner der Eventagentur Vocio, Christian Münster und Bianca Schönemann, nach einer bundesweiten Ausschreibung Pächter und Betreiber des Teehauses. Sie haben „eine höhere sechsstellige Summe“ in den Umbau gesteckt. Und viel Herzblut. Für sie ist es eine einmalige Gelegenheit, diesen Ort, „das lange vergessene Juwel“, wie Blaesius sagt, „zu einem Treffpunkt für Leute aus allen angrenzenden Bezirken zu machen“. Auf der Karte gibt es zwar ausgefallene Teesorten wie Roibusch Sahne-Karamell, aber eigentlich ist das Teehaus weder ein Teehaus im wörtlichen Sinne, noch dazu gedacht, besonders britisch zu sein. Wem der Name Blaesius noch geläufig ist, der kann sich denken, dass hier kein konventioneller Betrieb entsteht: Vor einigen Jahren geriet Blaesius in die Medien, als er für die Fußball-WM den Wiederaufbau der Berliner Mauer als Kunstprojekt beworben hat.

Ein Wiederaufbau ist es nun geworden, nur anders. Stolz führt Blaesius über die Terrasse, die Platz für 500 Leute bietet. Auf der linken Seite des Hauses steht vor einem Ententeich eine große Open-Air-Bühne, auf der auch in Zukunft der Konzertsommer weitergeführt werden soll, der noch eine Erfindung des Kulturamts ist. Bis zum 14. August treten hier an den Wochenenden Bands aus verschiedensten Musikrichtungen auf, bei freiem Eintritt. Blaesius zählt auf: R ’n’ B ist dabei, Soul, Motown, Funk und Jazz. Als neulich mal das Wetter mitgespielt hat, „war das der Oberhammer, wie Woodstock bei gutem Wetter“, sagt Blaesius.

Bei schlechtem Wetter wird das Konzert ins Innere verlegt. Hier stehen massive Möbel aus Kirschholz, über dem Raum an der Decke prangen Kronleuchter, an der Wand gähnt ein gewaltiger offener Kamin. Im angrenzenden Kaminzimmer hängt ein Gemälde, das Gustaf Gründgens zeigt. Der hängt hier nicht ohne Grund: Das Teehaus wurde auf das Fundament seines ehemaligen Wohnhauses gebaut, als 1952 der Englische Garten eingeweiht wurde – in Anerkennung der britisch-deutschen Zusammenarbeit während der Berlinblockade. Zur Eröffnung kam der britische Außenminister Antony Eden, nach ihm hieß die etwa 40 000 Quadratmeter große Anlange bei den Berlinern lange Zeit „Garten Eden“.

Auch wenn der Garten ein wenig versteckt ist, die Besucher entdecken das Teehaus so langsam. Als im April das meiste fertig war, beschloss Blaesius mit seinen Partnern: „Wir machen jetzt mal die Tür auf und schauen, was passiert.“ Es kamen so viele Gäste, dass gar keine Zeit mehr blieb, die Einweihungsfeier auszurichten. Stammgäste gibt es bereits, auch Prominente wie Musiker Bela B. schauen schon mal vorbei. Die Schauspielerin Anna Thalbach hat im Teehaus eine Lesung gehalten. Neben den Konzerten möchte Blaesius durch weitere Lesungen und wechselnde Kunstausstellungen ein breites kulturelles Angebot auftischen.

Sein Partner Christian Münster, 46, setzt sich hinzu. Mit Blaesius hat er sich auch schon einmal für den Umbau eines Krematoriums in Wedding beworben, nun ist es halt das Teehaus im Tiergarten. „Und Mitte ist der angesagteste Spot der Welt“, sagt Münster und ordert eine Platte mit Meeresfrüchten. Die lässt er dann aber wieder zurückgehen, denn offensichtlich animiert ihn das Zusammensitzen mit Blaesius sofort zu weiteren Planungen. Ein Kinderprogramm hätte er gerne. Ein Klassikangebot. „Nur ein Sting wird hier nicht auftreten“, sagt er, und nach einer Pause: „Wobei ich mir da gar nicht so sicher bin.“ Ein britischer Rockstar würde das Teehaus dann doch etwas britischer machen.

Konzertsommer, 6. und 7. August, Sonnabend um 16.30 Uhr, Sonntag, 16 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false