zum Hauptinhalt
Helfer mit acht Pfoten. Erstmals besuchten Helga und Bernd Schulz 2014 mit ihren zwei Hunden Tracy und Joey Seniorenheime.

© Sven Darmer

Sie trösten Alleinlebende und Demenzkranke: Wie die Berliner Besuchshunde gegen Einsamkeit helfen

Hunde können Menschen aus der Lethargie holen und sie zum Sprechen bringen. Die Malteser schicken die Tiere deshalb zu den Einsamen in Berlin und auch in Potsdam.

Dieses Jahr bittet der Tagesspiegel-Spendenverein „Menschen helfen!“ um Spenden für Helfer in der Coronakrise. Stellvertretend für alle 30 Initiativen für Berlin, Brandenburg und die Welt stellen wir zwölf Projekte in unserer Spendenserie bis Weihnachten vor. Heute: der Hundebesuchsdienst des Malteser Hilfsdienst e.V. Berlin.

Eng schmiegt sich Tracy ans Bein, sobald man auf dem Stuhl Platz nimmt. Ganz automatisch wandert die eigene Hand zu der Border Collie-Hündin und streichelt über ihr weiches, schwarz-weißes Fell. Tracy ist das gewöhnt und genießt.

Sie vermisst diese Streicheleinheiten von Fremden. Natürlich bekommt sie jede Menge Aufmerksamkeit von Frauchen Helga Schulz und Herrchen Bernd Schulz, mit denen sie in Großbeeren im Süden Berlins wohnt. Doch normalerweise wird sie von noch mehr Menschen geherzt und geknuddelt. Die zwölfjährige Tracy ist ein Besuchshund des Malteser Hilfsdienst e.V. Berlin und besucht mindestens einmal die Woche Bewohnern eines Seniorenheimes.

„Die Nachfrage nach solchen tiergestützten Besuchsdiensten ist groß. Wir decken damit ganz Berlin ab, von Köpenick über Frohnau bis Falkensee“, sagt Reiner Stolpe. Der ehemalige stellvertretender Schulleiter hat den ehrenamtlichen Tierbesuchsdienst in Berlin ins Leben gerufen. Bis heute leitet er ihn und baut nun ein Besuchshundeangebot in Potsdam auf.

Für die umfangreiche Ausbildung von Hund und Halter, deren Ausstattung und die laufenden Kosten bittet der Verein dringend um Leser-Spenden.

Was Menschen nicht vermögen, das schaffen Tiere oft mit Leichtigkeit. Sie verfügen über erstaunliche psychosoziale Fähigkeiten, die wahre Wunder bewirken können. Besonders Hunde besitzen die Gabe, Körper, Geist und Seele eines Menschen aufs Tiefste zu berühren. Sie können sie aus der Lethargie holen oder zum Reden bringen.

Selbst Demenzerkrankte, die keinerlei Mimik zeigen oder nicht mehr sprechen, wollen das Tier berühren. Allein durch Streicheln schüttet der Mensch Hormone aus. Das ist wissenschaftlich erwiesen.

„Einsamkeit ist das große Thema unserer Zeit“

Tracys Herrchen Bernd Schulz erzählt von einem besonders berührenden Erlebnis mit einer älteren Dame, die Krebs im Endstadium hatte. „Die Frau hatte darauf bestanden, dass Tracy noch einmal zu ihr kommt“, erzählt der 72-jährige Rentner. „Als es soweit war, hatte sie Leckerli auf ihrem Bett verteilt und sich gefreut, dass Tracy sie aß.“ Am nächsten Tag starb die Frau. Sie hatte auf den letzten Besuch des verschmusten Border Collie gewartet.

Der Hundebesuchsdienst ist wichtiger denn je, resümiert Einsatzkoordinator Reiner Stolpe: „Einsamkeit ist das große Thema unserer Zeit. Im Alter wird der Freundes- und Bekanntenkreis kleiner.“ Mit den Besuchshunden bieten die Malteser Lösungen gegen das Alleinsein an. „Aktuell verstärkt die Pandemie die Einsamkeit. Es ist jetzt schlimmer als vor Corona. Die Menschen leiden an Kontaktarmut.“

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Auch in Potsdam leben ältere Menschen häufig allein. Spätestens ab Sommer soll der Hundebesuchsdienst nicht nur in Berlin, sondern in der Brandenburger Landeshauptstadt angeboten werden. In rund sechs Einrichtungen seien derzeit Einsätze geplant, sagt Stolpe.

Die Hunde durchliefen einen Eignungstest

2014 startete Ehepaar Schulz mit zwei Hunden. Außer Tracy lebt noch der zwölfjährige Joey bei ihnen – er ist aber inzwischen Rentner und macht keine Besuche mehr. Die Großbeerener waren einem Aufruf des Malteser Hilfsdienst Berlin gefolgt, als dieser den Tierbesuchsdienst ins Leben rief. „Wir haben gedacht, wir haben ja Zeit und die Hunde könnten auch anderen Leuten Freude bereiten“, erklärt Helga Schulz.

Im Januar 2014 fand der Eignungstest mit dem Hundetrainer statt. Er prüfte, wie Tracy und Joey auf Geräusche reagieren, auf Jogger und Rollator, wie gehorsam sie sind, ob sie Spielzeug wiederfinden. Sie haben sich gut gemacht. „Weniger erfolgreich haben sie Würstchen auf dem Boden liegenlassen.“

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Rund 45 Stunden dauere die Ausbildung, sagt Reiner Stolpe: „Es sind zehn Stunden Trainingseinheiten mit dem Hund. Der Rest sind spezielle Schulungen für die Halter in Erster Hilfe am Hund oder im Umgang mit Demenzkranken.“ Mit Senioreneinrichtungen fing 2014 alles an. Mittlerweile gehen die zutraulichen Labradore, Pudel, Golden Retriever und Huskys auch in Pflegeheime, Wohngruppen, ins Hospiz, zu Familien oder Alleinstehenden und in die Jugendstrafanstalt. „Derzeit sind 53 Halter aktiv, von 18 bis über 80 Jahre“, sagt Stolpe.

Die Pandemie erschwert die Arbeit der Besuchshundeteams aber, bestätigt Reiner Stolpe: „Viele Besuche in Pflege- und Senioreneinrichtungen dürfen nicht mehr stattfinden, obwohl die Ehrenamtlichen in Hygiene-, Abstands- und Schutzvorkehrungen geschult sind.“ Die Besuchshunde stehen alle unter tierärztlicher Kontrolle, werden regelmäßig entwurmt und geimpft und jeder Tierhalter unterbricht die Besuche bei Krankheiten. „Bei bettlägerigen Patienten wird immer extra eine Decke aufgelegt und nach dem Kontakt alles desinfiziert. Vorher werden noch die Pfoten gereinigt und das Fell ausgebürstet. Dass die Halter ihre Hände nach dem Streicheln waschen, ist selbstverständlich“, sagt Stolpe.

Im Rahmen der Tagesspiegel-Serie Das Spendenkonto: Empfänger: Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42. Bitte Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren. Auch Online-Banking ist möglich.

Anja Reinbothe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false