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Werksleiterin Barbara Hütter und der Wissenschaftler Daniel Sauter auf dem Klärwerksgelände in Schönerlinde.

© Stefan Jacobs

Investition in Klärwerke: Wie Berlins Abwasser sauberer werden soll

Abfallprodukte wie Medikamente und Hormone landen im Trinkwasser, wenn Klärwerke sie nicht herausfiltern. Eine Ozonbehandlung soll Abhilfe schaffen.

„Was Sie hier reintun, kommt bei Ihnen zu Hause wieder raus“, scherzt die BSR auf manchen Containern und wirbt damit für Strom und Wärme aus ihrem Müllheizkraftwerk. Der Spruch könnte allerdings ebenso gut die Abwasserrohre zieren, die so herrlich komfortabel aus Küche und Bad herausführen in Richtung Klärwerk.

Also zum Beispiel nach Schönerlinde gleich nördlich von Pankow, wo jeden Tag das Abwasser einer dreiviertel Million Berliner gereinigt wird: etwa 105.000 Kubikmeter, die von dem meisten befreit werden, was nicht hineingehört. Aber eben nicht von allem; das ist das Problem.

Denn das geklärte Wasser wird teils in die Panke und teils in den Nordgraben abgeleitet, der in den Tegeler See mündet. An dessen Ufer wiederum befindet sich eines der beiden größten Wasserwerke der Stadt, das rund eine Million Berliner mit Wasser versorgt. „Einen so engen Kreislauf haben wir nirgends sonst in Deutschland“, sagt Barbara Hütter, die Leiterin des Klärwerks Schönerlinde.

Und Daniel Sauter, als Wissenschaftler bei den Wasserbetrieben auf die weitergehende Abwasserreinigung spezialisiert, kommentiert die Herausforderung, dass das Wasserwerk direkt flussabwärts vom Klärwerk liegt, so: „Im Studium habe ich es andersrum gelernt.“

Dieser lokale Wasserkreislauf schafft ein Problem, das durch Trockenperioden wie zurzeit noch verschärft wird: Was vom Klärwerk nicht entfernt wurde, kommt irgendwann im Trinkwasser an. Das betrifft vor allem die Abfallprodukte der modernen Zivilisation wie künstliche Süßstoffe, Hormone aus Antibabypillen, Röntgenkontrastmittel, Pestizide, Industriechemikalien und vor allem Medikamentenrückstände: Das Schmerzmittel Diclofenac kriegen die Mikroorganismen in den Klärwerksbecken ebenso wenig klein wie den Blutdrucksenker Valsartansäure und das Antiepileptikum Gabapentin.

Hormone der Pille, Röntgenkontrastmittel, Pestizide, Schmerzmittel

Da es für all diese Stoffe keine Grenzwerte gibt, können auch keine überschritten werden. Aber: Ein Grundsatz der Wasserwirtschaft ist das „Minimierungsgebot“, damit das Wasser eben möglichst sauber bleibt. Und das Umweltbundesamt nennt für diverse Verunreinigungen „gesundheitliche Orientierungswerte“, die zwar einen nach heutigem Stand der Wissenschaft üppigen Sicherheitspuffer haben, aber denen das Tegeler Wasser auch immer näher kommt. Ähnliche Probleme drohen perspektivisch auch an anderen Stellen im Berliner Stadtgebiet.

Die Faultürme im Hintergrund sind mit Klärschlamm gefüllt, aus dem Methan - also Biogas - gewonnen wird. Der Rest wird in Kraft- und Zementwerken verbrannt.
Die Faultürme im Hintergrund sind mit Klärschlamm gefüllt, aus dem Methan - also Biogas - gewonnen wird. Der Rest wird in Kraft- und Zementwerken verbrannt.

© Stefan Jacobs

Nach jahrelanger Forschung haben sich die Wasserbetriebe jetzt entschieden, wie sie das Problem angehen: In Schönerlinde werden bis 2021 zusätzliche Becken errichtet, in denen das geklärte Abwasser mit Ozon behandelt wird. Das Gas mit der chemischen Formel O3 blubbert von unten ins Wasser und oxidiert einige der kritischen Stoffe, so dass auch diese anschließend von Bakterien & Co. abgebaut werden können.

Bei Diclofenac, das beispielsweise als Voltaren bekannt ist, funktioniert das nach Auskunft von Sauter fast komplett, bei anderen Substanzen zumindest zur Hälfte. Die Methode habe sich in den Tests als die beste erwiesen.

Perfekt war ohnehin keine: Aktivkohle bindet nur bestimmte Stoffe, die Klärung Granulatboden in künstlichen Gewässern ist für die großen Mengen nicht realistisch, und die Wunderwaffe namens „Umkehr-Osmose“ – bei der das Wasser durch einen ultrafeinen Filter gepresst wird – wäre in großem Stil nicht nur ein gigantischer Energiefresser, sondern würde außerdem ein fast mineralstofffreies „Laborwasser“ und gleichzeitig ein stark kontaminiertes Restkonzentrat erzeugen, das irgendwo entsorgt werden müsste.

Geklärtes Wasser wird mit Ozon behandelt

Die Ozonbehandlung mit biologischer Nachbehandlung soll also das kleinere Übel sein, obwohl auch sie 40 Millionen Euro Investitionen verschlingt und den Energiebedarf des Klärwerks um etwa 50 Prozent erhöht. Letzteres lässt sich immerhin dadurch lindern, dass auf dem Gelände am nördlichen Berliner Ring drei Windräder stehen und aus dem ohnehin anfallenden Klärschlamm mehr Biogas für dann drei lokale Blockheizkraftwerke herausgeholt werden kann.

Am Ende wird das gereinigte Wasser in Nordgraben und Panke geleitet.
Am Ende wird das gereinigte Wasser in Nordgraben und Panke geleitet.

© Stefan Jacobs

Außerdem ist auf dem Gelände Platz für ein 40.000 Kubikmeter – also 40 Millionen Liter – fassendes überdachtes Becken, das mit Schmutzwasser gemischte Straßenabwässer bei starken Regengüssen zwischenspeichert, damit künftig weniger davon in Spree und Landwehrkanal überläuft. Ein ähnliches Bauwerk am Klärwerk Waßmannsdorf am südlichen Stadtrand fasst sogar 50.000 Kubikmeter.

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Im Spandauer Ortsteil Ruhleben, wo bei deutlich knapperem Platz das größte Klärwerk der Stadt Dienst tut, wird das gereinigte Abwasser im Sommer bisher größtenteils in den Teltowkanal geleitet, damit es nicht Wannsee und Unterhavel verdreckt.

Um auch dort die Reinigung zu verbessern, soll nächstes Jahr die Reiniungstechnik modernisiert werden, damit noch mehr Phosphor und Stickstoff - die klassischen Hauptbestandteile des häuslichen Schmutzwassers, die als Dünger für Algen wirken - herausgeholt werden können. Außerdem entsteht eine UV-Bestrahlungsanlage: Ein „Solarium“, dessen Strahlung Keime abtötet, damit die nicht später an den Badestellen zwischen Gatow, Grunewald und Potsdam Ärger machen.

Die Rohre mit Aktivkohle sind eine weitere zusätzliche Reinigungsmethode, die die Wasserbetriebe erproben.
Die Rohre mit Aktivkohle sind eine weitere zusätzliche Reinigungsmethode, die die Wasserbetriebe erproben.

© Stefan Jacobs

Der Reparaturversuch mit dem Ozon in Schönerlinde ist in gewisser Weise der Preis dafür, dass die Menschheit dank dem medizinischen Fortschritt älter wird: Bei der Alternative, zehn gesunde Lebensjahrezu gewinnen oder durch Verzicht die Wasserressourcen zu schonen, wird wohl bis auf weiteres die Lebenszeit gewinnen.

Damit der Preis dafür nicht unbeherrschbar wird, läuft auf Bundesebene ein „Spurenstoff-Dialog“ zwischen Politik, Wasserversorgung und Gesundheitswirtschaft. Denn zu manchen Stoffen gibt es weniger problematische Alternativen – etwa Ibuprofen, dessen Wirkung der von Diclofenac ähnelt, aber das im Klärwerk schon jetzt gut abgebaut werden kann.

In Berlin mit seinem lokalen Wasserkreislauf hat die bessere Reinigung sogar schon ein Preisschild: 1,5 Milliarden Euro wollen die Wasserbetriebe von 2017 bis 2027 insgesamt in bessere Klärung investieren. Für die Berliner dürfte das Mehrkosten von 10 bis 20 Cent pro Kubikmeter Schmutzwasser bedeuten – die nach zehn Jahren stabiler Tarife wohl irgendwann fällig werden. Vorerst gilt aber noch die offizielle Parole, dass die Tarife stabil bleiben.

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