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Die aktuellen Umfrageergebnisse zu den Wahlen in Berlin

© Bartel/Tsp

Wahl in Berlin: Wer regiert nach der Abgeordnetenhauswahl?

Am 18. September wird ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Das alte Regierungsbündnis wird wohl keine Mehrheit mehr haben.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine Woche vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wird allmählich klar, welchen Parteien die Berliner den Vorzug geben wollen. Zwei Umfragen liegen vor: Der Ländertrend im Auftrag der ARD (Infratest dimap) und das Politbarometer im Auftrag des ZDF (Forschungsgruppe Wahlen). Beide Forschungsinstitute gehen derzeit davon aus, dass sich die SPD als stärkste Partei behaupten kann, wenn auch mit starken Verlusten. Gefolgt von der CDU, den Grünen und den Linken. Der AfD wird ein zweistelliges Ergebnis vorhergesagt, die FDP liegt an der Fünfprozentmarke.

Ist schon alles entschieden?

Nein, denn Meinungsumfragen sind keine Prognosen für den Wahltag, sondern geben die aktuelle politische Stimmung in der Bevölkerung wieder. Jetzt allerdings kurz vor dem Wahltermin. Die Meinungsforscher berücksichtigen bei ihren Befragungen auch die Parteibindungen der Wähler, das taktische Wahlverhalten und die Mobilisierungsfähigkeit der Parteien. Diese Bewertungen gehen in das veröffentlichte Ergebnis der „Sonntagsfrage“ ein. Da hat jedes Institut seinen eigenen Werkzeugkasten, deshalb weichen die Zahlen voneinander ab.

Es kommt hinzu, dass die Berliner auch wenige Tage vor der Wahl am 18. September noch ziemlich ratlos sind. „Viele Wähler legen sich erst sehr kurzfristig fest“, kommentiert Infratest dimap seine jüngste Umfrage, die am Donnerstag publik wurde. Eine große Bedeutung habe zudem der Schlussspurt des Wahlkampfes mit der gezielten Ansprache unentschlossener und taktischer Wähler. Die Forschungsgruppe Wahlen weist zusätzlich auf die statistisch bedingten Fehlerquoten (zwei bis drei) hin, und auf die „grundsätzlich hohe Volatilität und Last-Minute-Entscheidungen zahlreicher Wähler“. In Berlin seien derzeit noch 43 Prozent der Befragten nicht sicher, ob und wen sie wählen. Das gilt vor allem für FDP, Grüne und SPD, während fast alle AfD-Anhänger sich schon klar entschieden haben.

Wie schneiden SPD und CDU ab?

Die beiden Regierungsparteien, die seit 2011 gemeinsam den Senat bilden, müssen bei der Wahl am 18. September mit beträchtlichen Verlusten rechnen. Infratest dimap sieht die Sozialdemokraten bei 21 Prozent, die Forschungsgruppe Wahlen bei 24 Prozent. Trotzdem bliebe die SPD stärkste Partei. Bei der Abgeordnetenhauswahl vor fünf Jahren kam die SPD auf 28,3 Prozent. Das bisher schlechteste Wahlergebnis in der Nachkriegszeit erlitt die Berliner SPD 1999 mit 22,4 Prozent, nach zehn Jahren als Juniorpartner in einer großen Koalition mit der CDU.

Die Berliner Christdemokraten werden von beiden Umfrageinstituten mit 19 Prozent gleich bewertet. Das entspricht etwa dem Durchschnitt aller Umfragen für Berlin seit einem halben Jahr. Die CDU könnte sich damit als zweitstärkste Partei behaupten. Noch im Juli und August sah es so aus, als würden die Grünen an der Union vorbeiziehen.

Womit können Grüne und Linke rechnen?

Beide Umfragen aus dieser Woche sehen die Oppositionsparteien auf dem absteigenden Ast. Die Grünen kämen nur noch auf 16 und 15, die Linken auf 15 und 14 Prozent. Damit verloren beide Parteien, die als künftige Koalitionspartner der SPD gehandelt werden, innerhalb von zwei Monaten jeweils mindestens drei Prozentpunkte. Für die Linken wäre das immer noch ein gutes Ergebnis, 2011 kamen sie auf nur 11,7 Prozent. Für die Grünen wäre es eine Schlappe, denn sie blieben hinter den 17,6 Prozent bei der letzten Wahl zurück. Es könnte sein, dass die inoffizielle Festlegung von Grünen und Linken auf ein Regierungsbündnis mit der SPD einen Teil der Wähler abschreckt. Oder es macht sich doch bemerkbar, dass beiden Parteien ein bekannter und populärer Spitzenkandidat fehlt.

Welche Rolle spielt die AfD?

Bei der Bundestagswahl 2013 traten die Rechtspopulisten in Berlin erstmals an und erreichten aus dem Stand 4,9 Prozent der Zweitstimmen. Bei der Abgeordnetenhauswahl könnten sie dieses Ergebnis, laut aktuellen Umfragen, verdreifachen. Infratest dimap sieht die AfD (in allen Umfragen seit Mai) bei 15 Prozent, die Forschungsgruppe Wahlen bei 14 Prozent. Auch die hohe Zahl der Briefwahlanträge in Berlin, die auf dem Niveau der Bundestagswahl 2013 liegen, sind ein Indiz für die Mobilisierungskraft der AfD. Die Wahlbeteiligung (2011: 60,2 Prozent) könnte demnach auf 65 bis 70 Prozent steigen.

Kommt die FDP ins Parlament?

Man weiß es nicht. Auch in den neuen Umfragen liegt sie bei fünf Prozent, ob knapp drüber oder drunter, können die Statistiker nicht vorhersagen. Immerhin sehen alle Institute, die in Berlin Umfragen machten, die Freien Demokraten seit Juli an der Fünfprozentmarke. Bei der Wahl 2011 mussten die Liberalen in die außerparlamentarische Opposition wechseln. Seit dem Mauerfall gehörten sie 15 Jahre dem Abgeordnetenhaus an, zwölf Jahre blieben sie außen vor.

Welche Koalitionen sind möglich?

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller, der im Roten Rathaus bleiben will, machte sich kürzlich im Tagesspiegel für ein rot-grünes Bündnis stark. Die neuen Umfragen bestätigen aber die Erkenntnis, dass in Berlin wohl nur ein Dreierbündnis die notwendige Mehrheit im Parlament für eine Senatsbildung herstellen kann. Rot-Grün-Rot finden alle drei beteiligten Parteien schwierig, aber wünsch- und machbar. Rechnerisch möglich wäre, wenn die FDP ins Abgeordnetenhaus einziehen sollte, auch ein Kenia- Bündnis (SPD, CDU und Grüne). Für eine Deutschland-Koalition (SPD, CDU und FDP) könnte es, jedenfalls laut Forschungsgruppe Wahlen, ebenfalls reichen. Die Berliner Sozialdemokraten haben schon deutlich signalisiert, dass sie ein Bündnis „jenseits der Union“ anstreben. So formulierte es der SPD-Spitzenkandidat Müller am Freitag im RBB-Hörfunksender Radio Eins.

Gibt es noch Ost und West in Berlin?

Die Wahlergebnisse seit der Wende 1990, aber auch die jüngsten Umfragen, bestätigen das anhaltende politische Ost-West-Gefälle in der Hauptstadt. SPD und CDU, Grüne und FDP sind immer noch „West-Parteien“, wobei die Unterschiede bei der CDU besonders markant sind. Die Union kommt im Ostteil der Stadt auf 13, im Westteil auf 22 Prozent. Umgekehrt sind die Linken, mit 23 Prozent im Ostteil und zehn Prozent im Westen, die „Ost-Partei“ geblieben. Die AfD könnte es den Linken nachmachen: mit 18 Prozent im Osten und 13 Prozent in den Westbezirken Berlins.

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