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Sören Benn (Linke) will nicht, dass die Menschen Panik haben. Allzu sorglos sollen sie aber nicht sein.

© Jörg Carstensen/dpa

„Wer hamstert, handelt absolut asozial“: Pankows Bürgermeister Sören Benn warnt vor Corona-Panik

Corona-Partys feiern sei „gemeingefährlich“, sich „wie ein Prepper aufzuführen“ auch nicht ok. Sören Benn über Verantwortung und Wohnungsbau in Corona-Zeiten.

Von Christian Hönicke

Sören Benn (Linkspartei) ist seit Oktober 2016 Bezirksbürgermeister in Berlin größtem Bezirk Pankow. Der 48-Jährige war zuvor Referent für Wirtschaft und Verkehr der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Herr Benn, gehen Sie als Pankows Bürgermeister noch ins Büro oder arbeiten Sie im Homeoffice?
Ich fahre mit dem Rad oder laufe ins Büro und das bisher täglich. Da ich ein Einzelbüro habe, ist das weitgehend unproblematisch. Ansonsten habe ich fast alle Termine abgesagt – außer solchen, die zwingend sind, um unaufschiebbare Entscheidungen zu treffen. Natürlich gehe ich generell nach draußen. Das sollten alle tun, schon wegen des natürlichen Lichtes, dass wir alle brauchen. Wenn man dabei auf Abstände achtet, ist das völlig ungefährlich.

Es gibt viele Menschen, die nun von „Panikmache“ reden und sich „nicht verrückt machen lassen“ wollen.
Zu Panik besteht auch kein Anlass. Aber wer von Panikmache redet, ist schlicht schlecht informiert. Ich rate allen Erwachsenen, sich auch als solche zu verhalten. Also jederzeit körperlichen Abstand zu wahren, achtsam zu sein und nur solche Wege zu machen, die das auch gewährleisten. Dies ist auch für Heranwachsende wichtig, weil die sich am Verhalten Erwachsener orientieren.

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Sie spielen auf Schüler an, die die Schließung der Schulen zu größeren Feiern in Parks nutzen.

Wer jetzt Coronapartys feiert, handelt nicht freiheitsliebend, sondern gemeingefährlich. Wenn unser Gesundheitssystem aufgrund von Überlastung zusammenbricht, erst dann bekommen wir ein ernsthaftes Problem, weil dann auch für die Gesamtbevölkerung ein manifestes medizinisches Versorgungsproblem entsteht mit allen gesundheitlichen und massenpsychologischen Folgen. Es geht gegenwärtig darum, der Infektionsexplosion die Nahrung zu entziehen, damit die Ausbreitung langsamer abläuft.

Das rettet effektiv Menschenleben. Wir haben es also absolut in der Hand, das Infektionsgeschehen zu beeinflussen. Wer daran nicht aktiv mitwirkt, macht sich schuldig.

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Sie haben also Panik vor der Sorglosigkeit der Menschen?
Wir agieren im Rahmen einer weltweiten Pandemie mit Gesundheitssystemen, die aufgrund ihrer weitgehenden Vermarktlichung darauf nicht vorbereitet sind. Wie jedes System, das auf Kante genäht ist, bricht es bei Überlast sehr schnell und vollständig zusammen. Daher ist es notwendig, den Dominoeffekt auszubremsen. Jede und jeder von uns ist einer dieser Dominosteine. Vergrößern wir den Abstand, halten wir uns an die Einschränkungen, können wir bald, um die gemeinsame Erfahrung kollektiver Vernunftbegabung reicher, wieder in unseren normalen Leben zurück. Tu wir dies nicht, wachen wir in einer andren Welt auf.

Auf der anderen Seite der psychologischen Skala stehen die „Hamsterkäufe“. Haben Sie dafür Verständnis?
Ein Wocheneinkauf und ein wenig verstärkte Vorratshaltung sind in Ordnung. Wer aber hamstert, handelt absolut asozial. Hier sollten KundInnen das Kassenpersonal in der sozialen Ächtung dieses Verhaltens unterstützen. Die Lager sind voll, die Warenströme laufen weiter. Es gibt keinen einzigen Grund, sich wie ein Prepper aufzuführen.

Auch die Verwaltung steht nun vor großen Herausforderungen. Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Senat und anderen Bezirken? Tritt das altbekannte Zuständigkeitsmikado ein bisschen in den Hintergrund oder wird das nun zum gefährlichen Hemmschuh?
Besondere Situationen erhöhen offenbar die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Das ist gerade eine eher positive Erfahrung. Da niemand wirklich erfahrungsgetränkte Handlungssicherheit über den Tag hinaus hat oder vortäuscht, hören sich alle zu und aufeinander und agieren dann möglichst entschlossen und geschlossen. Ausnahmen bestätigen diese Regel.

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Wie arbeitet Ihr Bezirksamt?

Der bezirkliche Krisenstab trifft sich lageabhängig, in dieser Woche allerdings mindestens dreimal. Im Moment kommen wir dabei noch physisch zusammen und halten den gebotenen Abstand ein. Es gibt eine Tagesordnung mit den zu entscheidenden Fragen, die dann abgearbeitet werden. Dann geht jede/r an seinen/ihren Platz in die Umsetzung der Verabredungen und die erforderlichen Kommunikationen in die Verwaltungsstrukturen hinein.

Haben Sie Prioritäten neu verteilt?
Ja. Drei Handlungsstränge sind leitend. Erstens die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Gesundheitsämter, deren Auskunfts- und Anordnungsfähigkeit, die Kontaktpersonennachverfolgung und die Betreuung der Quarantänebetroffenen. Hierzu muss Personal aus anderen Ämtern in die Struktur der Gesundheitsämter überführt, geschult und dafür erforderliche Infrastruktur aufgebaut werden.

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Zum Anderen geht es darum zu identifizieren, welche Regelleistungen der Verwaltung noch erbracht werden können und müssen, was reduziert werden kann oder eingestellt werden muss. Der Publikumsverkehr wird in Pankow deshalb bis auf Weiteres eingestellt.

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Und der dritte Strang?
Schlüsselpersonal für den Katastrophenfall muss quantifiziert und identifiziert und ein tagesaktuelles Meldesystem der Personalverfügbarkeit muss implementiert werden. Alle Maßnahmen begleitet eine ständige Aktualisierung der Lageeinschätzung zur Fallzahlentwicklung, zur Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmenkataloge auf Bundes- und Landesebene und deren lokaler Umsetzung und Controlling in Abstimmung mit der Landesebene.

Sind die Außendienstler des Bezirks, etwa das Ordnungsamt und die Parkraumüberwachung, noch im regulären Einsatz?

Ja und Nein. Der Außendienst ist weiter unterwegs, übernimmt aber schrittweise Aufgaben zur Kontrolle von Betriebsschließungen, Quarantäneanordnungen und Menschenansammlungen im Freien.

Welche Auswirkungen hat die derzeitige Situation auf bezirkliche Großprojekte wie die Bauvorhaben Michelangelostraße oder Karow-Süd mit mehreren tausend Wohnungen? Werden die erst einmal zurückgestellt oder wird wie gehabt weitergearbeitet?

Da wir noch nicht den Katastrophenfall haben, wird eingeschränkt weitergearbeitet im Rahmen der verfügbaren Personalressourcen, die natürlich auch bei uns geringer werden. Wird der Katastrophenfall ausgerufen oder die Personalsituation notleidend, wird auch die Arbeit an den Großprojekten fallweise werden müssen.

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