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Am 31. Mai ist Weltnichtrauchertag: Wenn die Lunge zusammenklappt

Es muss nicht immer Krebs sein, eine COPD (Raucherlunge) ist schon schlimm genug. Wie schlimm, das erklären wir anlässlich des Weltnichtrauchertags am 31. Mai.

Wenn es darum geht, einen sperrigen Begriff wie die COPD zu veranschaulichen, macht Torsten Bauer niemand etwas vor. COPD steht für chronisch obstruktive Lungenerkrankung, also dauerhaft entzündete, verengte und verstopfte Atemwege. Doch Bauer, Chefarzt der Lungenklinik Heckeshorn am Helios Klinikum Emil von Behring, sagt: „Stellen Sie sich ihre Lunge als eine Weintraube vor, wobei jede Beere für ein Lungenbläschen steht“, sagt er. Durch das dauerhafte Inhalieren von Tabakqualm lösen sich die Wände der Weinbeeren auf – aus den vielen kleinen Beeren formt sich ein großer Klumpen. „Die Lunge verdaut sich quasi selbst“, sagt der Pneumologe. Folge: Die für den Sauerstoffaustausch wichtige Lungenoberfläche schrumpft. Da Tabakrauchen, ob aktiv oder passiv, die bei Weitem häufigste Ursache ist, wird die COPD umgangssprachlich oft schlicht Raucherlunge genannt. Einmal entstandene Lungenschäden können nur schwer und wenn überhaupt nur teilweise rückgängig gemacht werden. Mittlerweile rangiert diese vermeidbare Erkrankung der Atemwege auf Platz fünf der häufigsten Todesursachen in Deutschland.

In frühen Stadien bleibt eine COPD oft lange unbemerkt, da die Lunge die Ausfälle einige Zeit kompensieren kann. „Der Mensch war mal ein Fluchttier“, sagt Bauer. Und wer schnell rennen muss, braucht schnell viel Sauerstoff. Deshalb ist die Lunge so konstruiert, dass sie im Notfall das vierzigfache Luftvolumen verarbeiten kann. Doch der moderne Mensch benötigt „auf seinem Weg vom Sofa zum Kühlschrank“ nur einen Bruchteil der Kapazität, die unsere Lunge zu leisten im Stande ist.

Als würde man durch einen Strohhalm atmen

So verschlechtert sich die Lungenleistung gerade bei Rauchern, die sich kaum körperlich betätigen, oft über Jahre hinweg unbemerkt. Anhaltender Husten, Schleimauswurf und Luftnot bei Belastung sind typische erste Anzeichen und die häufigsten Gründe, warum Betroffene einen Arzt aufsuchen. Später kommt es durch zerstörte Lungenbläschen und chronisch entzündete und verstopfte Atemwege zu Kurzatmigkeit und anhaltender Atemnot, Stenoseatmung genannt. „Das fühlt sich an, als würde man durch einen Strohhalm atmen“, sagt Bauer. Durch den Sauerstoffmangel drohen auch Organschäden wie Nierenversagen oder Herz-Kreislauf- Kollaps.

Wie entsteht eine COPD? Acht Liter frische Luft atmen Erwachsene pro Minute ein. Doch mit jedem Zug dringen auch Schmutz, Schadstoffe und Bakterien in das sensible Organ. Dagegen schützt sich die Lunge durch einen Schleimfilm. Er sondert ein Sekret ab, in dem sich der Schmutz verfängt. Er wird von kleinen, auf der Bronchialschleimhaut sitzenden Flimmerhärchen, den sogenannten Zilien, abtransportiert. Doch das im Tabakrauch enthaltene Nikotin ist für diese sensiblen Härchen Gift. „Schon mit dem ersten Zug an einer Zigarette werden die Flimmerhärchen acht Stunden lang gelähmt“, sagt Bauer. Nach und nach verkümmern die Zilien und ihre Reinigungsfunktion geht verloren.

Tabakkonsum ist die mit großem Abstand wichtigste Ursache für eine Raucherlunge. 90 Prozent aller Betroffenen haben geraucht. Dabei spielt die Anzahl der bisher gerauchten Zigaretten eine wichtige Rolle. „Aber auch geringer Tabakkonsum kann bei einer ungünstigen individuellen Konstitution zur COPD führen“, sagt Bauer. Zur Diagnose sprechen Ärzte zunächst mit dem Betroffenen über seine Krankengeschichte und erfragen Details zu Beschwerden. Im Anschluss testen die Pneumologen das Lungenvolumen und den Atemfluss beim Ein- und Ausatmen. Innerhalb einer Sekunde sollte ein gesunder Mensch mindestens 70 Prozent der eingeatmeten Luft wieder ausstoßen können. Je weiter die COPD vorangeschritten ist, desto schlechter ist diese Rate. Mediziner unterscheiden vier Stadien der Krankheit: von Atemnot bei körperlicher Anstrengung (eins) bis unzureichende Sauerstoffzufuhr (vier).

Auch nach einem Rauchstopp wird nicht automatisch alles gut

„Die wichtigste Therapie ist, mit dem Rauchen aufzuhören“, sagt Torsten Bauer. Deshalb rät der Lungenarzt jedem COPD-Patienten, einen Tabakentwöhnungskurs zu besuchen. Allerdings: „Nur 30 Prozent bleiben langfristig abstinent“, sagt er. Und hat noch eine schlechte Nachricht: Die Schäden einer Raucherlunge können nicht geheilt werden. „Viele Raucher glauben, sie könnten irgendwann das Rauchen aufgeben und dann würde alles besser werden“, sagt er. Doch die chronische Entzündung der Atemwege bleibt auch nach dem Rauchstopp, sie hat sich längst verselbstständigt. Im besten Falle kann es Arzt und Patient gelingen, das weitere Voranschreiten der COPD zu verhindern. Zur konservativen Therapie verschreiben Ärzte Medikamente wie bronchienerweiternde Sprays, um die Atmung zu verbessern, und Sprays, die sehr niedrig dosiertes Kortison enthalten, um Entzündungen der Atemwege zu lindern. Bei einer bakteriellen Entzündung verordnen Mediziner auch Antibiotika. Rund die Hälfte der Patienten kann durch diese Therapie Lungenfunktion und Lebensqualität deutlich verbessern. Mindestens genauso effizient wie Medikamente ist Sport. Durch regelmäßiges Training werden Muskeln besser durchblutet und produzieren weniger Stoffwechselprodukte, die die Atmung belasten. Dadurch müssten Patienten etwa beim Treppensteigen nicht mehr so schwer atmen.

Bessert sich die chronische Bronchitis nicht, drohen die Atemwege ähnlich einem schweren Asthmaanfall zu verschleimen. Die Patienten müssen dann oft stationär behandelt werden. „Zunächst verabreichen wir einen deutlich höher dosierten Kortisonstoß“, sagt Bauer. Dazu kommen Antibiotika und Inhalationen. In schweren Fällen kann auch der Griff zum Skalpell sinnvoll sein. Bei einer überblähten Lunge, dem Lungenemphysem, ist es möglich, entzündetes Gewebe chirurgisch zu entfernen, um dem gesunden Teil der Lunge mehr Raum zu verschaffen. Auf das Zwerchfell drückt dann weniger Lungengewebe, der Patient kann leichter Luft holen. Ohne diesen chirurgischen Eingriff könnten die aufgeblähten Bläschen platzen und so einen lebensgefährlichen Zusammenfall der Lunge, den Pneumothorax, hervorrufen.

In seltenen Fällen kommt für Betroffene auch eine Lungentransplantation infrage, wie bei dem Schlagersänger Roland Kaiser. „Für die meisten Patienten ist eine Transplantation allerdings keine gute Therapieoption“, sagt Bauer. Zum einen sei der körperliche Zustand vieler Patienten zu schlecht, um die nötige Transplantationsoperation und die anschließende Unterdrückung des Immunsystems zu überleben. Zum anderen gebe es zu wenig Organe, denn die Lunge des Spenders müsse zum Empfänger passen.

Bei chronischer Sauerstoffunterversorgung, der sogenannten Zyanose, kann den schwerkranken Patienten nur noch mit einer Sauerstofflangzeittherapie geholfen werden. 16 Stunden pro Tag inhalieren sie das lebensspendende Gas aus einer kleinen Sauerstoffflasche. Um wenigstens etwas mobil zu bleiben, ziehen sie ein kleines Wägelchen hinter sich her, auf dem die Gasflasche montiert ist. Palliativmediziner begleiten schwerstkranke COPD-Patienten in den letzten Wochen und Monaten ihres Lebens, um letzte Qualen zu lindern. Dann vielleicht doch besser einfach aufhören?

Die Zahl der Raucher geht zurück – doch junge Menschen greifen vermehrt zu Shishas und E-Zigaretten. Am Weltnichtrauchertag, dem 31. Mai, diskutieren im Tagesspiegel-Haus zum Thema „Tabakwerbeverbot, Schockbilder oder E-Zigaretten und Shishas als Alternative?“: Michael Bamberg (Vorstand Deutsche Krebsstiftung), Marlene Mortler (Drogenbeauftragte der Bundesregierung), Andreas Storm (Vorstand DAK-Gesundheit), Reiner Hanewinkel (Leiter des Instituts für Therapie und Gesundheitsforschung) und Barbara Baysal (Betroffene, Selbsthilfegruppe Lungenkrebs). Moderation: Ingo Bach, verantwortlicher Redakteur Gesundheit. Beginn 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, Anmeldung bitte unter https://veranstaltungen.tagesspiegel.de/diskussion-zum-weltnichtrauchertag. Die Podiumsdiskussion findet statt im Rahmen der Wanderausstellung „4 min 15 sek“, die bis 7. Juni im Tagesspiegel-Haus zu sehen ist. Sie steht unter dem Motto: „Es dauert vier Minuten und 15 Sekunden, eine Zigarette zu rauchen. Was könnte man in dieser Zeit alles machen?“ Die Ausstellung ist eine Initiative der Deutschen Krebsstiftung in Kooperation mit der DAK-Gesundheit.

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