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Die Sicherungsverwahrung der JVA Tegel befindet sich links auf diesem Bild.

© Hannibal/dpa

Wenn das Leben in der Zelle endet: Berlins ältester Mann hinter Gittern stirbt – ein anderer bleibt

Er hatte pädophile Neigungen, wurde 87 Jahre alt, jetzt starb er in Berlins Sicherungsverwahrung. Ein anderer sitzt seit 52 Jahren ein und will nicht raus.

Er war der älteste Mann hinter den Gittern der Berliner Justiz. Am Mittwochmorgen ist der 87-jährige Heinz B. beim Aufschluss tot in seinem Zimmer in der Sicherungsverwahrung gefunden worden.

Die Justiz geht von einer natürlichen Todesursache aus, es läuft aber ein sogenanntes Todesermittlungsverfahren, sagte ein Sprecher der Justizverwaltung. Zuerst hatte der Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über den Fall berichtet.

Es ist das Ende eines Lebens, in dem B. immer wieder mit Polizei und Justiz zu tun bekam, mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist. Ein Mann mit pädophilen Neigungen – er saß seit 2015 in der Sicherungsverwahrung, die Einrichtung befindet sich auf dem Gelände der Haftanstalt Tegel, ist aber ein abgetrennter und eigener Bereich.

Denn Sicherungsverwahrung ist keine Haftstrafe, sie wird von Gerichten für die Zeit nach dem Gefängnis für gefährliche Straftäter verhängt. So war es auch bei Heinz B., geboren im Juli 1933. Als das Landgericht ihn verurteilt hat, war er schon Rentner.

Die Richter sprachen ihn 2009 schuldig, sechs Jungen missbraucht zu haben. Neben sieben Jahren Haftstrafe verfügten die Richter die anschließende Sicherheitsverwahrung des damals 75-Jährigen.

B. wohnte in Lichtenberg, er war schon in den 50 Jahren vor dem Urteil 2009 immer wieder straffällig geworden, sechs Mal war er bereits wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden.

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Ein Wiederholungstäter, der mit seinen pädophilen Neigungen für die Allgemeinheit weiter gefährlich sei, entschieden die Richter. In dem Prozess ging es um 16 Fälle schweren sexuellen Missbrauchs. Die sechs Opfer waren acht bis elf Jahre alt.

In der Sicherheitsverwahrung geht es auch um Therapie, die den Männern attestierte Gefahr soll minimiert werden. Es gibt Wohnküchen, Gemeinschafts- und Sporträume, eine Fahrradwerkstatt und eine Korbflechterei.

Neuer ältester Inhaftierter: 85 Jahre alt, Kindermörder, seit 52 Jahren im Knast

Und die Sicherheitsverwahrten haben ein eigenes Gelände für die Freistunden. B., so heißt es, soll sogar bei einem Mitglied einer bekannten ostdeutschen Rockband Gitarren-Unterricht bekommen haben – zur Therapie.

Nach seinem Tod ist ein anderer Mann gewissermaßen der „Dienstälteste“ in Berlins Vollzugsanstalten. Überhaupt sitzt der Kindermörder am längsten ein, drei Fünftel seines Lebens war er in Haft: Hans Kirschke (Name geändert) wurde am 19. Februar 1969 in Berlin festgenommen, da war er 34 Jahre alt.

Grausame Tat. So berichtete der Tagesspiegel vor 50 Jahren über die Ermordung der fünfjährigen Ramona.
Grausame Tat. So berichtete der Tagesspiegel vor 50 Jahren über die Ermordung der fünfjährigen Ramona.

© Mike Wolff

Seitdem sitzt er ein, erst kurz in Untersuchungshaft in Moabit, dann in Tegel. Am 27. Juni 1969 wurde er verurteilt. Er hatte mit seinem Vater in einer Parterrewohnung in Lichterfelde gewohnt. Dort geschah am 13. Februar 1969 die Tat.

Er will nicht zurück in die Freiheit

Er lauerte im Treppenhaus der fünfjährigen Nachbarstochter auf, würgte und knebelte sie. Als das Kind tot war, missbrauchte Kirschke es.

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Die Leiche des Mädchens versteckte er unter seinem Bett. Einige Nächte war er dann unterwegs und vergnügte sich mit Prostituierten, sein Vater fand derweil die Leiche. Kirschke, ein Einzelgänger mit „Kontaktschwäche“, wie ihm später attestiert wird, ließ sich, als er von seiner Tour zurückkam, ohne Widerstand festnehmen.

Er könnte längst zurück in die Freiheit, möchte aber nicht. Es sei seine Art der Sühne, sagte ein Mithäftling einmal. Kirschke lehnt es ab, begutachtet zu werden, was Voraussetzung für die Freilassung ist.

Die ist frühesten 15 Jahre nach Beginn einer lebenslangen Haft möglich. Im Durschnitt sind es in der Bundesrepublik aber 20 Jahre. Und dann kommt die Bewährung.

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