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Privates Paradies auf meist staatlichem Grund: der Kleingarten.

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Kleingärten als Bauland: Weniger Gärten für einzelne, mehr Fläche für alle

Die Koalitionsfraktionen wollen per Gesetz die Laubenkolonien retten. Keine gute Idee - das Land braucht dringend Wohnraum. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Die Stadt wächst, sie braucht Wohnungen, aber ausgerechnet jetzt wollen die rot-rot-grünen Regierungsfraktionen in Berlin die Kleingärten dauerhaft unter Schutz stellen. Dabei waren die immer als Baulandreserve vorgesehen. Kleingärten nehmen im Stadtgebiet eine Fläche ein, die 14 Mal dem Großen Tiergarten entspricht, und doch profitieren nur die wenigen davon, die das ungeheure Privileg haben, landeseigene Grundstücke kostengünstig als privates kleines Paradies nutzen zu können.

Langsam, sehr langsam verschiebt sich jedoch etwas in der öffentlichen Meinung. Auch der Politik ist bewusst, dass die Situation, so wie sie über Jahrzehnte entstanden ist, den Bewohnern der Stadt, die sich immer dichter drängen, immer weniger vermittelbar ist. 71.000 Parzellen hat die Stadt, bei 3,7 Millionen Einwohnern.

Manche Laubenkolonien sind gesichert wie Festungen, abweisend für Außenstehende, sogar mit Stacheldraht, und einige haben Lauben auf der Parzelle, so groß wie Wohnhäuser. Es wird dort auch verbotenerweise gewohnt. Das scheint von den Ordnungsbehörden niemanden zu kümmern.

Die Politik hat begriffen, dass sich etwas ändern muss und dass die Privilegien der Laubenpieper auf Kosten der Allgemeinheit gehen. Zugleich hat sie offenbar erhebliche Angst vor deren Zorn. Warum die Kleingärtner allerdings sakrosankt sein sollten, erschließt sich nicht.

Hätten sich die Fraktionen angstfrei der Frage genähert, was sinnvoll ist, so wäre vielleicht ein zukunftsweisender Entwurf herausgekommen. Doch was der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen da festschreiben will, ist das Gegenteil. An den Besitzständen der Kleingartenpächter wird im Grundsatz nichts geändert, im Gegenteil: Sie bekommen endlich Bestandssicherheit. Als Gegenleistung müssen sie sich nur wenig bewegen. Unter anderem müssen sie in den Monaten von April bis Oktober die Allgemeinheit auf die Gemeinschaftsflächen ihrer Anlagen lassen, also Wege und Plätze.

Den Laubenpiepern wird kaum etwas abverlangt

„Kleingärten sollen dem Wohl der Allgemeinheit dienen“, heißt es in dem Gesetzentwurf, und: „Auf Kleingartenflächen sind soziale Projekte (…) zu unterstützen.“ Dort sollen Kitas, Schulen, Senioreneinrichtungen gärtnern können. Und wer regelt Art und Dauer der Nutzung? Die Verbände der Kleingärtner. Verpflichtet sind sie dabei anscheinend zu nichts.

Weitere Regelungen in dem Gesetzentwurf tun ebenfalls niemandem weh. Ökologisch gärtnern, Sachkunde nachweisen, nicht zu viel Fläche versiegeln. Zu große Lauben müssen verkleinert werden, das darf aber zehn bis 20 Jahre dauern. Warum so lange?

In Paris, Rom, Madrid unvorstellbar

In welcher anderen europäischen Metropole wäre Derartiges denkbar? Paris? Madrid? Rom? Vollkommen unvorstellbar, dass eine so kleine Zahl von Menschen die Stadtpolitik so gängeln könnte.

Das Argument, der ökologische Wert der Kleingärten sei hoch und sie deshalb unentbehrlich, überzeugt dabei auch nicht. Fast jede Parzelle hat eine Laube, es ist also viel mehr Fläche versiegelt, als dies der Fall wäre, wenn die Parzellen zu öffentlichen Parks zusammengefasst würden. Auch hier wären gemeinschaftliches Gärtnern, Urban Gardening, die „essbare Stadt“ mit dem Anbau von Obst und Gemüse denkbar, und zwar für jeden.

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Ein Anfang könnte sein, die Gemeinschaftsflächen auszuweiten, etwa wenn ein Garten aufgegeben wird. Die meisten Pächter sind schon älter, auch wenn sich zunehmend Jüngere für die Gärten interessieren. Durch gezielten Tausch könnte auch dafür gesorgt werden, dass die neuen Gemeinschaftsflächen sich in der Nähe des jeweiligen Vereinsheims befinden.

So könnte sich der Anteil der Gemeinschaftsfläche über die Jahre immer weiter vergrößern, ohne dass ein Flickenteppich entsteht. Das würde langsam und sozialverträglich geschehen. Nur eine Idee – es ließen sich sicherlich mit etwas Kreativität und Willen auch andere finden. Der Staat sollte jedenfalls seine Optionen auf seine Grundstücke nicht so einfach aufgeben.

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