zum Hauptinhalt
Rein rechnerisch ein mögliches Bündnis: die Ampel-Koalition. Aber passen die Parteien in Berlin zusammen?

© Sepp Spiegl/imago stock&people

Kommt die Hauptstadt-Ampel?: Welche politischen Bündnisse ab Herbst in Berlin denkbar sind

Die Berliner Landespolitik schaut auf die Ergebnisse der Landtagswahlen im Süden. Dass Rot-Rot-Grün weiter regiert, ist nicht ausgemacht. Gibt es Alternativen?

Seit Tagen wird nun in Deutschland über die politische Ampel als Machtoption geredet. Auch die Berliner Landespolitik schaut sechs Monate vor der Abgeordnetenhauswahl im Herbst aufmerksam in den Süden der Republik: SPD und Grüne gratulieren ihren Parteifreunden herzlich und sehen ihren Kurs bestätigt. Auch die FDP freut sich über gute Ergebnisse. Alle drei könnten bald in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zusammen regieren.

In Berlin hat das rot-rot-grüne Dreierbündnis zwar seit seiner Wahl 2016 eine stabile Mehrheit von 55 bis 60 Prozent. Doch zwei Drittel der Berliner sind ebenso stabil unzufrieden mit der Regierung. Wer sich in der Koalition umhört, spürt vereinzelt schon Abschiedsstimmung.

Die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey geht explizit ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf und positioniert sich inhaltlich als „Mitte“. Die Positionen der Parteien zur Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, von der Linkspartei stark unterstützt, könnten die Abgeordnetenhauswahl zu einer wegweisenden Abstimmung über die Zukunft des Zusammenlebens in Berlin machen.

Rot-rot-grün ist daher zwar wahrscheinlich, aber längst nicht mehr alternativlos. Verschiedene Koalitionen sind mittlerweile wieder denkbar. Ein Überblick.

Ampel-Koalition

Momentan reicht es nicht für eine Ampelkoalition in Berlin. Grüne, SPD und FDP kommen laut neusten Zahlen des „Berlintrends“ von „Berliner Morgenpost“ und „rbb“ auf 48 Prozent. Eine Ampel-Koalition wird auf Bundesebene wahrscheinlicher, das könnte auf die Landesebene abfärben.

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sagte dem Tagesspiegel am Sonntag: „Für uns ist wichtig, dass die zukünftige Regierung unseres Landes eine klare Vision davon hat, wie sie unsere Gesellschaft voranbringen will – und wir kämpfen dafür, dass dies mit einer starken liberalen Handschrift geschieht.“ Ob in einer Ampel-, Jamaika- oder Deutschland-Koalition sei „nicht wichtig“.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Berliner FDP-Spitze hofft durch eine polarisierende Debatte um Enteignungen statt der Linkspartei zur Königinnenmacherin zu werden. Giffeys Kurs der Mitte macht die SPD auch für die Liberalen anschlussfähig – unklar ist, ob die starken linken Flügel der Sozialdemokraten und Grünen den Dreierbund akzeptieren würden.

Grün-Schwarz 

Auf Bundesebene ist das, neben der Ampel, eine der wahrscheinlichsten Optionen: ein grün-schwarzes oder schwarz-grünes Bündnis. In diesem Fall, fürchtet besonders die Linkspartei, könnten sich auch die Berliner Grünen mit der CDU zusammentun. Die Parteien kommen derzeit auf 45 Prozent.

CDU-Landeschef Kai Wegner baggert schon länger an den Grünen und versucht, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Grünen-Spitzenfrau Bettina Jarasch gilt als anschlussfähig ins bürgerliche Lager hinein. Bislang ließ sie die Avancen Wegners an ihrer Partei aber abprallen.

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Im November sprach Jarasch der Hauptstadt-Union im Tagesspiegel-Interview ab, gemeinsame Werte zu teilen. Für die CDU wiederum sind linke Grüne, wie Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt, politisch inakzeptabel.

Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin und frühere Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin, spricht bei der digitalen Landesdelegiertenkonferenz im Estrel Hotel.

© Annette Riedl/dpa

Eine Annäherung scheint schwer möglich – auch wegen des starken linken Parteiflügels um die grüne Fraktionsvorsitzende Antje Kapek, die persönlich aber gut mit Wegner zurechtkommt. Für das Bündnis spricht: Zweierbündnisse ermöglichen traditionell geräuschloseres Regieren. Eher nicht vorstellbar ist Schwarz-Grün.

Jamaika-Koalition

Das Jamaika-Bündnis aus Grünen, CDU und FDP hätte in Berlin zurzeit eine knappe Mehrheit von 51 Prozent. Dass die Grünen mit zwei wirtschaftsliberalen und konservativeren Parteien ein Bündnis eingehen, erscheint aber sehr unwahrscheinlich – auch wenn besonders die FDP wohl sehr gut damit leben könnte.

Rot-Schwarz

In der SPD-Spitze gibt es Sympathien für ein – wie auch immer geartetes – Zweierbündnis. Zu offensichtlich waren die Abstimmungsschwierigkeiten im Dreierverbund in den vergangenen Jahren. Grüne und Linke vermuten, dass die SPD, falls möglich, die Neuauflage der rot-schwarzen Koalition von 2011 bis 2016 anstreben könnte.

Franziska Giffey will einen Kurs der Mitte für die SPD. Aber geht sie deshalb ein Bündnis mit der CDU ein?

© imago images/Jens Schicke

Das ist aber unwahrscheinlich – beide kommen gerade nur auf 40 Prozent der Stimmen. Hört man sich um, reden führende SPD-Politiker eher schlecht über die einstige Koalition mit den Konservativen – es fehle zu oft die gemeinsame politische Grundlage. Innensenator Andreas Geisel sagte kürzlich im Tagesspiegel-Interview, die Zusammenarbeit in der momentanen Koalition sei deutlich vertrauensvoller als mit der CDU.

Rot-Grün oder Grün-Rot

SPD und Grüne kommen zusammen auf 41 Prozent. Dass es für das Bündnis reicht, ist im ausdifferenzierten Berliner Parteiensystem unwahrscheinlich. Die jüngsten SPD-Gewinne (plus drei Prozent) gingen anscheinend auf Kosten der Grünen (minus drei Prozent).

Politiker beider Parteien wollen nach fünf Jahren Koalition lieber ohne einander. Die Grünen empfinden die SPD oft als „Klotz am Bein“, die Sozialdemokraten schimpfen über „grüne Träumereien ohne den Mut, sie umzusetzen“. Bei der SPD hat man beobachtet, dass in der Koalition vor allem die Grünen profitieren, während die eigene Partei auf zwischenzeitlich 15 Prozent fiel.

Rot-Rot-Grün

Das rot-rot-grüne Bündnis hat eine stabile Umfrage-Mehrheit. Die Reibungsverluste sind aber spürbar. Die Linke will zu dritt weiterregieren, es ist ihre einzige realistische Machtoption. Die Grünen wollen es: aber unter eigener Führung, wie Spitzen-Frau Bettina Jarasch am Sonntag bestätigte. Giffey lässt alles offen.

Die Stimmung zwischen SPD und Grünen wird von Parlamentariern teils ähnlich beschrieben wie vor den Koalitionsverhandlungen 2011: Damals scheiterte ein Bündnis an athmosphärischen Störungen. Im Senat funktioniert die Zusammenarbeit in der Krise dagegen vertrauensvoll.

Die Enteignungsfrage spaltet die Koalition in Gegner und Befürworter – selbst innerparteilich. Ein kommendes Dreierbündnis müsste sich in dieser politischen Gretchen-Frage trotzdem bekennen. Es drohen schwere Koalitionsverhandlungen.
Die Reaktionen aus der Berliner Landespolitik auf die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz können Sie hier nachlesen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false