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Natalia Vishnyakova ist eine der ersten Weihnachtsfrauen Berlins.

© Thilo Rückeis

Polizisten, Tierpfleger, Kneipenwirte: Welche Berliner an Heiligabend arbeiten

Wie feiert jemand, der an Weihnachten arbeitet? Wir haben sieben Berliner gefragt, die die Stadt auch über die Feiertage am Laufen halten.

„Ich bin gespannt, wie die Kinder auf diese neue Figur reagieren“

Für diese Rolle hat Natalia Vishnyakova schon als Kind geübt, als sie für ihren jüngeren Bruder die Geschenke verteilte – als Enkelin des Weihnachtsmannes. Die sei in ihrer Heimat Weißrussland eine traditionelle Figur, erzählt die Studentin. „In diesem Jahr ist es aber etwas Besonderes.“ Denn morgen ist sie eine der ersten Weihnachtsfrauen Berlins. Erstmals konnten Familien diese beim Studierendenwerk buchen.

„Ich bin gespannt, wie die Kinder auf diese neue Figur reagieren“, sagt Vishnyakova. Bei den Familien will sie zuerst „Knecht Ruprecht“ vortragen, dann nach den „guten und bösen Kindern“ fragen, für die Guten gibt es Geschenke. Nach einer Viertelstunde muss sie zur nächsten Familie. Statt mit Rentieren fährt sie mit dem Auto durch Charlottenburg, wo sie selbst lebt und neun Familien besuchen wird. Normalerweise feiert Vishnyakova gar kein Weihnachten am 24. In Weißrussland begeht die orthodoxe Kirche Heiligabend am 7. Januar, die Geschenke gibt es von Väterchen Frost am 31. Dezember – in Begleitung von Snegurotschka, seiner Enkelin. Michael Graupner

„Heiligabend gibt es viele Körperverletzungen“

„Ich komme immer gerne zum Dienst, deswegen gehe ich auch Weihnachten arbeiten. Da ist es immer besonders interessant“, sagt Thomas Rexin. Der Polizist aus Reinickendorf mag seinen Abschnitt im Prenzlauer Berg. Seit 27 Jahren arbeitet er dort. Auf dem Revier gibt es einen silberne, blinkende Plastiktanne und im „Sozialraum“ das Weihnachtsfrühstück mit seinen Kollegen. „Mit den Bürgern habe ich dieses Jahr besonders viel zu tun, weil ich als stellvertretender Wachleiter hier sein werde“, sagt Rexin.

Generell melden sich Heiligabend viele Menschen oder kommen vorbei, um Anzeigen zu stellen. „Die denken sich vermutlich: Ach, ich hab ja Zeit, es ist ja Weihnachten. Dann kann ich ja endlich mal zur Polizei für die Anzeige.“ Da gehe es dann vor allem um Körperverletzungen oder Eigentumsdelikte, etwa wenn ein Handy verloren ging oder gestohlen wurde. Einmal kam ein Tourist vorbei, der seinen Pass verloren hatte, aber dringend den Flug in die Heimat nehmen musste. „Es ist dann meine Aufgabe, deswegen zu telefonieren und herauszufinden, wie ich diesem Menschen helfen kann“, erklärt Rexin.

Doch manche Einsätze sind vor allem traurig: Als die Wohnung einer Familie ausbrannte, war Thomas Rexin Einsatzleiter. „Die waren froh, dass sie sich erst mal ins warme Polizeiauto setzen konnten. Sie hatten ja nur an, was sie gerade in der Wohnung getragen hatten. Und draußen hat es geschneit.“ Auch häusliche Gewalt ist Heiligabend ein großes Thema für die Polizei. „In der Nacht, ab 22 Uhr, wenn die Bescherung vorbei ist, streiten sich die Leute, da kommt es zu diversen Körperverletzungen.“ Von den anderen Bürgern wünscht er sich deswegen Verständnis dafür, dass die Polizei zunächst zu diesen Fällen fährt und sich erst dann um die kümmert, die so zugeparkt wurden, dass sie „nicht aus ihrer Ausfahrt und zum Gänsebraten fahren können“. Johannes Drosdowski

Polizeibeamter Thomas Rexin auf der Wache im Abschnitt 15.
Polizeibeamter Thomas Rexin auf der Wache im Abschnitt 15.

© Rexin

„Wir bringen die Familien zusammen“

Quietschend hält der Zug von Nicole Rauhut am S-Bahnhof Friedrichstraße. Die Zehlendorferin steigt aus ihrer Führerkabine aus und macht Pause. Doch entspannt wirkt sie nicht, eher aufgeregt: Am Sonntag wird sie zum ersten Mal Weihnachtsdienst schieben, fünf Monate nachdem sie ihre Ausbildung abgeschlossen hat. Zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr morgens wird sie mit der S5 zwischen Westkreuz und Strausberg Nord pendeln, Berliner an ihr Ziel bringen.

Ihr Mann, mit dem sie sonst immer Heiligabend feiert, hat dafür Verständnis. „Die ganze Stadt ist ja voll mit Familien, die natürlich auch gerne mit ihren Liebsten feiern wollen“, sagt Nicole Rauhut. „Und wir als Dienstleister bringen diese Familien dann zusammen.“ Sie lächelt bei dieser Vorstellung. „Es gibt eigentlich nichts Schöneres, finde ich.“

Dass die Fahrer der Öffentlichen einen guten Dienst leisten – wenn auch manchmal mit Verspätung –, das ist auch den Passagieren bewusst. Von Kollegen weiß Rauhut, dass die zu Weihnachten besonders nett sind. Manche klopfen an, winken, wünschen ein frohes Fest. Einem Kollegen wurde vergangenes Jahr sogar ein Päckchen geschenkt. Besser ist das, denn besonders weihnachtlich können die Fahrerinnen und Fahrer es sich nicht machen. „Manche stellen sich zwar Tannenbäumchen auf oder hängen Christbaumkugeln auf, aber Musik geht zum Beispiel gar nicht. Das würde uns nur ablenken und wir müssen doch auf die Fahrgäste, die Strecke und die Signale achten.“

Zum Glück kann Rauhut wenigstens noch bis 21 Uhr feiern, zusammen mit Mann und Hund – ohne Alkohol, das ist klar. „Aber lecker essen geht trotzdem. Auch wenn ich mich nicht zu sehr vollfuttern darf, weil ich mich sonst nicht mehr konzentrieren kann.“ Die große Feier wird am 27. nachgeholt, zusammen mit den Eltern und der Großmutter. Dann wird auch endlich die Familien-Fahrerin zu ihrer eigenen chauffiert. Johannes Drosdowski

Nicole Rauhut fährt die Linie S1 durch Berlin.
Nicole Rauhut fährt die Linie S1 durch Berlin.

© Raphael Krämer.

„Das Fest steht jedem offen“

Jule Hanske ist eine von sechs Ehrenamtlichen, die Heiligabend ein Weihnachtsfest für Senioren im St. Josefsheim in Prenzlauer Berg veranstalten. Zusammen mit Youngcaritas Berlin, einer Caritasinitiative zur Förderung von jungem Engagement, und dem gemeinnützigen Verein Mehrwertvoll, den die Tempelhoferin leitet, werden Konzerte und Lesungen bei Kaffee und Kuchen veranstaltet. „Viele der Senioren hier haben keine Familie mehr oder sind nicht in der Lage, das Heim zu verlassen“, sagt Hanske, „wir möchten ihnen etwas Gutes tun.“

Die Vereinsmitglieder können auch die eigenen Kinder mitbringen, sodass die etwa vierzig Heimbewohner etwas Gesellschaft bekommen. Auch Hanske wird ihre fünfjährige Tochter mitbringen. „Sie soll sehen, dass Weihnachten nicht nur Geschenke bedeutet.Für die Ehrenamtlerin ist es wichtig, etwas zu geben und das Miteinander zu feiern. „Ansonsten ist Weihnachten doch nur noch ein Konsumfest.“

Heiligabend im St. Josefsheim soll Berlinern verschiedener Generationen die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen. „Viele Kinder haben ja auch keine Großeltern mehr. Daher finde ich es gut, wenn die Kleinen von den Großen lernen und die Großen etwas zurückgeben können.“ Da die Veranstaltung am Nachmittag stattfindet, könne sich danach noch jeder zurückziehen und zu Hause weiterfeiern. Corinna Cerruti

Weihnachten in Kneipe, Tierpark und Kirche

Christa Kapp arbeitet als Wirtin auch an Heiligabend.
Christa Kapp arbeitet als Wirtin auch an Heiligabend.

© Thilo Rückeis

„Es kommen die, die keine Familie haben“

Weihnachten ist das Fest der Familie, der Heiterkeit, der Liebe. Mit diesen hohlen Phrasen können die Besucher des Prinzenecks, einer Eckkneipe in Kreuzberg, am 24. Dezember wenig anfangen. Noch weniger kann es Christa Kapp. Sie wird auch diesen Heiligabend hinterm Tresen stehen. So wie vergangenes Jahr, das Jahr davor und das Jahr davor.

„Als Kind habe ich Weihnachten geliebt, jetzt ist es eigentlich ein Tag wie fast jeder andere“, sagt sie. Um 18 Uhr beginnt ihre Schicht, vorher besucht sie ihre Schwester, vielleicht. Dass Heiligabend im Prinzeneck ein besonderer Tag ist, merke man nur daran, dass weniger los sei. „Es sind die da, die keine Familie haben.“ Kreuzberger Urgesteine also, die keineswegs für sich allein sind. Sie unterhalten sich dann über das, worüber sie sich schon das ganze Jahr unterhalten haben: Wetter, Witze, Weltgeschehen.

„Manchmal verirren sich noch Touristen, die vorglühen wollen“, erzählt Kapp, die in Tempelhof-Schöneberg lebt. Aber das sei die Ausnahme. Gegen 21 Uhr schließt sie die Tür zu – damit keine Einbrecher hereinkommen können. In der Vergangenheit habe sie immer wieder von jemandem „Besuch“ bekommen. So auch am 26. Dezember vor zwei Jahren, als um zwei Uhr nachts sechs Jugendliche im Prinzeneck standen und die Tageseinnahmen forderten. Das, erinnert sie sich, war kein schönes Weihnachten. Michael Graupner

„Auch Elefanten wollen umsorgt sein“

Robert Pelissier feiert zwei Mal Weihnachten: zuerst mit seiner tierischen, dann mit seiner menschlichen Familie. Der Neuköllner ist Tierpfleger im Dickhäuterhaus des Tierparks. Bis 15 Uhr kümmert er sich dort um seine Schützlinge, danach geht es zu Mutter, Vater, Freundin und Oma. „Die Hälfte der Mitarbeiter aus unserem Revier haben Familie“, erklärt er. „Damit sie mit ihren Kindern den ganzen Tag feiern können, haben wir jungen Kollegen an Feiertagen Dienst.“

Das macht er schon seit sieben Jahren so, seit er seine Lehre im Tierpark abgeschlossen hat. Eine Nachtschicht gibt es dabei nicht, die steht bei Elefanten nur an, wenn eine der Kühe bald gebären soll. Zwölf Elefanten, zwei Nashörner, drei Seekühe, „massig Mäuse“ und zwei Marabus wollen auch zu Weihnachten umsorgt sein. „Dazu gehört nicht nur, Essen hineinzuwerfen – gerade bei den Elefanten und Nashörnern, weil große Tiere eben auch großen Mist machen.“ Fünf Leute sind deswegen immer im Dienst. Zu Weihnachten tragen die Pfleger Weihnachtsmützen, wichteln und essen Plätzchen. Für die Tiere gibt es Leckerlis. Um 17 Uhr kommt Pelissier normalerweise bei seiner Familie an. Die sitzt dann schon seit ein paar Stunden beisammen.

Wirklich traurig über die Verspätung ist er aber nicht. „Da bekommt man weniger von dem ganzen Weihnachtsstress ab“, sagt er. Im Tierpark könne er sich an den Feiertagen dann auch einfach mal entspannen. Und für ihn ein großes Plus: Wer Weihnachten arbeitet, bekommt Neujahr frei. Johannes Drosdowski

Tierpfleger Robert Pelissier posiert mit dem Elefanten Astra im Tierpark Friedrichsfelde Berlin.
Tierpfleger Robert Pelissier posiert mit dem Elefanten Astra im Tierpark Friedrichsfelde Berlin.

© Raphael Krämer

„Das ist für mich wie Bescherung“

Das Knarren der Tür hört er gar nicht, so vertieft ist Oliver Vogt in sein Orgelspiel. Ganz oben auf der Empore sitzt er auf seinem Bänkchen, der einzige Lichtschein in der großen, dunklen Gethsemanekirche fällt auf seine Noten. Er blickt erst auf, als er neben sich jemanden bemerkt. „Ich bin die ganze Zeit am Üben, fürs Neujahrskonzert“, erklärt der Organist – für Heiligabend nicht, da sitzt das Repertoire. Schließlich verbringt Vogt den 24. Dezember seit etwa 30 Jahren orgelspielend.

Seit gut vier Jahren ist der gebürtige Rheinländer Organist an der Gethsemanekirche. „Halb zehn gehe ich aus dem Haus, abends halb neun komme ich zurück“, beschreibt er einen der arbeitsamsten Tage des Jahres für Kirchenmusiker. Vier Gottesdienste spielt er in der Gethsemanekirche selbst – neben den anderen acht Christmetten an diesem Tag in der Großgemeinde Prenzlauer Berg Nord, die er musikalisch organisiert, dirigiert an diesem Tag zudem drei Chöre.

Er versichert, dass er sich darauf immer wieder freue. „Wir haben in jedem Gottesdienst um die 1000 Leute. Am Abend, wenn ich weiß, alle hatten einen stimmungsvollen, schönen Gottesdienst – das ist für mich wie Bescherung.“ Und danach? Wird mit Freunden Heiligabend gefeiert. Am nächsten Tag geht es gleich weiter – dann ist schließlich offiziell Weihnachten. Constanze Nauhaus

Organist Oliver Vogt in der Gethsemane-Kirche in der Berlin Prenzlauer Berg.
Organist Oliver Vogt in der Gethsemane-Kirche in der Berlin Prenzlauer Berg.

© Doris Spiekermann-Klaas

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