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Hussein Ali Khan (rechts) leitet das Multikulturelle Integrationszentrum in Charlottenburg.

© Sven Darmer

Weihnachtsspendenaktion „Menschen helfen!“ 2021/22: Wie ein Berliner Verein Nachhilfe mit Empathie und klaren Regeln gibt

Ins Multikulturelle Jugendintegrationszentrum in Charlottenburg kommen Kinder aus nicht privilegierten Familien zum Lernen. Jetzt bittet der Verein um Spenden.

Auch in diesem Jahr bittet der Tagesspiegel bei der Weihnachtsaktion „Menschen helfen!“ um Spenden der Leser. Wie bei jeder Spendenrunde wollen wir auch mit der 29. Aktion bei jenen Problemen und Krisen helfen, über die wir im Jahresverlauf öfter berichtet haben: Corona-Pandemie, Obdachlosigkeit in Berlin, Klimakrise weltweit, humanitäre Krise in Afghanistan. Wir stellen in unserer Spendenserie einige Projekte stellvertretend für alle 42 vor, für die wir Gelder sammeln. Heute: das Multikulturelle Integrationszentrum e.V.

Na klar, das „k“ ist falsch. Jetzt, da Nirvana Lopes sanft darauf hinweist, hat es auch Zoe erkannt. „Für die Milch nahm sie ihre kanne mit“, hatte die Fünftklässlerin bei einem Diktat durch ihre Freundin mit blauer Füllertinte geschrieben. „Kanne mit kleinem k, macht das Sinn?“, hat Nirvana Lopes gefragt. „Macht keinen Sinn“, antwortet Zoe jetzt. „Genau“, erwidert Lopes, „Kanne ist wie Gießkanne, das Wort muss man groß schreiben.“

Die Studentin sitzt neben Zoe, vor ihnen liegt ein Schulbuch, das Kapitel „Die Großschreibung von Nomen“ ist aufgeschlagen. Dort steht auch der gesamte Text, den Zoes Freundin diktiert hat. Zoe prüft jetzt, wo sie in ihrem Diktat noch Fehler gemacht hat. Lopes beobachtete kurz die Korrekturen, dann fragt sie: „Kommst du klar? Ich muss noch zu Miriam.“

Miriam sitzt einen Tisch weiter, sie hat einen Ordner aufgeschlagen, in dem sie ihre jüngsten Hausaufgaben abgeheftet hatte. Mit Lopes geht sie jetzt durch, ob sie alles richtig gemacht hat.

Willkommen beim Verein Multikulturelles Jugend-Integrationszentrum in Charlottenburg, willkommen in einer entspannten Atmosphäre mit warmen Farben und gemalten Bäumen, Fischen, Blumen und Seesternen an den Wänden, willkommen an einem Ort, in dem Schüler gut lernen können. Willkommen bei Nachhilfelehrern, zu denen eine Mutter mal sagte: „Seit meine Tochter hier betreut wird, ist sie so viel besser in der Schule geworden.“

An der Eingangstür verkündet ein Schild: „Wir heißen ALLE Nationen willkommen“, und gleich daneben sitzt der Kopf des Projekts an seinem Schreibtisch. Hussein Ali Khan ist der Vereinsvorsitzende, bestens vernetzt im Bezirk, Mitglied des Jugendhilfeausschusses. „Wir helfen Kindern und Jugendlichen aus nicht privilegierten Familien“, sagt er. „Die brauchen gerade jetzt noch mehr Hilfe. Corona hat diese Kinder besonders getroffen, weil bei ihnen Homeschooling oft ganz schwierig ist und sie deshalb große Lücken haben.“

Die Schüler kommen aus vielen Nationen

In zwei Räumen des Zentrums wird gelernt. An jedem Tisch stehen vier Stühle, je zwei für Schüler und zwei für Lehrer. Die setzen sich aber nur bei Bedarf, oft arbeiten die Schüler ja auch allein. Vor Corona waren 30 Schüler-Plätze besetzt, jetzt versammeln sich täglich nur noch 15 bis 20 Schüler. Die Altersspanne ist beachtlich, vom Erst- bis zum Zehntklässler ist alles vertreten. Die Schüler kommen aus allen Nationen. Syrer sind darunter, Russen, Türken, Ägypter, seit ein paar Jahren auch Deutsche.

Sie werden hier aufgefangen, mit Empathie, Einfühlungsvermögen und fachlicher Unterstützung, aber auch mit dem klaren Bewusstsein für Regeln. Sie werden zum Beispiel von Nirvana Lopes aufgefangen, der Studentin der Erziehungswissenschaft und Betriebswirtschaft, die in vielen Fächern hilft, in denen es hakt. Oder von Luna Shamsi, die Grundschulpädagogik studierte und jetzt besonders bei Englisch und Deutsch hilft.

Insgesamt sieben Lehrer und Lehrerinnen kümmern sich um die Schüler, alle für eine geringe Aufwandentschädigung. Sie teilen sich auf bei der Betreuung, sie kommen nicht täglich, aber vier Lehrer sind immer da. Zwei Stunden dauert der Nachhilfeunterricht, von 16 bis 18 Uhr.

Doch für die Eltern ist Ali Khan die Anlaufstelle. Ihm schicken die Väter oder die Mütter per WhatsApp wichtige Informationen zu ihren Kindern oder sogar Schulunterlagen zum Ausdrucken. Eine Nachricht kann zum Beispiel lauten: „Meine Tochter hat morgen einen Test in Mathematik, bitte achtet bei der Nachhilfe besonders auf die Aufgaben auf Seite 26.“ Oder Eltern weisen darauf hin, dass ihr Kind einen Test zurückbekommen habe, den möge man doch bitte auswerten.

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Die Kinder erledigen ihre Hausaufgaben oder lernen mit den Unterlagen, die sie mitgebracht haben. Das Zentrum selber hat allerdings ebenfalls Arbeitsblätter zu allen möglichen Themen. Zudem sind in einem Schrank Schulbücher zu verschiedenen Fächern und für unterschiedliche Jahrgänge aufgereiht. „Zur Not“, sagt Ali Khan, „suchen wir im Internet die nötigen Arbeitsblätter und drucken sie aus.“ Aber das gesamte Angebot kostet natürlich, deshalb bittet der Verein um Spendengelder. Unter anderem sollen damit die Miete und die Druckkosten bezahlt werden.

Die Lehrer halten Kontakt zu den Schulen

Gesprochen wird im Zentrum nur deutsch, „das gehört zur Hausordnung“, sagt der Vereinsvorsitzende. Aber die Hausordnung erlaubt natürlich, dass die Lehrer spezielle Fachausdrücke, die Kinder nicht kennen, übersetzen. Zu den Betreuern gehört ein Russe, aber auch Ahmad, der gerade zum kaufmännischen Assistenten für Betriebswirtschaft ausgebildet wird. Er ist zuständig für Arabisch.

Lehrer und Ali Khan halten Kontakt zu den Schulen, so erhalten sie regelmäßig Infos über Lernfortschritte der Schüler, aber auch über deren Sozialverhalten. Und die Entwicklungen sind beachtlich. Jeden Schülernamen, den die Lehrer aufzählen, verbinden sie mit einer kleinen Erfolgsgeschichte.

Viele Kinder haben ihre Leistung deutlich verbessert

Da ist der junge Russe, sechste Klasse, der in Mathematik große Probleme hatte, als er ins Zentrum gekommen ist. Sechs Wochen erzählte er voller Stolz, dass er bei einem Test als Einziger seiner Klasse eine Eins plus hatte.

Da ist das Mädchen, das als Erstklässlerin kam und so gut wurde, dass es die Nachhilfe längst nicht mehr braucht, jetzt das Gymnasium besucht und nur noch vorbei schaut, weil ihr die Atmosphäre so gut gefällt. Auch ihre Schwester kam ins Zentrum, auch sie besucht jetzt das Gymnasium, auch sie lernt längst selbstständig. Ein Ziel von Ali Khan und seinem Team ist also erreicht. „Wir wollen, dass sie selbstständig arbeiten“, sagt Ali Khan, „sie sollen nicht nur auf uns angewiesen sein.“ Gleichwohl: Jedes Kind kann so lange bleiben, wie es möchte oder nötig ist.

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Zur Hausordnung gehören aber auch Regeln zum Sozialverhalten. „Viele kennen ja feste Regeln gar nicht“, sagt Ali Khan. Also lernen sie hier, wo Grenzen liegen. Ein Fünftklässler beleidigte mal eine Lehrerin, damit hatte er die Grenze überschritten. Hausverbot lautete die Konsequenz. Kurz darauf flog er wegen seines Verhaltens sogar von seiner Schule. Ali Khan rechnet nicht damit, dass er wieder ins Zentrum kommt. „Aber dieser Fall ist die große Ausnahme.“

Ab 18 Uhr ist Spaß angesagt

Zu den Regeln gehört auch Spannungsabbau. Zwei Stunden Nachhilfe können anstrengend sein, ab 18 Uhr ist deshalb 45 Minuten lang Spaß angesagt. Im Zentrum stehen ein Kicker und eine Tischtennisplatte, an der Wand hängt ein Basketballkorb, und wer Aggressionen abbauen muss, der prügelt auf einen Boxsack ein. Das Zentrum deckt viele Bereiche ab.

Es ist sogar auf besondere pädagogischen Herausforderungen eingerichtet. Luna Shamsi jedenfalls steht bereit. „Aber bei Latein“, sagt sie, „musste ich noch nie eingreifen.“

Hier können Sie spenden

Spenden können Sie bitte an folgendes Konto überweisen: Empfänger: Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42.

Bitte Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren. Infolge der Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie bitten wir um etwas Geduld bei der Zusendung des Spendenbelegs. Auch Online-Banking ist möglich.

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