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Nochmal gut gegangen. Dietmar Woidke, SPD, kann in Brandenburg weiterregieren.

© imago images / photothek

Was will Woidke?: Für den Wahlsieger stehen schwierige Koalitionsverhandlungen an

Er darf weitermachen - nur mit wem? Ministerpräsident Woidke hat Vorbehalte gegen Rot-Rot-Grün. Grüne und CDU stehen bereit, ob mit oder ohne Ingo Senftleben.

Frenetischer Jubel brandet auf, für Brandenburger Verhältnisse jedenfalls, als er zu seinen Genossen kommt. Eine rote SPD-Fahne wird geschwenkt, „Dietmar, Dietmar“-Rufe erklingen. Und dann tritt Brandenburgs SPD-Regierungschef Dietmar Woidke, 59, vor seine Parteifreunde, die oben in der vierten Etage des Bildungsforums im Potsdamer Zentrum den Wahlsieg feiern, alle erleichtert, nach den Wechselbädern der letzten Wochen, ja Stunden.

Noch mal Glück gehabt, sagt einer. Keine 15 Minuten ist es her, seit die ersten Brandenburger Hochrechnungen auf der Leinwand erschienen, mit Zahlen, die kaum einer für möglich gehalten hatte. 26,2 Prozent für die SPD, vor der AfD mit 23,5 Prozent, und erst mit  Abstand folgen CDU, Linke, Grüne. „Es war ein harter Wahlkampf, aber wir sind immer besser geworden!“, ruft Woidke, dessen Auftritt immer wieder von Beifall unterbrochen wird.

Es sei ein Zeichen, dass Brandenburg weltoffen bleibe. Und dann holt er seine Frau Susanne auf die Bühne, „eine starke Frau, die zu ihrem halbwegs vernünftigen Mann steht“. Ohne sie, sagt er, hätte er den Mammutwahlkampf nicht durchgehalten.

"Das es so deutlich wird, hätte ich nicht für möglich gehalten"

Dann muss er weiter, zum Interview. Die Polarisierung der letzten Tage habe geholfen, sagt er. „Dass es so deutlich wird, das ist schon überraschend. Das hätte ich selbst nicht für möglich gehalten.“

Es ist sein Sieg, gegen den Bundestrend. Sein Brandenburg-Gefühl hat ihn nicht getäuscht. Schon am Morgen schien er sich seiner Sache sicher, als er sich kurz nach zehn Uhr an diesem schwülen, drückenden Tag in Brandenburg, der nicht nur politisch, sondern auch meteorologisch ein heißer werden sollte, auf den Weg rüber zum Wahllokal machte.

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Ein Spaziergang, nur einige Hundert Meter vom Wohnhaus in Forst entfernt. Seine Gemütslage? „Gut, ruhig, stabil“, antwortete Woidke da. „Ich will heute Abend Erster sein. Ich glaube, dass die SPD die Nase vorn haben wird.“ Im Wahllokal 006, in der evangelischen Grundschule, war er bereits erwartet worden, diesmal nicht nur vom RBB, sondern gleich sechs Kamerateams; ein Dutzend Fotografen, Blitzlichtgewitter, Gedränge.

Da waren es noch sechs Stunden, bis die Wahllokale schließen. Der Wahlkrimi in Brandenburg war in den letzten Tagen immer dramatischer geworden. Und Woidke, der im Wahlkampf eher allgemein vor den drohenden Folgen eines AfD-Wahlsieges warnte, für das Klima, für die Wirtschaft, hatte Landeschef und Spitzenkandidat Andreas Kalbitz direkt persönlich wie nie zuvor attackiert, nachdem nun noch vom „Spiegel“ enthüllt worden war, dass Kalbitz mit NPD-Funktionären und anderen Neonazis in Athen war, samt Hakenkreuzfahnen-Vorfall.

Woidke im Aufschwung - auch Jänschwalde ändert daran nichts

Ein Dokument der Botschaft habe davon berichtet. „Er war immer ein Rechtsextremist und steckt tief im braunen Sumpf“, hatte Woidke zum Abschluss des SPD-Wahlkampfs in Oranienburg gesagt. Es hat gereicht. Und auch das Gerichtsurteil, das den Tagebau Jänschwalde stoppte, genau am Wahltag in Brandenburg, änderte daran nichts.

Und das in einer Region, in der die AfD schon bei der Europawahl und der Kommunalwahl stärkste Partei wurde. Was zuletzt seine größte Sorge war, da wurde Brandenburgs Regierungschef tatsächlich ernst, sehr ernst sogar, an diesem Morgen. „Es ist eine schwierige Situation, ganz klar.“

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Und nun? Es fällt auf, wie sehr Woidke schon am Abend aufs Tempo drückt. Er werde „gleich in der kommenden Woche mit den Sondierungsgesprächen beginnen“. Denn nach der Landesverfassung habe man nur drei Monate Zeit, eine Regierung zu bilden. Und die müsse stabil sein. Das werde nun die neue Herausforderung sein.

Woidke hat Vorbehalte gegen das Berliner Modell R2G

Ein Automatismus, dass es Rot-Rot-Grün wird, wie viele Genossen meinen? „Es gibt keinen Automatismus, weder in die eine noch in die andere Richtung“, sagte Woidke, dessen Vorbehalte gegen dieses Berliner Modell bekannt sind. Und eher nebenbei erwähnt er, dass er nach der Wahl bereits mit Ingo Senftleben telefoniert hat. „Wir werden sondieren, auch und besonders mit der CDU, um eine stabile Regierung zu bilden.“ 

Ingo Senftleben, CDU, wollte Ministerpräsident werden. Daraus wird nichts - doch mitregieren könnte er trotzdem.
Ingo Senftleben, CDU, wollte Ministerpräsident werden. Daraus wird nichts - doch mitregieren könnte er trotzdem.

© AFP

Hier der Sieger, da der krachende Verlierer: Zur gleichen Zeit hat Ingo Senftleben, der CDU-Spitzenkandidat, auf der Wahlparty in einem Potsdamer Innenstadthotel das Fiasko eingeräumt … 15,6 Prozent für die CDU, drei Prozentpunkte weniger als 2014, und das als stärkste Oppositionskraft.

Senftleben schloss eine Koalition mit Woidke aus - und hat revidiert

Grabesstimmung im Saal. „Ich als Spitzenkandidat bin dafür mitverantwortlich“, sagte Senftleben, der Ministerpräsident werden wollte, der im Wahlkampf sogar eine Koalition mit Dietmar Woidke ausgeschlossen hatte, was er nun revidiert. Die Union müsse bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, sagt er. Schon mittags am Telefon, auf dem Weg nach Potsdam, war Senftleben klar, dass es hart würde.

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Er habe zwei Jahre auf diesen Tag hingearbeitet, es sei ein Marathon gewesen, nun werde es Klarheit geben, „so oder so“. Klarheit. Eine ziemlich brutale wird es.

Schon seit eineinhalb Wochen lief es schlecht für die Union, die mit dem SPD-AfD-Entweder-Oder-Duell nach allen Umfragen unterging. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt, die Partei neu ausgerichtet, ein bisschen wie Angela Merkel im Großen. Er hat die CDU aus der Ecke einer konservativen Law-and-Order-Partei in die Mitte gerückt, sozialer, liberaler Wahlkampf mit Schulranzenversprechen, Offenheit für eine Koalition mit den Linken, was Konservative im Landesverband in schiere Verzweiflung trieb.

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Es hatte warnende Stimmen gegeben, auch aus den eigenen Reihen, dass er zu defensiv sei, es nicht aufs Spielfeld schaffen werde, weil sich alles auf eine SPD-AfD-Auseinandersetzung fokussieren würde. „Dann steht er am Spielfeldrand, wie ein Ersatzspieler, der nicht eingewechselt wird.“ So kam es am Ende auch. Und dafür werde er gebraucht. Auch das sei „eine Verantwortung“, sagt Senftleben.

"Es geht darum, Rot-Rot-Grün zu verhindern"

Er will also weitermachen, solange nicht alles verloren ist. Noch gibt es ja die Chance, dass die Union nach mehr als zehn Jahren in der Opposition in die Regierung kommt. Er hat viele Gespräche geführt in den letzten Tagen, mit CDU-Ministerpräsidenten, mit der Bundesvorsitzenden, mit Vertrauten. Der Tenor, die Ratschläge, die Botschaften seien eindeutig gewesen: Die CDU in Brandenburg müsse zusammenbleiben, als stabiler Faktor. Nur kein Rückfall. Und deshalb kein Rücktritt. Dieser Mann, das wird auch am Abend bei seinen Auftritten in den Wahltalks klar, hat den nächsten Kampf schon begonnen. „Rot-Rot wird abgewählt“, sagt er. „Nun geht es darum, Rot-Rot-Grün zu verhindern.“

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Nur dass der gefährlichste Gegner der Brandenburger CDU, und für ihre Vorsitzenden erst recht, immer die CDU selbst war. Senftleben, der zwölfte CDU-Chef seit 1990, hatte es selbst erfahren, als er auf dem Landesparteitag mit nur 67 Prozent zum Spitzenkandidaten gekürt worden war, von seinem Vorschlag für die Landesliste mit fünf Frauen unter den ersten zehn kaum etwas übrig blieb.

Das böse Omen, gleich zu Beginn des Wahlkampfes. Und es rumort in der Union, noch in der Nacht geht es los. „Mit einem Kurs der Mitte, einer Konzentration auf unsere Kernthemen, wäre das nicht passiert“, sagte etwa der langjährige CDU-Abgeordnete Dierk Homeyer, der nicht mehr kandidiert hat.

Die Union unter Senftleben habe Stammwähler vergrault. Es gebe Klärungsbedarf, sagt JU-Landeschef Julian Brüning. Oder auch Frank Bommert, Kreischef in Oberhavel: „Er muss die volle Verantwortung übernehmen.“ Es sei Senftlebens Wahlkampf gewesen, er habe mit seinen Aussagen zur Linkspartei viele Stammwähler abgeschreckt. „Da kann er nicht einfach weitermachen.“ Unruhige Zeiten.

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