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Gondeln der der Seilbahn am Kienberg im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.

© Kitty Kleist-Heinrich

Marzahn-Hellersdorf: Was passiert mit der Seilbahn auf dem Kienberg?

Seit dem Ende der IGA ist unklar, was aus den Gondeln werden soll. CDU und SPD haben einen Traum - doch die Senatsverwaltung für Verkehr winkt ab.

Die Politik will die Hängepartie um die Seilbahn am Kienberg beenden und plant die Weiterverwendung im öffentlichen Nahverkehr. Seit Ende der Internationalen Gartenausstellung (IGA) vor einem Jahr ist die Frage ungeklärt, was aus den Gondeln, die zwischen Marzahn und Hellersdorf hin und her pendeln, werden soll. Jetzt nimmt die Debatte neue Fahrt auf: Gleich zwei Anträge, die eine Einbindung der Seilbahn in den öffentlichen Nahverkehr fordern, werden in nächster Zeit das Abgeordnetenhaus beschäftigen.

Sie sei „als Verkehrsmittel ebenso geeignet wie die bestehenden Fährverbindungen im Berliner ÖPNV“, meint die CDU. Deshalb solle die BVG die Anlage von dem privaten Betreiber Leitner aus Südtirol, einem der Branchenführer, übernehmen. Noch weiter gehen die Überlegungen der SPD: Sie plädiert in ihrem Antrag sogar dafür, die Seilbahn als Verkehrsmittel für andere Berliner Bezirke zu prüfen.

Eine Fahrt über den Wipfeln beflügelt offenbar die Phantasie. „Wer einmal in der Seilbahn gesessen hat, ist begeistert von der Aussicht und Perspektive auf Berlin und das Umland und von einem erhebenden Gefühl“, schwärmen die Sozialdemokraten im Entwurf ihres Antrags, der dem Tagesspiegel vorliegt. „Die Seilbahn kann sich im Berliner Osten zu einem Vorzeigeprojekt entwickeln“, heißt es, und vielleicht sogar „zum Wahrzeichen Berlins“. Als Fraktionschef Raed Saleh kürzlich zur Spritztour in den Osten reiste, rutschte es in der Gondel aus ihm heraus: Das wäre doch auch etwas für Spandau.

Die Senatsverwaltung erteilt den Träumen eine Absage

An Ideen, wo überall in Berlin Seilbahnen entstehen könnten, mangelt es nicht: Iris Spranger, Vorsitzende der SPD in Marzahn-Hellersdorf und im Abgeordnetenhaus Sprecherin für Stadtentwicklung, nennt Neubaugebiete wie die Wasserstadt in Spandau oder die Erschließung der „Urban Tech Republic“, die auf dem Areal des Flughafens Tegel entstehen soll. Seilbahnen seien bedeutend schneller und billiger zu bauen als beispielsweise eine U-Bahn, argumentiert sie. Auch das Bezirksamt will sich nicht mit der kurzen Strecke von Marzahn nach Hellersdorf mit Zwischenstopp auf dem Kienberg zufrieden geben – und bringt eine Verlängerung nach Norden ins Dorf Alt-Marzahn ins Gespräch. Die FDP aus dem Bezirk würde die Anlage gern bis Köpenick weiterbauen und denkt mal wieder ganz groß: Statt der umstrittenen Straßenbahn durch die Leipziger Straße würde sie auf der West-Ost-Achse lieber eine Seilbahn schweben lassen.

Die Senatsverkehrsverwaltung erteilt solchen Träumen eine Absage: Die Voraussetzungen für eine Integration der IGA-Seilbahn in den ÖPNV seien „nicht gegeben“, heißt es im Entwurf für den Nahverkehrsplan 2019 – 2023. Das Argument: Es fehlt der verkehrliche Mehrwert. Weder diene die Seilbahn der Erschließung von Wohngebieten, noch verbessere sie die Erreichbarkeit der U-Bahnlinie 5 auf Hellersdorfer Seite von Marzahn aus, denn das gehe mit den vorhandenen Buslinien schneller. Dorothee Winden, Sprecherin der Verkehrsverwaltung, betont, dass es sich beim öffentlichen Nahverkehr um „Daseinsvorsorge“ handele. Soll die Seilbahn als touristische Attraktion erhalten bleiben, müsse dies aus anderen Mitteln bezahlt werden, sagt Winden. Die Verwaltung sieht dafür keine Eile: Bis Ende 2020 sei der Betrieb durch die Firma Leitner vertraglich gesichert – mit Option bis 2031.

Die halbe Stadt diskutiert über Seilbahnen

Auch im Rest der Stadt kann sich die Verkehrsverwaltung keinen Nahverkehr mit Gondeln vorstellen. „Seilbahnen haben als Ergänzung des ÖPNV in Berlin kein Potenzial“, teilt Winden mit. „Die Kapazität einer Seilbahn entspricht einem Gelenkbus, die Kosten für Infrastruktur, Betrieb, Wartung und Personal sind aber um ein Vielfaches höher.“

Nicht alle Parteien haben deshalb solch eine Eile wie CDU und SPD. Grüne und Linke hegen durchaus Sympathien für eine Aufnahme der Marzahner Seilbahn ins Nahverkehrsnetz. Doch für einen Beschluss benötigen sie einfach noch mehr Fakten, wie aus dem Abgeordnetenhaus zu hören ist: Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit fehlen bisher genauso wie ein Personalkonzept. Die finanzpolitische Sprecherin der AfD, Kristin Brinker, würde die Seilbahn in Marzahn am liebsten ab- und am Teufelsberg wieder aufbauen. Der Marzahner Abgeordnete Gunnar Lindemann, nebenbei Sprecher für Fragen des ÖPNV, hält sie für „wirtschaftlich und strukturell sinnlos“. Und die Fraktion im Bezirk hat vor wenigen Tagen erst für einen Antrag gestimmt, der einen Probetrieb im Nahverkehr fordert.

Lieber heute als morgen würde Eike Arnold das sehen. Auf ihn ist zurückzuführen, dass mittlerweile die halbe Stadt über Seilbahnen diskutiert. Der Sozialdemokrat ist vor drei Jahren in den Bezirk gezogen und hat im Ortsverein Kaulsdorf-Mahlsdorf den Antrag geschrieben, der jetzt Karriere macht. Arnold erzählt von seinen Besuchen mit der Seilbahn auf dem Kienberg und den Leuten, die er auf der Aussichtsplattform Wolkenhain antreffe. Dieses Erlebnis ändere für viele den Blick auf den Bezirk – und wenn das mit einem ÖPNV-Ticket möglich wäre, würde es noch viel selbstverständlicher. Es sei Zeit für Berlin, sagt Arnold, „endlich aufs Image von Marzahn-Hellersdorf einzuzahlen“.

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