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ILLUSTRATION - Tasten einer beleuchteten Tastatur. (Aufnahme mit Zoomeffekt).

© Sebastian Gollnow/dpa

Kritik an Betreibern der Hauptstadt-Homepage: Was hinter der Daten-Sammelwut von „Berlin.de“ steckt

Die Geschäftspraxis von Berlin.de sei „rufschädigend“, kritisiert Berlins Datenschutzbeauftragte. Der Betreiber weist Vorwurf des Datenhandels zurück.

Das Unternehmen BerlinOnline weist Vorwürfe zurück, gegen geltende Datenschutzstandards zu verstoßen und daraus wirtschaftlichen Profit zu erzielen. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Abgeordneten Bernd Schlömer, die dem Tagesspiegel vorliegt, erklärt das für das Stadtportal Berlin.de verantwortliche Unternehmen: „Berlin Online selbst nutzt Daten nicht zu unmittelbaren wirtschaftlichen Modellen.“

Zwar würden Dienstleister und Kooperationspartner wie der Werbevermarkter Ströer oder der Ticketing-Anbieter CTS Eventim „im Rahmen ihrer Dienstleistung anfallende Daten für ihre jeweilige Diensterbringung“ nutzen. Ein Austausch oder eine Zusammenführung der Daten, möglicherweise sogar mit jenen des Landes Berlin, finde aber nicht statt. „Erhobene Daten werden ausschließlich bei den Partnern verarbeitet und gespeichert“, erklärt BerlinOnline.

Damit verteidigt sich der Betreiber von Berlin.de gegen die Kritik, auf der in einen öffentlichen und einen kommerziellen Bereich geteilten Seite würden automatisiert und ohne Kenntnis oder Zustimmung der Nutzer Daten erhoben, die dann vom Unternehmen selbst zu wirtschaftlichen Zwecken benutzt würden.

Zuletzt hatte die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk die Geschäftspraxis von Berlin Online als „rufschädigend“ und „absolut inakzeptabel“ kritisiert. Hintergrund ist der Einsatz sogenannter Tracking-Programme. Sie sammeln Benutzerdaten und erstellen über Verknüpfungen Bewegungsprofile, die Rückschlüsse auf Interessen der Nutzer ermöglichen.

Darüber hinaus hatte Smoltczyk kritisiert, dass der öffentliche und für Servicedienstleistungen der Verwaltung genutzte Bereich der Seite für Nutzer nicht vom privaten Bereich zu unterscheiden sei.

Fachpolitiker hatten sich der Kritik an der Datensammlung auf Berlin.de angeschlossen und Aufklärung verlangt. Der SPD-Digitalexperte Sven Kohlmeier legte nahe, die vertragsgemäß bis Ende 2021 laufende Zusammenarbeit des Landes mit BerlinOnline früher zu beenden.

Keine finanziellen Mittel im Landeshaushalt

Smoltczyk kündigte im Tagesspiegel-Interview an, die Datensammelpraxis im öffentlichen Bereich von Berlin.de zu prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen. Sollte die Seite Berlin.de nicht „so schnell wie möglich rechtskonform gestaltet“ werden, schloss Smoltczyk nicht aus, notfalls zu einer vorfristigen Beendigung der seit 1998 laufenden Zusammenarbeit zu raten.

Klar ist: Für den Fall, dass das Land Berlin sein Stadtportal Berlin.de vorzeitig allein betreiben muss, sind zumindest finanziell keinerlei Vorbereitungen getroffen worden. Der Mitte Dezember vom Abgeordnetenhaus beschlossene Doppelhaushalt für die Jahre 2020/2021 sieht keine Mittel dafür vor.

Maja Smoltczyk, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, stellt während einer Pressekonferenz den Datenschutz-Jahresbericht vor.

© Britta Pedersen/dpa

In der Antwort des Leiters der Senatskanzlei, Christian Gaebler (SPD), an Schlömer heißt es: „Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushalt 2020/2021 lagen keine Erfordernisse dazu vor.“ Gaebler zufolge sieht der rot-rot-grüne Senat in BerlinOnline einen „kompetenten und zuverlässigen Portalbetreiber und IT-Dienstleister“.

Im Falle einer Übernahme der seit September in der Hand des Unternehmerehepaars Silke und Holger Friedrich befindlichen Mehrheitsanteile an Berlin Online sei geplant, „zusammen mit der Geschäftsführung eine perspektivische Unternehmensentwicklung zu forcieren“, erklärt Gaebler. Der Senat hatte den Vertrag mit BerlinOnline Ende 2018 gekündigt. Die Zeichen stehen nun auf Kommunalisierung des Unternehmens und Betrieb von Berlin.de in Landeshand.

FDP-Experte kritisiert: „Baustelle des Senats“

Unklar ist, wie sich in diesem Fall die Geschäftszahlen von BerlinOnline weiterentwickeln. Laut der mit 25,2 Prozent an BerlinOnline beteiligten Investitionsbank Berlin hat das Unternehmen im Vorjahr etwas mehr als eine habe Million Euro Gewinn erzielt. In den Jahren zuvor hatte der Wert zwischen 150 000 Euro Gewinn (2012) und mehr als 820 000 Euro (2016) geschwankt.

Als lukrativ gelten die Portalvermarktung, die Erbringung von technischen Dienstleistungen für das Land Berlin und Dritte sowie die Bereitstellung der Berlin.de-E-Mail. Mit Ersterem dürfte das Land Berlin als Eigentümer und Betreiber der Seite Berlin.de wohl keine Einnahmen mehr erzielen.

Der FDP-Politiker Schlömer sprach von einer „konzeptionellen Baustelle des Senats“ und nannte es „beunruhigend“, dass „vielfältige Partner am Datenverkehr teilhaben und von diesem profitieren“. Eine fachliche Bewertung durch die Datenschutzaufsicht sei „dringend angeraten“, sagte Schlömer auch mit Blick auf die laut BerlinOnline rund 16 000 Nutzer von E-Mail-Konten mit der Endung Berlin.de.

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