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Eindeutiger Hinweis vor dem Thüringer Verfassungsgericht in Weimar. Auch in Berlin wird über ein Paritätsgesetz diskutiert.

© Martin Schutt/dpa

Streit um das Paritätsgesetz: Was das Thüringer Urteil für Berlin und Brandenburg bedeutet

Das Paritätsgesetz in Thüringen wurde vom Verfassungsgericht gekippt. In Brandenburg gibt es im August ein Urteil. Berlin tüftelt noch an einem Gesetz.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Was macht Berlin, und was geschieht in Brandenburg, nachdem das Paritätsgesetz in Thüringen vom dortigen Landesverfassungsgericht gekippt wurde? Es geht schließlich um das wichtige Ziel, das Frauen und Männer in den Parlamenten in gleicher Zahl vertreten sind.

Die Landesregierung in Potsdam muss jetzt darauf hoffen, dass die eigenen Verfassungsrichter über das brandenburgische Paritätsgesetz anders entscheiden als die Kollegen in Thüringen. Das Urteil wird für den 20. August erwartet.

Berlin hingegen hat noch kein Paritätsgesetz, was vor allem daran liegt, dass sich die Sozialdemokraten von den Koalitionspartnern Linke und Grüne nicht drängen lassen. „Denn eine gute Forderung ist noch kein gutes Gesetz“, begründet der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier, die bisherige Zurückhaltung seiner Partei.

Kohlmeier fühlt sich durch das Urteil in Thüringen in seiner Einschätzung bestätigt, dass für die Herstellung einer Geschlechter-Parität „andere Möglichkeiten gefunden werden müssen als direkte Eingriffe ins Wahl- und Parteienrecht“.

Nach Ansicht des Gerichts in Weimar verstoßen starre Quoten für die Aufstellung der Landeslisten zur Landtagswahl gegen die Thüringer Verfassung, denn dies beeinträchtige die Bürger in ihrem Recht auf freie und gleiche Wahlen und die politischen Parteien in ihrer Betätigungs- und Programmfreiheit. Auch das Gleichstellungsgebot in der Verfassung sei keine Rechtfertigung für „vorgegebene paritätische Quotenregelungen“.

Nach der Sommerpause erste Vorschläge für Berlin

Das sind Argumente, die auch in Berlin und Brandenburg ausschlaggebend sein könnten, wenn es um die juristische Beurteilung von Paritätsgesetzen geht. Das Thüringer Urteil komme „nicht völlig überraschend“, sagte Kohlmeier.

In Berlin sucht eine SPD-Arbeitsgruppe, in der drei Juristen und drei Fachpolitikerinnen sitzen, seit Monaten nach alternativen Wegen für ein Landesgesetz, das die paritätische Besetzung des Abgeordnetenhauses ermöglichen soll, ohne die verfassungsmäßig garantierte Entscheidungsfreiheit von Wählern und Parteien im Wahlrecht einzuschränken.

Wie es gelingen könnte, trotzdem Parität herzustellen – oder sich wenigstens der Idealvorstellung anzunähern – will Kohlmeier noch nicht verraten. Voraussichtlich nach der parlamentarischen Sommerpause werde die Arbeitsgruppe erste Lösungsvorschläge präsentieren.

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Es müsse in diesem Zusammenhang noch ein anderes Problem geklärt werden, sagt der SPD-Mann: „Wie gehen wir mit diversen Menschen um, die fürs Parlament kandidieren, aber nicht gezwungen werden dürfen, sich zu einem Geschlecht zu bekennen?“ Insgesamt kündigt Kohlmeier Vorschläge an, die außerhalb der Vorstellungen lägen, die Linke und Grüne bisher geäußert hätten.

Rot-Rot-Grün hält am Gesetzesvorhaben fest

Derweil versichern beide Regierungspartner der Sozialdemokraten, dass sie trotz des Urteils in Thüringen an einem Paritätsgesetz für Berlin festhalten. „Es gibt keinen Grund, unsere Forderungen aufzugeben“, sagte die Vorsitzende der Linksfraktion, Anne Helm.

Sie ist weiterhin der Überzeugung, dass das Gleichstellungsgebot in den Landesverfassungen und im Grundgesetz „einen Eingriff in das Wahlrecht und die Parteienfreiheit rechtfertigen“. Nach wie vor liege der Frauenanteil im Berliner Abgeordnetenhaus bei 33 Prozent. Frauen seien nun mal „strukturell unterdurchschnittlich“ in der Politik vertreten.

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Bei den Berliner Grünen würde ein Paritätsgesetz übrigens die Männer begünstigen, denn der weibliche Anteil an den Abgeordneten beträgt 59 Prozent. Deren Fraktionschefin Silke Gebel findet es bedauerlich, dass die Thüringer Verfassungsrichter die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung der Geschlechter nicht „entsprechend hoch bewertet“ hätten.

Berliner Grüne schlagen Verfassungsänderung vor

Um dies sicherzustellen, schlägt Gebel eine Änderung der Landesverfassung nach französischem Vorbild vor: „Es ist der gleiche Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern zu gewährleisten“.

Ein wichtiges Anliegen der Grünen ist es auch, die Bezirkslisten für die Abgeordnetenhauswahl abzuschaffen, „um echte Ergebnisparität herstellen zu können“. SPD, CDU und FDP treten bei Berliner Wahlen immer noch mit Bezirkslisten an. Das macht es noch schwieriger, den Frauen- und Männeranteil der gewählten Bewerber vorab zu steuern.

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