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Im Hochbetrieb: Mitarbeiter eines Berliner Gesundheitsamtes. (Symbolbild)

© Britta Pedersen/dpa

Corona-Tests am Limit: Was Berliner im Umgang mit den Gesundheitsämtern erleben

Kommen die Gesundheitsämter in Berlin noch mit den Tests hinterher? Zwei Beispiele aus zwei Bezirken zeigen: offenbar nur bedingt.

Die Zahl der Corona-Infektionen in Berlin steigt, die Einschränkungen werden hochgefahren. Betroffene fragen sich, ob die Gesundheitsämter die Lage im Griff haben. Zwei Beispiele aus zwei Bezirken: Kreuzberg und Charlottenburg.

Kreuzberg: Tilo M. (Name geändert) kam vor zwei Wochen von einem Urlaub auf den Kanaren zurück nach Berlin – nach Kreuzberg. Das Flugzeug landete sehr spät, die Teststelle am Flughafen war schon geschlossen. Bereits aus dem Urlaub hatte sich der 32-jährige Unternehmensberater einen Arzttermin für einen Test besorgt und sich ohnehin Quarantäne auferlegt. [lesen Sie hier, wie chaotisch es bei der Teststelle am Flughafen zugeht].

Einige Tage später, an einem Samstag, kam das Ergebnis: Er hatte eine Covid-19-Infektion. Der Arzt sagte ihm: Das Gesundheitsamt melde sich bei ihm. Doch es geschah zunächst nichts. Anrufe nahm niemand entgegen, E-Mails blieben unbeantwortet. Erst in der Woche darauf, an einem Donnerstag, kam ein Anruf von der Behörde. Am Mittwoch kam der nächste Anruf mit dem Hinweis, dass seine Quarantäne bald ende. Nachfragen, Prüfung seiner Kontakte, Suche nach weiteren Infizierten – „nichts“, sagt M.

Ganz anders lief es bei seiner Freundin, sie lebt in Lichtenberg. Obwohl ihr Test negativ ausfiel, rief das dortige Gesundheitsamt jeden Tag bei ihr an und erkundigte sich, ob sie Symptome zeige. Der Unterschied zwischen den beiden Bezirken: In Lichtenberg helfen Soldaten der Bundeswehr in den Gesundheitsämtern bei der Kontaktverfolgung mit. Friedrichshain-Kreuzberg lehnt das ab.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) teilte nun mit, das Bezirksamt setzte lieber „auf mittelfristigen Personalaufwuchs statt auf kurzfristige externe Unterstützung“. In den vergangenen Monaten seien 17 Personen eingestellt worden. In den nächsten Wochen würden weitere fünf Mitarbeiter kommen. Hinzu kämen 25 Honorarkräfte und zwei Helfer des Robert-Koch-Instituts. „Damit kann das Gesundheitsamt bei den aktuell vorliegenden Infektionszahlen tagesaktuell reagieren und umgehend Kontakt zu den positiv Getesteten aufnehmen und deren Kontakte nachverfolgen.“

M. wundert sich. Das, was Herrmann erklärt, war bei ihm nicht der Fall. Bei den beiden Telefonaten mit dem Bezirksamt hätten ihm die Mitarbeiter berichtet, sie hätten viel zu viel zu tun, könnten dringend Unterstützung brauchen, dürften aber die Hilfe der Bundeswehr nicht annehmen. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass sich der Bezirk nicht von der Bundeswehr helfen lässt“, sagt M.

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Die SPD-Bezirksverordnete Hannah Sophie Lupper kritisiert die Ablehnung der Bundeswehr-Hilfe durch die Bezirksbürgermeisterin. „Fälle wie der von Herrn M. können die Bemühungen von Monaten zunichtemachen“, sagte die Politikerin. „Die Bundeswehr kann und muss kritisch betrachtet werden. Dazu ist aber Unterstützung bei der Gesundheitsvorsorge der falsche Aufhänger. “

Ungeschult in Charlottenburg

Charlottenburg: Offenbar wird auch auf Personal zurückgegriffen, das die eigene Corona-Verordnung nicht ganz versteht. Der 43-jährige Gastronom Stephan L. bekam am Samstag vor zwei Wochen mitgeteilt, dass einer seiner Mitarbeiter Corona hat. Die beiden standen im engen Kontakt. Stephan L. begab sich sofort in freiwillige Quarantäne. Doch wie sollten sich seine Frau Anne L. und ihr vierjähriger Sohn verhalten? Nach einem Telefonat mit dem zuständigen Gesundheitsamt sagte ihm ein Mitarbeiter, dass er selbst zwar nicht das Haus verlassen dürfe, seine Frau aber weiter zur Arbeit gehen solle.

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Anne L. machte das stutzig. Sie ist Erzieherin, doch ihr Träger wollte vom Gesundheitsamt einen Beleg, dass sie in Quarantäne müsse. „Sonst könne ja jeder jederzeit zu Hause bleiben, hieß es“. Es folgte ein Telefonwechsel zwischen Gesundheitsamt und Kitaleitung – Berliner Pingpong. Beide sagten, dass sie zur Arbeit und ihr Sohn in die Kita gehen sollten. Stephan L. ging es derweil deutlich schlechter.

„Am Dienstag hatte mein Mann trockenen Husten, ihm war heiß, er war schläfrig und er sagte selbst, dass er sich im Inneren des Körpers ganz gruselig fühlte“, sagt Anne L. Doch getestet wurde er erst insgesamt sechs Tage später. Vier Tage darauf kam das positive Testergebnis. An diesem Tag waren Anne L. und ihr Sohn aber schon wieder – wie angeordnet – arbeiten beziehungsweise in der Kita. Und noch immer sagten sie beim Gesundheitsamt, sie sollten dort auch bleiben.

Irgendwann hatte ihr Mann endlich eine Mitarbeiterin am Apparat, die für die ganze Familie Quarantäne anordnete und auf die schlechte Personalsituation verwies. Der Gesundheitsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Detlef Wagner, erklärte dazu, dass tatsächlich nur Personen mit Erstkontakt in Quarantäne müssten, „die Familie nicht“.

Sollte die Kontaktperson aber deutliche Symptome aufweisen, wie bei Stephan L., hätte die Familie zu Hause bleiben müssen. Der Stadtrat lobt dennoch seine Mitarbeiter: In Charlottenburg-Wilmersdorf habe man es bisher geschafft, alle Infektionsketten nachzuverfolgen. „Wir schaffen es noch immer, arbeiten aber am Limit“. Testkapazitäten in den Laboren würden langsam knapp.

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