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Nach vorne. Der „Frauenförderplan“ bei der Berliner Polizei wird weiterentwickelt.

© imago images/Andreas Gora

Exklusiv

Alles klar, Frau Kommissar?: Warum bei der Berliner Polizei immer noch so wenige Frauen arbeiten

Auf Plakaten der Berliner Polizei sind viele Frauen zu sehen. Im Beruf ist ihr Anteil aber gering. Das liegt an verkrusteten Strukturen, sagt die Gewerkschaft.

Von Sonja Wurtscheid

In der Berliner Polizei sind immer noch weit mehr Männer als Frauen beschäftigt. Ende Juni arbeiteten im gehobenen Vollzugsdienst mehr als doppelt so viele Polizisten (10 671) wie Polizistinnen (4219). Das geht aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Inneres und Sport auf eine schriftliche Anfrage der Grünen hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Auch in leitenden Positionen des gehobenen Dienstes lag der Frauenanteil demnach weit unter dem der Männer: In der obersten Gehaltsklasse gab es 19 Prozent Frauen.

Im darüber angesiedelten, höheren Dienst arbeiteten der Senatsverwaltung zufolge rund 23 Prozent Frauen. Allerdings bewarben sich anteilig weit mehr: Von insgesamt 56 externen Bewerbungen kamen 22 von Frauen – das entspricht einem Anteil von 39 Prozent (Stand 5. Juli). Auch polizei-intern bewarben sich anteilig nur geringfügig weniger Frauen: 32 Prozent der Bewerbungen kamen von Polizistinnen.

Kritik am geringen Frauenanteil kommt unter anderem von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Speziell im höheren Dienst haben wir hier noch sehr verkrustete Strukturen, Führen in Teilzeit wird nach wie vor nicht gern gesehen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der GdP-Frauengruppe, Doris Richter, dem Tagesspiegel.

Über die verschiedenen Polizeidienste hinweg ergibt sich folgendes Bild: Laut Senatsverwaltung gingen vergangenes Jahr 11 443 Bewerbungen auf den mittleren und gehobenen Dienst bei der Schutzpolizei sowie den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei ein. 31 Prozent der Bewerbungen kamen von Frauen. Bei den Neueinstellungen lag der Frauenanteil bei 33 Prozent.

Aus Sicht des Berliner Polizeipräsidiums ist das eine positive Entwicklung. „Nachdem wir in der Vergangenheit rückläufige Zahlen bei Bewerbungs- und Einstellungszahlen von Frauen zu verzeichnen hatten, konnten wir aktuell einen Anstieg, insbesondere bei den Einstellungen, feststellen“, sagte Sprecher und Polizeioberkommissar Martin Halweg dem Tagesspiegel.

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Dabei seien in den Auswahlkommissionen, die über Bewerber:innen entscheiden, in der Regel gleich viele Frauen wie Männer vertreten, schrieb die Senatsverwaltung. „Auswahlkommissionen werden grundsätzlich geschlechterparitätisch besetzt. Abweichungen sind im Einzelfall schriftlich unter Angabe von Gründen zu dokumentieren.“ Wie hoch der Anteil nicht-paritätisch besetzter Auswahlkommissionen zuletzt war, war nicht Teil der Antwort.

GdP: „Wir können noch längst nicht von Gleichberechtigung sprechen“

Aus Sicht der GdP ist beim Thema Frauen in der Berliner Polizei zwar einiges angeschoben worden. Wir können „aber längst noch nicht von Gleichberechtigung sprechen“, betonte Richter. „Dabei gibt es zahlreiche Bereiche, in denen Frauen in Sachen Qualität Männern in nichts nachstehen, teilweise sogar mehr über die notwendige Empathie verfügen.“

Vor allem die Unvereinbarkeit vieler Polizeitätigkeiten mit Kindern sei ein Problem. Hier würden familienfreundlichere Strukturen helfen, sagte Richter. „Grundsätzlich muss man, wenn man den Frauenanteil in der Polizei erhöhen möchte, das Zertifikat familienfreundlicher Arbeitgeber mit Leben füllen und eine echte Vereinbarkeit Familie, Pflege und Beruf ermöglichen.

Ein Aspekt könnte der Aufbau von 24/7 Kitas sein, damit der Einstieg in die Behörde, der am Anfang oftmals mit Schichtdienst verbunden ist, funktioniert.“ Dass es für einen höheren Frauenanteil wichtig ist, solche Angebote zu schaffen, sieht auch das Polizeipräsidium so. „Die meisten Mitarbeitenden wünschen sich heute, Beruf und Familie in Einklang zu bringen“, sagte Sprecher Halweg.

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Allerdings, so die Ansicht der GdP, haben Frauen in der Polizei nach einer Elternzeit weniger Aufstiegschancen. „Aktuell gibt es in der Behörde leider nur wenig Möglichkeiten für Frauen, die mit der Kinderbetreuung und -erziehung aus dem Gröbsten heraus sind, die persönliche Karriereleiter wieder hinaufzusteigen und das berufliche Fortkommen wieder in Angriff zu nehmen“, sagte Richter. Das gelte zwar auch für Männer. „Aber wir beobachten eben vielfach, dass es vor allem Kolleginnen sind, die in den ersten Jahren für ihr Familienleben beruflich zurückstecken.“

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Ein weiteres Hindernis – vor allem für Frauen – sei das Thema Homeoffice. Es fehle „an Bereitschaft, mehr Homeoffice zu ermöglichen, wenn man zum Beispiel Familienangehörige pflegen muss“, sagte Richter. Das Polizeipräsidium sieht das anders. Sprecher Halweg sagte: „Mit den bestehenden Möglichkeiten und dem weiteren Ausbau des mobilen Arbeitens setzt die Polizei Berlin, gerade hinsichtlich der Chancengleichheit für Frauen, einen wichtigen Baustein für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“

Lux: „Die Berliner Polizei hat noch Aufholbedarf“

Auch der Grünen-Abgeordnete und Steller der schriftlichen Anfrage, Benedikt Lux, kritisierte das ungleiche Geschlechterverhältnis. „Die Berliner Polizei hat noch Aufholbedarf, Maßnahmen, die Einstellung und Führungsaufgaben für Frauen begünstigen müssen verstetigt werden.“

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„Um Frauen gezielt für den Polizeiberuf zu werben, werden von der Polizei Berlin seit Jahren im Rahmen der Berufswerbung und Öffentlichkeitsarbeit diverse Maßnahmen ergriffen“, schrieb die Senatsverwaltung. Dazu gehört demnach eine „Stärkung der geschlechtergerechten Darstellung des Berufsbildes in der Öffentlichkeit“ – sprich mehr Frauen auf Plakaten und in auch anderen Polizeiwerbungen.

Darüber hinaus werde der „Frauenförderplan 2019“ gerade weiterentwickelt, hieß es. Darin enthalten seien bereits regelmäßige Führungskräftetagungen für Frauen, Informationsveranstaltungen sowie das Entwicklungsverfahren für potenzielle Nachwuchsführungskräfte – eine dreijährige Vorbereitung für Führungsaufgaben im gehobenen Dienst.

30 Seminare geplant: „Gender-Training für Führungskräfte“

In Planung sind bis Ende 2022 zudem 30 zweitägige Seminare „Gender-Training für Führungskräfte“, wie der Sprecher des Polizeipräsidiums sagte. „Durch die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema ,Gender‘ werden Führungskräfte dahingehend sensibilisiert, Benachteiligungen zu erkennen, Frauen frühzeitig als potentielle Führungskräfte wahrzunehmen und zu fördern“, hieß es dazu von der Senatsverwaltung.

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Führungskräfte seien in der Polizei maßgeblich für den Personalentwicklungsprozess der Mitarbeiterinnen verantwortlich, für den eine gute innerdienstliche Kommunikationskultur erforderlich sei, sagte Halweg vom Polizeipräsidium. „Für diese Kommunikationsaufgabe sollen Führungskräfte regelmäßig noch besser qualifiziert und fortgebildet werden“.

Im Gegensatz zum Frauenanteil ist die Berliner Polizei bei der Einstellung von Beamten mit Migrationsgeschichte schon weiter. Da hat sich aus Sicht von Polizeipräsidentin Barbara Slowik schon viel getan. Allein in den vergangenen drei Jahren seien Menschen mit Wurzeln aus 95 Nationen eingestellt worden, hatte Slowik Anfang dieses Jahres gesagt.

„Wir sind eine bunte Polizei – wir bilden damit nahezu den Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte in Berlin ab.“ Jeder dritte Beamte, der in den vergangenen drei Jahren ausgebildet wurde, habe Migrationsgeschichte. Bleibt abzuwarten, wann die Berliner Polizei auch einen repräsentativen Frauenanteil hat.

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