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Der Ernst-Thälmann-Park im Ortsteil Prenzlauer Berg im Bezirk Pankow.

© dpa

Wahlkreisserie vor der Bundestagswahl: Pankow ist dreigeteilt

In Berlin-Pankow – der drittgrößten Großstadt Ostdeutschlands – wird die Wahl zwischen Linken, CDU und SPD entschieden. Grün ist hier nur Prenzlauer Berg.

Wer wohnt hier?

Mit seinen nunmehr 400 000 Einwohnern ist Pankow zur drittgrößten Großstadt Ostdeutschlands avanciert. Als solche sieht sie sich mit vielschichtigen Problemen konfrontiert. In den urbanen Zentren wie Prenzlauer Berg oder dem Florakiez verdrängen wohlhabende Zuzügler aus der ganzen Republik und dem Ausland die angestammte Bevölkerung. Der Milieuschutz greift kaum, die Mietpreisbremse ebenfalls nicht. Ein Teil des Bezirks, der Ostzipfel Prenzlauer Bergs, gehört nicht zum Wahlkreis 76, sondern zum Wahlkreis 83 mit Friedrichshain-Kreuzberg.

Auch an den Rändern des Bezirks, wo es noch dörfliche Strukturen mit Einfamilienhaussiedlungen, aber auch alte DDR-Plattenbausiedlungen gibt, wird es allmählich eng. Vor allem Familien zieht es nach Rosenthal, Wilhelmsruh, Weißensee oder Buch.

Wahlkreis Pankow. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.
Wahlkreis Pankow. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.

© Tsp/Bartel

Weil die Infrastruktur über Jahrzehnte vernachlässigt wurde und jetzt viele Straßen und Brücken gleichzeitig erneuert werden, sind Ortsteile wie Blankenburg und Karow praktisch von der Stadt abgeschnitten. Entsprechend groß ist die Unzufriedenheit der Bürger. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus erhielt in dieser Region die AfD teilweise mehr als 20 Prozent der Stimmen. Nun geht AfD-Landeschef Georg Pazderski in Pankow als Direktkandidat ins Rennen. Nachdem dessen Fraktionskollegen im Abgeordnetenhaus die Kandidatur kritisiert hatten, erklärte Pazderski, er werde der Landespolitik treu bleiben. Auf einen Listenplatz verzichtete er.

Welches Duell wird spannend?

Zweimal schon hat Stefan Liebich von der Linken in Pankow die Wahl für sich entschieden. Auf seinen Plakaten heißt es schlicht „Pankow: Liebich“, wahlweise „Prenzlauer Berg: Liebich“ und „Weißensee: Liebich“. Das erinnert irgendwie an „Sie kennen mich“ – die Bundeskanzlerin lässt grüßen.

Doch sicher scheint ein dritter Sieg des linken Realos und Außenpolitikers nicht zu sein. Liebichs Partei schnitt zwar bei den Bezirkswahlen 2016 gut ab und konnte sich den Bürgermeisterposten von der SPD zurückholen. Bei Bundestagswahlen stimmen die Bürger in Berlins bevölkerungsreichstem Bezirk aber erfahrungsgemäß anders ab als auf Landes- und Bezirksebene.

Bezirksstatistik Berlin-Pankow. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.
Bezirksstatistik Berlin-Pankow. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.

© Tsp/Bartel

Spannend ist vor allem, wie sich Gottfried Ludewig von der CDU schlagen wird. 2013 kam der damalige CDU-Kandidat bis auf 4,4 Prozent an Liebich heran. Das Zweitstimmenergebnis fiel noch knapper aus. Liebich und Ludewig buhlen vor allem um Stimmen der vielen, nicht selten schwäbischstämmigen grünen Stammwähler in Prenzlauer Berg, Liebich hängte dort Plakate seiner Partei mit dem Solgan „Die wo links isch“ auf und stellte ein Video ins Netz, in dem er Spätzle kocht.

Doch auch SPD-Kandidat Klaus Mindrup, der 2013 auf dem dritten Platz landete, ist nicht ganz aus dem Rennen. Dass er sich für Wohnungsbaugenossenschaften stark macht und gegen Gentrifizierung kämpft, könnte ihm Aufwind verleihen. Der Direktkandidat und frühere Landesparteichef der Grünen, Stefan Gelbhaar, hat dagegen wenig Chancen. Das Biomarkt-Publikum von Prenzlauer Berg macht eben nur einen kleinen Teil des Bezirks aus.

Hat man hier überhaupt eine Wahl?

In Pankow gab es schon bemerkenswerte Ergebnisse. Als der Linke Stefan Liebich 2009 zum ersten Mal den Wahlkreis gewann, löste er mit Wolfgang Thierse (SPD) ein politisches Schwergewicht ab. Thierse war zu dieser Zeit zwar nicht mehr Bundestagspräsident, aber immerhin noch Vizepräsident und durch seinen Wohnsitz am Kollwitzplatz eine Lokalgröße. Thierse selbst hatte nach der Wahlkreisreform, bei der Pankow grob gesagt Hohenschönhausen verlor, dafür aber den größten Teil Prenzlauer Bergs hinzugewann, 2002 Manfred Müller von der PDS das Direktmandat abgenommen – mit 44,7 Prozent der Stimmen. 2005 schnitt er mit 44,1 Prozent kaum schlechter ab. Traditionell konkurrierten in diesem Bezirk also Linke und SPD um die Vorherrschaft. Bei der ersten Wahl nach der Wende, 1990, ging das Direktmandat an die SPD, damals vertreten durch den Pfarrer Konrad Elmer-Herzig.

Was ist das Skurrilste aus dem Wahlkampf?

Beim frauenpolitischen Abend im Rathaus Pankow sollten die Bundestagskandidaten Farbe bekennen, was sie für Frauen erreichen wollen. Maria von Bolla brachte aber zunächst Farbe auf ihre Nägel, rote Farbe, um genau zu sein. Mit den beiden überdimensionierten Ballons unter dem Pullover und der über dem Pulli eng zusammengeschnürten Corsage wirkte die Spitzenkandidatin der „Partei“, die eigentlich Christian Rall heißt, wie eine Provokation in der von Frauen dominierten Runde.

Bolla versuchte inhaltlich zu punkten und versprach eigene Fahrspuren für Doppelkinderwagen. Mit ihrem Wahlspruch „Make Pankow grey again“, umwarb sie jene, „die sich die alte Patina zurückwünschen“. Außerdem kündigte sie ein Matriarchat für Pankow an – und empfahl Männern als Exitstrategie, ihrem eigenen Beispiel zu folgen. „Auch ich hatte ein Vorleben als Mann.“ Doch was ändert sich, wenn alle Männer Frauen werden?

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