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Vorsprung durch Technik? Am digitalen Seziertisch – hier an der Medical School Hamburg – lernen die Studierenden die menschliche Anatomie kennen.

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Vorlesung in der Villa: So studiert es sich an Privathochschulen

Ilona Renken-Olthoff hat in Berlin eine private Hochschule gegründet. In Potsdam steht eine weitere. Dort kostet ein Medizinstudium etwa 1500 Euro monatlich.

In den Gängen des altehrwürdigen Herrenhauses herrscht Betriebsamkeit. Junge Erwachsene, elegant gekleidet, laufen über den knarzenden Parkettboden. Stolz führt Ilona Renken-Olthoff durch das imposante Gebäude, das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts für den Kaufmann Friedrich Christian Correns errichtet und später von der Unternehmerfamilie Siemens bewohnt wurde.

Die Villa hat 80 Zimmer mit 3700 Quadratmetern Wohnfläche und ist von einer 27.000 Quadratmeter großen Parkanlage umgeben. Seit 2012 sitzt hier die private Hochschule BSP Business School Berlin: die Wahl-Hamburgerin Ilona Renken-Olthoff ist deren Geschäftsführerin.

Privathochschulen haben in Deutschland kurze Tradition

Wer sich die Studiengebühren von 590 Euro im Monat leisten kann, hat verschiedene Bachelor- und Masterstudiengänge zur Auswahl, zum Beispiel Betriebswirtschaft, Wirtschaftspsychologie oder auch Modejournalismus. Glaubt man Ilona Renken-Olthoff, dann lohnt sich die Investition: „Unsere Absolventen gehen in große Unternehmen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Unternehmensberatungen“, sagt sie.

In Deutschland haben Privathochschulen, im Gegensatz etwa zu den Vereinigten Staaten, keine lange Tradition. Obwohl ihre Zahl steigt, ist der Marktanteil weiterhin gering. Laut Statistischem Bundesamt waren zu Beginn des Wintersemesters 2019/20 insgesamt 2,9 Millionen Menschen in Deutschland für ein Studium eingeschrieben.

Davon studierten aber nur 230.197 an Privathochschulen – das entspricht einem Anteil von 7,9 Prozent. Die Anzahl der Schulabgänger mit Hochschulreife steigt indes seit Jahrzehnten kontinuierlich. Einer Langzeitstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zufolge stieg die Studienberechtigtenquote zwischen 1995 und 2017 von 36,5 auf 51 Prozent. In Berlin sogar von 36,8 auf 61,5 Prozent, und in Brandenburg von 36,8 auf 56,2 Prozent. Doch die Kapazitäten staatlicher Hochschulen sind in vielen Studiengängen begrenzt. Oft deckelt ein Numerus Clausus die Anzahl der verfügbaren Plätze.

Vorurteil: Geld der Eltern sei entscheidend

Im Gegensatz zu den staatlichen bestimmen private Hochschulen ihre Aufnahmekriterien selbst. Die BSP Business School Berlin führe mit Interessenten unter anderem ein „strukturiertes Interview“, sagt Renken-Olthoff. Das Verfahren sei sehr individuell. Etwa zehn bis 20 Prozent der Bewerber würden abgelehnt, schätzt sie.

Oftmals seien formale Gründe ausschlaggebend, etwa fehlende Sprachkenntnisse. Das Vorurteil, dass an Privathochschulen allein das Geld der Eltern entscheide und nicht die Leistung der Abiturienten, weist die Unternehmerin vehement zurück. „Einige Studierende gründen schon während des Studiums eigene Unternehmen“, sagt sie.

Die Hochschule unterstütze das. Regelmäßig lade sie Wirtschaftsvertreter ein, die von ihren Erfahrungen in der Praxis berichteten. „Beim Unternehmertum geht es auch um Mut und den Willen, durchzuhalten“, sagt Ilona Renken-Olthoff und spricht aus Erfahrung.

Renken-Olthoff betreibt mehrere Fachhochschulen

Sie hat kein ökonomisches Studium absolviert. Eigentlich habe sie Medizin studieren wollen. Doch in der DDR habe sie das aus politischen Gründen nicht gedurft. Renken-Olthoff wurde Deutschlehrerin, stellte 1986 einen Ausreiseantrag, um in den Westen auswandern zu können. Anfang 1989 wurde dieser auch bewilligt. Seit den 1990er Jahren betreibt sie mehrere Fachhochschulen.

Ihr Sohn habe 2009 an einer privaten BWL-Fachhochschule in Potsdam studiert, erzählt sie. Als diese in die Krise geriet, kaufte Renken-Olthoff sie kurzerhand. Ende 2012 zog diese Hochschule um in die Lankwitzer Villa, seither heißt sie Business School Berlin.

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Außerdem kam die Medical School Berlin hinzu, die verschiedene Gesundheitswissenschaften und ein Psychologie-Studium anbietet. Eine weitere Medical School in der Hamburger „HafenCity“ darf seit 2019 Humanmedizin mit Abschluss Staatsexamen anbieten.

Und ab dem kommenden Wintersemester nimmt die neue HMU Medical School Potsdam in Brandenburg ihre ersten angehenden Ärzte auf – für 1500 Euro Studiengebühren im Monat. Die Regelstudienzeit beträgt sechs Jahre und drei Monate. In Berlin und Brandenburg gibt es einen enormen Mangel an medizinischen Fachkräften.

Mediziner müssen oft lange auf Studienplätze warten

Doch wer Arzt werden will, muss oft lange auf einen Studienplatz an einer staatlichen Universität – wie der Berliner Charité – warten. Sogar diejenigen, die ein sehr gutes Abitur haben. Die Charité bietet gemeinsam mit der Humboldt-Universität und der Freien Universität ein Studium der Humanmedizin an.

Die drei Universitäten verfügten allerdings laut Charité im Wintersemester 2019/20 zusammen nur über 327 Plätze im ersten Fachsemester. Als einziger privater Bildungsträger in der Region bietet die Medizinische Hochschule Brandenburg (MHB) in Neuruppin ein Medizinstudium an. Das kostet laut deren Website 125.000 Euro, also etwa 1670 Euro monatlich.

Viele Abiturienten, die Mediziner werden wollen, weichen ins Ausland aus. An der Medizinischen Universität im polnischen Wroclaw (Breslau) kann man zum Beispiel für insgesamt 300.000 Zloty (etwa 71.155 Euro) auf Englisch studieren. Außerdem gibt es zahlreiche Angebote, die sich explizit an Deutsche richten, etwa in Ungarn und Rumänien, oft in Kooperation mit deutschen Krankenhäusern.

Sie ist die Chefin. Ilona Renken-Olthoff hat sich auf private Hochschulen konzentriert. Nur vier davon in ganz Deutschland dürfen Ärzte ausbilden.
Sie ist die Chefin. Ilona Renken-Olthoff hat sich auf private Hochschulen konzentriert. Nur vier davon in ganz Deutschland dürfen Ärzte ausbilden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die Privathochschule EDU auf Malta bietet sogar ein Online-Medizinstudium an. Allerdings führen solche Angebote nicht unbedingt zu der deutschen Approbation, um die es den meisten geht. Ausländische Abschlüsse werden oft nicht anerkannt. Renken-Olthoffs Medizin-Studiengänge sind nach deutschem Recht zugelassen, sowohl in Hamburg als auch in Potsdam. „Für mich war das extrem wichtig“, sagt sie.

„Die Studierenden sollen Gewähr haben, dass sie nach dem Studium eine Approbation bekommen.“ Allerdings sei das gar nicht so einfach gewesen. Das Anmeldeverfahren für ihre Medical School Hamburg hat acht Jahre gedauert. In Potsdam ging es schneller.

Modernste Technik

Der Antrag sei im Januar 2018 beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg gestellt und im November 2019 bewilligt worden. Entscheidend für die Zulassung ist eine Konzeptprüfung des Wissenschaftsrates von Bund und Ländern. „Die Gutachter sind überwiegend Wissenschaftler von staatlichen medizinischen Fakultäten“, sagt Renken-Olthoff.

Die würden die Privathochschulen als Konkurrenz wahrnehmen und daher besonders genau hinschauen. Ganz am Ziel ist die HMU Potsdam noch nicht. „Bisher wurde nur eine Konzeptakkreditierung durchgeführt“, sagt Alice Dechêne, Referentin beim Wissenschaftsrat. Das eigentliche Akkreditierungsverfahren werde frühestens drei Jahre nach Hochschulgründung eingeleitet und beinhalte eine zweitägige Inspektion.

Die HMU-Studenten werden mit modernster Technologie lernen: Leichen werden nicht mehr seziert, sondern, die Behandlungen am menschlichen Körper mit 3-D-Modellen simuliert. Direkten Patientenkontakt gibt es aber auch – im kommunalen Klinikum „Ernst von Bergmann“, das mit der privaten Hochschule kooperiert.

Renken-Olthoff möchte auch, dass die angehenden Mediziner über den eigenen Tellerrand schauen und zum Beispiel gemeinsam mit Gesundheitsökonomen lernen. Denn im Gesundheitswesen komme es auch auf Wirtschaftlichkeit an.

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