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Oldie gegen Newcomer: der Volvo PV444 aus den Fünfzigern und der aktuelle Volvo XC40 Recharge Pure Electric.

© Volvo Car Germany/Thorsten Weigl

Volvo PV444 vs. Volvo XC40 Recharge Pure Electric: Alter Schwede, neuer Schwede

Einen Buckelvolvo aus den Fünfzigern mit dem ersten vollelektrischen SUV der Marke vergleichen? Warum nicht!

Zwischengas beim Herunterschalten? Das muss man jüngeren Fahrern wohl erst mal erklären: Kupplung treten, Ganghebel in Leerlaufposition, Pedal lösen, kurz Gas geben, wieder Kupplung treten, neuen Gang einlegen, Kupplung lösen – weiter geht’s. Ein Trick zum Ausgleich der unterschiedlichen Drehzahlen zwischen höherem und tieferem Gang, erforderlich bei Fahrzeugen mit unsynchronisiertem Getriebe. Moderne Getriebe schaffen das allein. Für Fahrer mit jahrzehntelanger Praxis, die womöglich die Fahrschule noch mit solch altehrwürdiger Technik absolviert haben, eine Kleinigkeit, sollte man meinen, und dennoch: Krrkrrrr! Auch nach mehrstündiger Testfahrt im prähistorischen „Buckelvolvo“ bleibt die richtige Zwischengas-Dosierung ein Rätsel und das Herunterschalten leider kein Geheimnis, jeder kann es hören. Jedenfalls das vom zweiten in den unsychronisierten ersten Gang, die höheren sind gottlob synchronisiert. Und eine weitere Tücke lauert in dem alten Getriebe: Die vier Gänge, drei vorwärts, einer rückwärts, sind in so einem Volvo PV444 aus den fünfziger Jahren in klassischer H-Form angeordnet, nur dass an der gewohnten Stelle des ersten Gangs nun der fürs Rückwärtsfahren liegt. Da kann man sich aus Gewohnheit leicht vertun, und ja, auch das ist nach einem Ampelstop fast vorgekommen.

Der "Buckelvolvo" war im Stromlinien-Stil US-amerikanischer Fastback-Limousinen gestaltet.
Der "Buckelvolvo" war im Stromlinien-Stil US-amerikanischer Fastback-Limousinen gestaltet.

© Volvo Car Germany/Thorsten Weigl

Ein Museumsstück also, im wahrsten Sinne des Wortes, eigens aus dem unternehmenseigenen Museum in Göteborg ins Münsterland geholt, um als alter Schwede, stilvoll mit skandinavischem Nummernschild, in einer Vergleichsfahrt gegen das erste vollelektrische und damit modernste Volvo-Modell zu bestehen, den XC40 Recharge Pure Electric. Der Fortschritt von vorgestern gegen den von heute. Statt drei mit viel Finger- oder besser Fußspitzengefühl zu schaltende Vorwärtsgänge also nur noch ein einstufiges Getriebe mit linearer Kraftentfaltung, statt der Sechs-Volt-Batterie vorn unter der Haube ein besonders geschütztes 400-Volt-Paket im Fahrzeugboden, statt eines Benzinmotors mit kaum mehr als 40 PS, der nach wie vor auf einem Extraschluck Bleizusatz besteht, je ein E-Aggregat vorn und hinten mit zusammen 408 PS – wie soll man das vergleichen?
Aber diese Frage ist jetzt, beim Blick durch die zweigeteilte Windschutzscheibe des PV444 auf die um Münster sich schlängelnden Landstraßen, erst mal sekundär. Denn selbst bei einiger Erfahrung mit historischen Autos bleibt eine Spritztour in so einem erstmals während des Zweiten Weltkriegs vorgestellten Wagen ein kleines, nur mit gewisser Anspannung zu bestehendes Abenteuer: Das Armaturenbrett? Spartanisch, die Beschriftung auf Schwedisch. Rückspiegel? Nur einer innen. Kopfstützen? Noch nicht erfunden, doch bei scharfem Bremsen schlägt die nicht arretierbare Rücklehne des Beifahrersitzes jäh nach vorn. Handbremse? Erinnert an den Stock eines Regenschirms. Fernlicht? Per Fußschalter. Servolenkung, Bremskraftverstärker? Es geht auch ohne.

Am Kühlergrill des PV444 fehlte noch das klassische Volvo-Logo. An den Radkappen war es schon zu sehen.
Am Kühlergrill des PV444 fehlte noch das klassische Volvo-Logo. An den Radkappen war es schon zu sehen.

© Volvo Car Germany/Thorsten Weigl

Doch trotz solch karger Ausstattung: Das Fahren macht Spaß – sofern man nicht gerade in den ersten Gang schalten muss. Etwas schwerfällig, doch flüssig bewegt sich der Wagen durch den Verkehr, verfolgt von staunenden Blicken, und niemand hupt, wenn beim Anfahren der erste Gang im hakelnden Getriebe nicht gleich gefunden wird. Überholen bleibt spannend, empfiehlt sich nur bei sehr, sehr fernem Gegenverkehr. Und das leichte Vibrieren der Motorhaube, als könnte sie jeden Moment aufschlagen, irritiert nur anfangs. Der Verschluss hat ein wenig Spiel, einem Wagen im besten Rentenalter ist das zu verzeihen. In seiner Jugend aber, da war der Volvo PV444 ein echter Hit. Anfang September 1944 wurde er auf einer Ausstellung in der Königlichen Tennishalle in Stockholm vorgestellt, danach gab es bereits 2300 feste Bestellungen, zu je 4800 Kronen. Mehr hatte auch der erste Volvo 1927 nicht gekostet.

Fast 200.000 Fahrzeuge des Typs Volvo PV444 wurden in den fünfziger Jahren gebaut.
Fast 200.000 Fahrzeuge des Typs Volvo PV444 wurden in den fünfziger Jahren gebaut.

© Volvo Car Germany

Der PV444 – die Buchstaben standen für „Personvagn“, die Ziffern für vier Zylinder, vier Sitze, 40 PS – ging wegen kriegsbedingten Rohstoffmangels und eines Streiks in der Maschinenbauindustrie erst 1947 in Serie, als das erste schwedische Volksauto mit rasch steigenden, zuletzt fast die 200.000 erreichenden Verkaufszahlen. Zwar war der Preis – nicht für die alten Verträge! – gestiegen, blieb aber moderat. Den Käufern wurde dafür ein hochmodernes Familienauto geboten, stromlinienförmig im Stil US-amerikanischer Fastback-Limousinen, was ihm in Deutschland – wie auch dem 1958 folgenden PV544 – den freundlich-spöttelnden Beinamen „Buckelvolvo“ einbrachte. Der robuste und langlebige PV444 hatte eine selbsttragende Karosserie, wie die Verbundglasscheiben eine hochmoderne Verbesserung der Sicherheit, und im Innenraum dank eines ungewöhnlich langen Radstands viel Platz. Ein attraktives „Family Sports Car“ eben – so sah man ihn in Nordamerika, das bald zu Volvos wichtigstem Exportmarkt aufstieg.

Eine Frage der Silhouette

Vom FSC zum SUV, dem Sport Utility Vehicle, ist es kein allzu großer Schritt, und wirklich fällt als erstes die Ähnlichkeit der Silhouetten auf, sieht man einen PV444 und einen XC40 Recharge Pure Electric nebeneinander stehen. Der Radstand ist beim elektrischen Kompakt-SUV mit 2,70 Metern sogar noch um zehn Zentimeter länger und wird noch besser genutzt – man klettere nur mal aus dem einen raus und lasse sich in den anderen hineinsinken.

Die Silhouetten des Volvo PV444 und des Volvo XC40 Recharge Pure Electric ähneln sich.
Die Silhouetten des Volvo PV444 und des Volvo XC40 Recharge Pure Electric ähneln sich.

© Volvo Car Germany/Thorsten Weigl

Ein Zündschloss sucht man jetzt natürlich vergebens, und sogar den sonst noch üblichen Startknopf hat sich Volvo gespart. Einfach das Bremspedal treten, am Schalthebel Vorwärts- oder Rückwärtsgang wählen, Bremse lösen und los geht’s. Eine der wenigen Gelegenheiten, bei der man die Bremse noch braucht. Jedenfalls im Stadtverkehr, wenn man sich für die auch ausschaltbare One-Pedal-Funktion entscheidet. Bei ihr übernehmen, sobald man den Fuß vom Fahrpedal löst, die rekuperierenden, also überschüssige kinetische in elektrische Energie umwandelnden E-Motoren das Bremsen. Ein sensibler rechter Fuß ist da wie einst beim Zwischengas hilfreich, was anfangs ungewohnt ist, aber das gibt sich schnell. Ein „Krrkrrr“ ist technisch diesmal ohnehin ausgeschlossen, und für den Notfall bleibt der beherzte Tritt aufs Bremspedal selbstverständlich weiter möglich. Aber so einer liegt jetzt nicht vor, vielmehr lockt die sanft geschwungene Landstraße, was eine ganz anderes Risiko birgt, man wurde gewarnt. Der Elektro-XC40 – gegenüber den Mild-Hybrid- und Plug-in-Versionen am verkleideten und in der Wagenfarbe lackierten „Kühlergrill“ leicht zu erkennen – ist zwar wie mittlerweile alle Volvo-Modelle auf 180 km/h begrenzt, aber dieses Tempo erreicht er verdammt schnell, die ersten 100 in nur 4,9 Sekunden. Da muss man schon aufpassen, dass man nicht versehentlich Tempolimits überschreitet – auch weil bei unbeabsichtigter Raserei die als maximal angegebene Reichweite von 418 Kilometern bestimmt nicht erreicht wird.

Schon das Armaturenbrett des PV444 war sehr übersichtlich, dem Elektro-XC40 fehlt sogar ein Startknopf.
Schon das Armaturenbrett des PV444 war sehr übersichtlich, dem Elektro-XC40 fehlt sogar ein Startknopf.

© Volvo Car Germany/Thorsten Weigl

Aber heute wird nicht gerast, nach der Lenkradarbeit im PV444 tut etwas Entspannung gut, bequem in die Sitzpolster gelümmelt, die ebenso ergonomisch wie energieabsorbierend gestaltet sind, um die Folgen eventueller Unfälle zu lindern, ja sogar einem Schleudertrauma vorzubeugen. Wenn man sich nun langweilte, könnte man sich über das mit Google entwickelte Infotainment- und Konnektivitätssystem beispielsweise Witze erzählen lassen, während im Buckelvolvo nicht mal ein Autoradio vorgesehen war. Auch beim Vergleich der zahllosen Sicherheitstechniken, die in solch einem neuen Volvo still ihre Pflicht tun, sie mögen „Road Edge Protection“, „Run-off Road Protection“ oder auch „Emergency Stop Assist“ heißen, vermag der Zwei-Punkt-Gurt des PV444 nicht zu punkten, so wegweisend der Wagen auch gewesen sein mag.

"Kuckuck" auf dem Autodach

Was ihn anfangs vor kuriosen Designdetails nicht bewahrt hat. Die allererste Version hatte noch Klappwinker in den B-Säulen, danach probierte man es mit einen als „Kuckuck“ verspotteten Blinker auf dem Dach. Bei der Generation des Testwagens war dieser Irrweg bereits wieder überwunden, seine Blinker sind klassisch-kugelrund wie die treuherzig wirkenden Scheinwerfer, was gegenüber der Lichtanlage des E-Mobils schon etwas altertümelnd wirkt. Allein die dort erzielte Verknüpfung von modernster LED-Technik mit mythologischer Symbolik! Denn wie nennt Volvo jenes die Front seiner aktuellen Modelle zierende Bauteil, das als Tagfahrlicht wie als Blinker dient und im Falle des elektrischen XC40 einem liegenden Y gleicht? „Thors Hammer“. Dem alten Germanengott standen bekanntlich Blitz und Donner zu Gebot. Wie passend.

Schwedendesign: Auch der Innenraum des Volvo XC40 Recharge Pure Electric ist optisch gelungen.
Schwedendesign: Auch der Innenraum des Volvo XC40 Recharge Pure Electric ist optisch gelungen.

© Volvo Car Germany/Thorsten Weigl

Technische Details

Volvo PV444 (1947 - 1958)

Abmessungen: 4,45 m (L), 1,59 m (B), 1,56 m (H)

Antrieb: Benzinmotor, 40/44 PS, Höchstgeschwindigkeit 100 – 120 km/h, von 0 auf 100 in ca. 22 Sekunden, Verbrauch 8,5 – 11 Liter/100 km verbleites Benzin, teilsynchronisiertes Dreiganggetriebe, Hinterradantrieb, 5-Volt-Lichtanlage

Zuletzt gab es auch stärkere und schnellere Versionen. 1958 gewann Gunnar Andersson auf einem Volvo PV444L die Rallye-Europameisterschaft.

Den Volvo XC40 Recharge Pure Electric erkennt man leicht am verkleideten und in der Wagenfarbe lackierten Kühlergrill.
Den Volvo XC40 Recharge Pure Electric erkennt man leicht am verkleideten und in der Wagenfarbe lackierten Kühlergrill.

© Volvo Car Germany/Thorsten Weigl

Volvo XC40 Recharge Pure Electric

Abmessungen: 4,43 m (L), 2,03 m (B mit Außenspiegeln), 1,65 m (H)

Gepäckraumvolumen: 414 – 1290 Liter

Antrieb: 2 Elektromotoren, 408 PS, max. Drehmoment 660 Nm, Höchstgeschwindigkeit 180 km/h, von 0 auf 100 in 4,9 Sekunden, 400-Volt-Lithium-Ionen-Batterie, max. Speicherkapazität 78 kWh, schnellste Batterieaufladezeit 40 Minuten/80 % (DC Gleichstrom 150 kW), maximale Reichweite 418 km (WLTP kombiniert)

Preis: ab 59.250 Euro

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