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Hartmut Semken.

© dapd

Piratenpartei in der Krise: „Vielleicht kam der Erfolg zu früh“

Die Berliner Piraten leiden an Wachstumsschmerzen: Hartmut Semken, ehemaliger Landeschef, beklagt eine veränderte Grundstimmung in der Partei. Und in der Fraktion geht die Debatte um das Thema Transparenz weiter.

Jetzt geht es ans Eingemachte. Kein Tag vergeht bei den Berliner Piraten, ohne dass grundsätzliche Bedenken laut werden – über den Kurs von Partei und Fraktion und die Frage, ob das Projekt Piratenpartei zum Scheitern verurteilt ist. Hartmut Semken, Ex-Vorsitzender der Landespartei, sagte am Freitag, er habe im Moment keine Antwort auf die Frage, ob er aus tiefstem Herzen eine Wahlempfehlung für die Piraten abgeben könne. Semken war von Februar bis Mai im Amt und trat dann zurück, unter anderem aufgrund umstrittener Äußerungen zur Abgrenzung gegen Rechtsextremisten.

Erst am Mittwoch waren Äußerungen von Semkens Vorgänger, Gerhard Anger, bekannt geworden, der zum Bedauern einer großen Mehrheit in der Partei im Februar nicht zur Wiederwahl angetreten war. Anger hatte über die Arbeit der Fraktion im Abgeordnetenhaus ein vernichtendes Urteil gesprochen und gesagt, die Frage, ob man die Piraten wählen solle, würde er im Moment beantworten mit: ,Nö, lassen Sie’s lieber bleiben.‘“ Zwei Ex-Chefs, mit zwei ganz unterschiedlichen Abgängen – und ähnlichen Sorgen. Semken sagt: „Die Grundstimmung hat sich verändert. Wenn Probleme auftauchen, heißt es nicht mehr: Wie lösen wir das? Stattdessen suchen wir jemanden, der Schuld ist. Wenn das so bleibt, bin ich irgendwann kein Pirat mehr.“

Auch Anger hatte öffentlich gemacht, dass er über einen Austritt nachdenke. Semken spricht von „Wachstumsschmerzen“, an denen die Partei nach ihrem rasanten Aufstieg noch immer leide: „Wir wissen jetzt, was der Erfolg in Berlin mit den Piraten angerichtet hat. Vielleicht kam er zu früh.“ Anger hatte vor allem kritisiert, dass die Fraktion ihr Transparenzversprechen nicht erfüllt habe. Fraktionschef Christopher Lauer sagt dazu: „Ich sehe das, was Gerhard Anger kritisiert hat, in Teilen ähnlich. Aber ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, die Arbeit der Fraktion zu verbessern.“

Lauer hatte bereits vor einigen Wochen mit einem Blogeintrag problematisiert, dass die Piraten die viel beschworene Transparenz noch nicht genau definiert haben. Auch Ko-Fraktionschef Andreas Baum sagt: „Wir haben versäumt, Transparenz zu definieren, und müssen das jetzt nachholen.“ Das wird wohl zu weiteren Konflikten führen – so wie in der vergangenen Woche, als die Fraktion eine Klausurtagung abhielt und damit den Unmut der Basis auf sich zog. „Wir brauchen auch in Zukunft geschlossene Räume, um Entscheidungen zu treffen, mit denen wir leben können“, sagte Lauer dazu. Dass man es mit der Transparenz nach wie vor sehr ernst nehme, zeige das Projekt des „gläsernen Abgeordneten“, bei dem Lauer und andere Parlamentarier unter anderem so weit wie möglich offenlegen wollen, mit wem sie wann und worüber politische Gespräche führen.

Ein schlüssiges Konzept, wie die Fraktion Interessierte über ihre Arbeit informieren will, hat sie aber offenbar noch nicht. Beispielsweise werden über eine Plattform namens „Redmine“ Dokumente veröffentlicht – dort finden sich außer Fraktionsinsidern aber nur wenige zurecht. „Die Dokumentation unserer Arbeit hat die Piraten bisher nicht gut erreicht“, gibt Lauer zu. In Zukunft wolle man sich stärker auf Kanäle konzentrieren, die auch angenommen würden. Die Fraktion steht auch vor der Frage, wie sie inhaltlich besser arbeiten will. Lauer sagt dazu, im August wolle man mit dem Landesverband eine Strategiekonferenz veranstalten. Außerdem wolle sich der neu gewählte Fraktionsvorstand in Zukunft häufiger treffen und „stärker ergebnisorientiert arbeiten“.

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