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VBKI-Geschäftsführer über Florian Schmidt: „Kreuzbergs Baustadtrat ist nicht der Sonnenkönig“

Mit seiner Nachsicht bei Linksextremisten untergräbt der Grünen-Politiker Florian Schmidt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Ein Gastkommentar.


Udo Marin ist Geschäftsführer des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), der die Interessen von rund 2200 Mitgliedern aus Wirtschaft und Gesellschaft in Berlin und Brandenburg vertritt.

Ein friedliches Miteinander braucht verbindliche Regeln und Verfahren. Ansonsten drohen Anarchie, Willkür, das Recht des Stärkeren. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, scheint sich nicht um diese Errungenschaften der Aufklärung nicht zu scheren.

Das Gesetz hat für den Grünen-Politiker im besten Fall Empfehlungscharakter.

Wo’s passt, da beugt man sich gerne. Wo’s nicht opportun erscheint, ach, seien wir mal nicht so kleinlich: Am prasselnden Lagerfeuer im Innenhof des linksautonomen Hausprojekts Rigaer Straße 94 in Friedrichshain lassen sich immer noch am trefflichsten Pläne für den radikalen Stadtumbau schmieden – der Brandschutz scheint dabei nicht im Vordergrund zu stehen.

Der Staat bin ich, gibt der Kreuzberger Sonnenkönig durch sein Handeln zu verstehen. Unter der Überschrift „Chronik eines jahrelangen Rechtsbruchs“ beschreibt der Tagesspiegel, wie sich der Baustadtrat immer wieder über geltendes Recht hinwegsetzt und Verwaltungswege blockiert.

Über so viel Hybris staunen nicht nur Ordnungshüter und Bauämter, deren Auftrag es ist, allgemeinverbindliche Regeln – in diesem Fall für den Schutz von Leib und Leben – durchzusetzen. Dieses Rechtsverständnis stößt auch diejenigen vor den Kopf, denen eine verbindliche Basis von Werten und Normen wichtig ist. Dazu dürften übrigens auch die meisten von Schmidts Parteifreundinnen und -freunden zählen sowie deren Wählerinnen und Wählern.

Baustadtrat Schmidt rüttelt am gesellschaftlichen Grundkonsens

Wer Schmidt jetzt noch applaudiert – sei es auch aus politischem Opportunismus oder totaler Unbedarftheit –, der sei daran erinnert: Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gehören zusammen. Als Tandem bilden sie die Grundlage unserer modernen, aufgeklärten Gesellschaft. Das eine bedingt das andere: Wir wollen weder unseren Kaiser Wilhelm wieder haben, noch sehnen wir uns nach revolutionärem Tugendterror. Und man muss gar nicht so weit schauen, um auch in heutigen Zeiten ebenso anschauliche wie abschreckende Beispiele für politische Systeme zu finden, in denen dieses Tandem aus der Balance geraten oder bereits in Gänze verschwunden ist.

Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hinderte Beamte der bezirklichen Bauaufsicht daran, gegen Baumängel in dem teilbesetzten Haus Rigaer Straße 34 in Friedrichshain einzuschreiten.
Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hinderte Beamte der bezirklichen Bauaufsicht daran, gegen Baumängel in dem teilbesetzten Haus Rigaer Straße 34 in Friedrichshain einzuschreiten.

© Kitty Kleist-Heinrich

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Übrigens: Gerade denjenigen, die Veränderung wollen, sollte das Verhalten des Kreuzberger Baustadtrats zu denken geben. Veränderung braucht Vertrauen, wenn sie akzeptiert werden soll. Allgemeinverbindliche Regelwerke und festgelegte Entscheidungswege definieren nicht nur das playing field für Reformen. Sie sind aus sich heraus wichtige Vertrauensstifter. Beispiel Energiewende: Viele sind grundsätzlich dafür, wenige sehnen sich nach einem Windrad direkt vor der eigenen Haustür.

Der Rechtsstaat öffnet die Tür für das Allgemeinwohl, in dem er den „Not in my backyard“-Rufern mindestens zwei Versprechen macht. Das erste lautet: Gleichbehandlung. Wenn der Gesetzgeber Windräder vor Haustüren ermöglicht, dann sind alle Haustüren betroffen – nicht nur die eigene. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Und das zweite Versprechen: Wer nicht einverstanden ist, kann jederzeit Einspruch einlegen und sich mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen.

Warum sollen sich Unternehmen an Regeln halten, wenn es der Bezirk nicht tut?

Indem er Recht beugt, indem er sich über geltendes Recht erhebt, legt der Baustadtrat aus Kreuzberg Hand an einen gesellschaftlichen Grundkonsens, der Transformationsprozesse kanalisiert und sie zukunftsfest macht. Oder umgekehrt: Warum sollten sich Bauunternehmen an teurere Regelungen und Regulierungen als Grundlage eines ökologischen Umbaus halten, wenn klar ist, dass der Bezirk es mit den Regeln auch nicht so ernst nimmt?

Wem Umwelt und Klima wirklich am Herzen liegen, darf sich so nicht verhalten. Gesellschaftliche Transformation, zumal die sozial-ökologische, braucht – will sie erfolgreich sein – Gesetzestreue. Mit seiner Politik nach Gutsherrenart leistet Schmidt jenen Menschen einen Bärendienst, die wirklich etwas bewegen wollen. Vor wenigen Wochen hatte Schmidts Parteifreund, Justizsenator Dirk Behrendt, ein Meldesystem zur frühzeitigen Erkennung demokratiefeindlicher Tendenzen angekündigt. Eigentlich müsste irgendwo eine Alarmklingel schrillen.

Udo Marin

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