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Licht nicht nur am Ende: Eine Szene aus einem Tunnel der Berliner Stadtautobahn A100.

© imago/Frank Sorge

Unterirdisches Fahrverhalten: „Berliner, lernt Tunnelfahren!“

Kaum naht der Eingang, flackern überall die Bremslichter auf. Mehr Sicherheit bringt das nicht, eher mehr Unfälle. Das muss doch nicht sein! Ein Zwischenruf.

Vielleicht ist jetzt, wo sich metaphorisch gesprochen das ganze Land in einem Tunnel befindet, die richtige Zeit, um auf ein Problem der Berliner Autofahrerinnen und Autofahrer hinzuweisen. Auf einen Missstand, der – einmal erkannt – kaum noch auszuhalten ist.

Kurz vorweg: So ein Tunnel ist ja eine Art Röhre, weshalb er die Rundumsicht einschränkt. Im Tunnel schaut man darum vor allem nach vorn, denn da will man hin, quasi: Selbstmagnetisierung aufs Tunnelende, noch mehr quasi: Tunnelblick, man kennt den aus dem Sport.

Soweit die Theorie, und was bietet die Berliner Straßenpraxis? Die sieht so aus: Kaum erreichen die Autos den Eingang, beispielsweise den des Britzer Tunnels, der im Süden einen Teil der Stadtautobahn umschließt, gehen auf allen Spuren die Bremslichter an.

Erlaubt sind in der Regel - Bauarbeiten oder wie aktuell Glatteislagen mal ausgenommen – tunnelweit 80 Stundenkilometer. Ganz genau so wie vor dem Tunnel und danach auch, man hätte also einfach stumpf bei seinem Tempo bleiben können. Macht aber keiner.

Im Tunnelverlauf sinkt die Pulkgeschwindigkeit beständig ab: auf der ganz linken Spur von vielleicht knapp unter 90 Stundenkilometer auf 80, dann 75, 70, 68.... Und auf der rechten ist ein paar Dutzend Meter nach der Tunneleinfahrt auch ein Tempo knapp unter 60 keine Ausnahme.

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Und was passiert dann? Abstände zwischen den Autos werden kleiner, noch mehr Bremslichter leuchten, es kommt zu hektischen Spurwechseln, Rechtsüberholungen, Nervenkrieg. Chaos!

Autos bei der Einfahrt in den Tunnel unter dem Wohnhaus Schlangenbader Straße in Berlin-Wilmersdorf.
Autos bei der Einfahrt in den Tunnel unter dem Wohnhaus Schlangenbader Straße in Berlin-Wilmersdorf.

© imago images / Joko

Darum hier die Frage: Hallo Berlinerinnen und Berliner, könnt ihr nicht Tunnelfahren? Habt ihr vielleicht Angst? Weil es so dunkel ist? Aber so dunkel ist es doch gar nicht, ist doch Licht an! Oder ist es euch zu viel Licht? Zu viel Geblinke, Geleuchte, Geflacker, verwirrt euch das? Traut ihr euch nicht mehr, auf den Tacho zu schauen? Fehlt euch der Referenzblick auf die vorbeifliegende Umwelt?

Ist augenmedizinisch sicher herleitbar, führt im Tunnel aber höchstens zu Auffahrunfällen. Soll so sein: Auffahrunfälle sind in Tunneln die wahrscheinlichsten.

Eine Stadt im Fluss, geruhsam, aber stetig

Um Beschwerden wegen Aufrufs zur Regelmissachtung zuvorzukommen: Tempolimits sind Ober- und keine Untergrenzen. Aber in ihrer ungefähren Nähe sollte man bleiben, Stichwort Richtwert. Darauf baut auch die Verkehrslenkung auf, diese fabelhafte Idee von einer Stadt im Fluss, geruhsam, aber stetig.

Wenn da in Tunneln immer wieder Pfropfen reingehauen werden, dann haut das alles nicht hin. (Noch eine Vorwegnahme: Ja, Rasen kommt in Berliner Tunneln auch vor, aber das sind die Raser, die rasen überall. Das ist falsch und gefährlich. Aber pulkmäßiges Abbremsen hat auch Tücken, darum geht es hier.)

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Es gibt mehrere Tunnel, in denen sich der Pulkpropfen beobachten lässt. Nur ein Tunnel fällt aus Ausnahme von der Regel: der unterm Tiergarten. In dem wird auch von Allerweltsfahrern ohne Raserknall oft zu schnell gefahren. Aber da liegt das Tempolimit auch bei 50!

Zügiges Tunnelfahren ist kein Übel, sondern Pflicht. Wer es pathetischer braucht, kann es – nochmal zurückgewendet ins Metaphorische – als Hoffnungsbotschaft nehmen für die Fahrt der Gesellschaft durch die Corona-Röhre: Wenn sich alle an die Regeln halten, sehen wir schneller das Licht am Tunnelende.

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