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"Punkt" ist das vierte Album der Sängerin Balbina.

© Christoph Kassette

Balbina stellt neues Musikalbum vor: Unter der Kuppel ist alles zentriert

Die Berliner Sängerin Balbina präsentierte vorab im Planetarium ihr neues Album „Punkt.“, das am 10. Januar 2020 erscheinen soll.

„Wo der Punkt ist? Ihn zu empfinden helfe ich mir mit der Musik.“ Mit diesen kryptischen Worten eröffnet Balbina den heutigen Abend. Unter der Kuppel des Zeiss-Planetariums soll sich an diesem Novemberabend alles zentrieren – und auf den Punkt gebracht werden. Zusammen mit dem Künstler M.O.B., der die Visuals kreiert hat, hat die Künstlerin eine „Hearing Experience“ entworfen. Für eine kleine Anzahl an Gästen hat Balbina in diesem Rahmen ihren Fans ihr neues Album „Punkt.“ knapp acht Wochen vor dem offiziellen Release am 10. Januar 2020 präsentiert.

Es ist das vierte Studioalbum der deutsch-polnischen Sängerin, die ihre Wurzeln in Warschau hat und in Neukölln aufgewachsen ist. Abwechselnd liest sie kleine Texte vor, die sich auf den Entstehungsprozess des Albums und auf ihre Gefühle konzentrieren, die sie währenddessen hatte. Gleich zu Beginn starren die Zuschauer auf die Landschaft eines Wüstenplaneten, die sich sogleich in geometrischen Formen auflöst. Die Formen fliegen auf das Publikum zu und vermitteln den Eindruck einer Ich-Auflösung.

Passend hierzu strömt Balbinas Stimme aus den Lautsprechern: „Are you looking for a way to escape“. Englische Texte – die kennt man von Balbina bislang nicht. Sie sang immer nur auf Deutsch. Warum sie nun auf Englisch singt? „Ganz ehrlich? Weil ich einfach Lust dazu hatte. Kurz dachte ich, ich muss auch weiterhin auf Englisch singen, bis ich dann merkte, dass ich doch eigentlich tun und lassen kann, was ich möchte.“

Zwischen der Vorstellung der jeweiligen Songs, die Balbina an diesem Abend nicht selbst einsingt, sondern vom Band laufen lässt, während sie sich im Stuhl zurücklehnt und dem Song lauscht, gibt sie immer wieder Einblicke in ihre Persönlichkeit. Sie wirkt dabei sehr ehrlich, wenn sie von dem „Blei“ spricht, das während der Produktion des Albums an ihr klebte – Tausende von Tonnen. „Das Album ist aus einer tiefen Depression heraus entstanden. Ich konnte einfach nicht mehr“, erzählt die Sängerin nach der Präsentation. Das merkt man dem neuen Album an.

Fans kennen Balbinas Melancholie bereits aus den vergangenen Produktionen, doch „Punkt.“ wirkt mit seinen dunklen Beats noch bedrückender als ihre bisherigen Alben. Ausgefallene knallige Kleidung hatte in ihren früheren Darbietungen möglicherweise von der Traurigkeit abgelenkt. In der neuen Aufmachung wird sie nun nur noch mehr unterstrichen.

Schluss mit Perfektion

Neben „Bina“ (2011), „Über das Grübeln“ (2015) und „Fragen über Fragen“ (2017) sticht der Titel des neuen Albums „Punkt.“ hervor und deutet einen Bruch, einen (Wende-)punkt an. „Dieses Album ist mehr denn je aus der Emotion heraus entstanden. Ich habe mich der Nichtperfektion ausgesetzt. Ich habe die Emotion an erste Stelle gestellt. An dieser Stelle stand bisher immer die Perfektion.“ Der letzte Song auf dem neuen Album, der passenderweise „Punkt.“ heißt, wurde als One Take, also am Stück aufgenommen.

Dabei war es der 36-Jährigen egal, ob sie alle Töne trifft oder sich der Track ganz genau so anhört, wie sie es geplant hatte. „Der Song ist eben eine Momentaufnahme dessen, was ich gerade erlebe. Das ist nicht immer leicht, gerade wenn ich den einen oder anderen schiefen Ton höre, hier und da aber habe ich mir gedacht, ich bin es den Leuten und auch mir selbst verdammt nochmal schuldig, ehrlich zu sein.“

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Balbina überrascht ihre Fans besonders mit einem Track: „Sonne“ heißt nicht nur so wie das Original von Rammstein, sie hat den Text zu einem großen Teil übernommen und ihn – wenn auch nicht weniger episch – neu interpretiert.

Und auch das ist für Sängerin untypisch. Sie hat eigentlich ihren ganz eigenen Kopf und bedient sich nicht gerne an den Inhalten anderer. Doch in diesem Song habe sie, erzählt sie im Planetarium, durch fremde Zeilen zu sich selbst gefunden. Dass Rammstein die Zeilen für sie freigeben hat, habe ihr Rückenwind und Kraft gegeben. Das neue Album, das sie zu Hause mit den einfachsten Mitteln produziert und - wie sie selbst sagt - „ausgekotzt“ hat, trägt weniger Pop-Elemente in sich als die Vorgängeralben.

Weiter – ohne Plattenlabel

Sie macht jetzt vieles anders, will ausprobieren. Deshalb hat sie auch nach ihrem letzten Album alles auf null gesetzt und sich von ihrem Plattenlabel getrennt: „Für mich war es die größte Offenbarung, dass ich mich daraus lösen konnte – ich kann mich nicht in eine Form pressen lassen, aus der ich links und rechts rausquelle.“ Also hat sie ihr eigenes Label gegründet, hier kann sie ihre Ideen umsetzten, ohne diese lang diskutieren zu müssen und arbeitet in einem kleinen Team, mit dem sie sich wohlfühlt.

In einem Punkt ist sich Balbina aber treu geblieben: Ihre Zeilen tragen immer noch denselben Charakter. „Langeweile La-La“ oder „Ma-Ma machen“ erinnert an „Der Dadaist“ vom Album "Fragen über Fragen". Ansonsten hält sie ihren vertrackten, chiffrierten Schreibstil bei, für den sie bekannt ist.

Die Vielschichtigkeit ihrer Texte konnte der Künstler M.O.B in der „Hearing Experience“ durch Symbole wie die Penrose-Treppe gekonnt unterstreichen: Unmöglichm, weil dreidimensional in einem zweidimensionalen Raum dargestellt, ohne Anfang und Ende. So wie Balbinas Gedanken. Unter der Kuppel des Planetariums wurden an diesem Abend viele Ebenen auf einen Punkt zusammengeführt.

Carry-Ann Fuchs

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