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Giftmüll. Zigarettenkippen enthalten eine Vielzahl toxischer Stoffe. Täglich landen Zigtausende davon auf Berlins Straßen.

© Imago

Umweltverschmutzung: Berlin macht zu wenig gegen Zigaretten-Müll

Achtlos weggeworfene Zigarettenstummel sind ein Umweltproblem. Kontrolliert wird kaum. Die Umweltministerin will die Tabakindustrie jetzt zur Kasse bitten.

Von Sandra Dassler

Fast tausend Mal im Jahr wird in Berlin und Brandenburg der Giftnotruf gewählt, weil Kinder weggeworfene Zigarettenstummel oder gar ganze Zigaretten in den Mund genommen haben. Schon eine einzige Kippe kann nach Expertenmeinungen für ein Kleinkind tödlich sein.

Dennoch stößt der Vorstoß von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die Tabakindustrie künftig an den Kosten für die Entsorgung weggeworfener Zigaretten und Kippen zu beteiligen, in der Hauptstadt auf wenig Resonanz. Dabei droht nicht nur Kindern Gefahr. Zigarettenkippen enthalten unter anderem Nikotin, Arsen, Blei, Kupfer, Schwermetalle, Chrom und Cadmium – alles giftige und Krebs erzeugende Substanzen in hoher Konzentration. Diese können durch Regen in den Boden, in Gewässer und ins Trinkwasser gelangen und die Gesundheit stark schädigen. Trotzdem wird in der Hauptstadt nur wenig gegen diese gravierende Form der Umweltverschmutzung unternommen. Mehr noch: Das Bewusstsein für die Gefährdung scheint nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in einigen Behörden wenig ausgeprägt zu sein.

Wie so oft in Berlin: Kaum Kontrollen

Zwar ist das Wegwerfen von Zigarettenstummeln eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeldern in verschiedener Höhe geahndet werden kann, doch es gibt – wie so oft in Berlin – kaum Kontrollen. Oder kaum mehr Kontrollen, denn es war schon einmal anders.

Wie aus der Antwort der Senatsumweltverwaltung auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Florian Kluckert aus dem September dieses Jahres hervorgeht, sank die Zahl der entsprechenden Kontrollen und eingeleiteten Bußgeldverfahren dramatisch im Vergleich von 2017 zu 2018 (bis September): im Bezirk Lichtenberg von 31 Kontrollen und 23 Verfahren auf acht Kontrollen und sechs Verfahren, in Charlottenburg-Wilmersdorf von jeweils neun auf sechs. Lediglich im Bezirk Spandau stieg die Zahl von vier auf zehn Kontrollen und Verfahren. Damit ist der Bezirk in diesem Jahr tatsächlich Spitzenreiter.

Dabei könnten die Bezirke mit entsprechenden Verfahren nicht nur die Gesundheit ihrer Einwohner und die Umwelt schützen. So nahm der Bezirk Neukölln, wo bis zu 60 Euro Bußgeld erhoben werden können, im Jahr 2015 noch 5125 Euro ein. 2017 waren es noch 560, in diesem Jahr bis Herbst 135 Euro. Ähnlich drastisch zurückgegangen sind die Einnahmen in Lichtenberg oder Pankow.

Andere Sorgen

Immerhin werden in diesen Bezirken wenigstens Kontrollen durchgeführt. In den meisten anderen tut sich nichts oder es wird nicht erfasst, so dass sie erst gar keine Angaben machen können. Einzig Friedrichshain-Kreuzberg gesteht ehrlich ein, weder Bußgeldverfahren eingeleitet, noch überhaupt Ordnungswidrigkeiten festgestellt zu haben. Man habe andere Sorgen, hieß es aus dem Bezirksamt: zugeparkte Fahrradwege zum Beispiel oder die Beseitigung von Schrottfahrrädern, die Fahrradständer blockieren.

Es ginge auch nicht nur darum, dass kein Personal vorhanden sei, sagte eine Sprecherin auf Anfrage des Tagesspiegels: „Wir haben gerade wieder vier Stellen ausgeschrieben, sechs weitere sollen dazu kommen.“ Die Bewerber müssten aber an der Verwaltungsakademie zunächst einmal fit gemacht werden. „Um ein Ordnungswidrigkeitsverfahren korrekt durchzuführen, braucht man schon gewisse Grundkenntnisse.“

Außerdem sei vielen Bürgern gar nicht bewusst, dass das Wegwerfen von Zigarettenstummeln eine Ordnungswidrigkeit sei, und es müssten natürlich auch „mehr Möglichkeiten für eine legale Entsorgung vorhanden sein“.

Letzteres kann BSR-Sprecherin Sabine Thümler nicht ganz nachvollziehen. „Wir haben 23.000 Papierkörbe in Berlin stehen“, sagt sie: „Jeder davon hat wegen der Brandgefahr einen Extra-Einwurf – das kann ja nicht das Argument sein. Es gibt auch Raucher, die immer einen kleinen Aschenbecher mit sich führen und niemals eine Zigarettenkippe einfach auf den Boden werfen würden.“

Auch Derk Ehlert, Sprecher der Berliner Umweltsenatorin, setzt weniger auf Strafen als auf Aufklärung. „Das Bewusstsein der Stadtgesellschaft für solche Themen muss sich ändern, zumal es schon einmal besser war“, sagt er. In den letzten Jahren sei es leider wieder „normal“ geworden, seinen Dreck überall zu hinterlassen, „es wird sogar wieder auf Bahnsteigen geraucht“. Die Umweltverwaltung bereite deshalb derzeit eine öffentliche Kampagne zum Thema „Gesamtstrategie Saubere Stadt“ vor.

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