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Mandela, Picasso und Libeskind als Nachbarn. Mehrere dieser Klingelschilder in Prenzlauer Berg gehören zu Ferienwohnungen.

© Lars von Törne

Umfrage in ganz Berlin: Wie gehen die Bezirke gegen Zweckentfremdung von Wohnungen vor?

Die Autoren der Leute-Newsletter haben sich in ihren Bezirken erkundigt: Was geschieht im Kampf gegen unerlaubtes Vermieten von Wohnungen? Die Ergebnisse fallen verschieden aus.

Die Vermietung von Ferienwohnungen ist verboten und das Verbot neu geregelt – dennoch passiert wenig: Nur wenn Nachbarn sich an der verbotenen Nutzung stören und der Bezirk die Zweckentfremdung beweisen kann, haben die Betreiber des illegalen Gewerbes Bußgelder zu befürchten. Wobei deren Helfershelfer wie Online-Vermittler Airbnb neue Strategien entwickeln, damit die Ämter nicht an die Schwarz-Vermieter herankommen. Dabei ärgern sich in der besonders betroffenen Innenstadt viele Berliner gewaltig über das steuerfreie Extra-Geschäft mit dem Wohnen für Touristen.

Auf eine Umfrage der Leute-Newsletter des Tagesspiegel in den Berliner Bezirken heißt es im besonders vom Ferienwohnungs-Tourismus betroffenen Bezirk Mitte: Seit der Novelle Anfang Mai seien „mehr Anträge und Anfragen auf jeden Fall festzustellen“, sagt Mittes parteilose Bezirksstadträtin für Bürgerdienste, Sandra Obermeyer (für Die Linke). Meist werde „eine Registrierung begehrt“. Dies gelte aber auch für bestehende Nutzungen von Ferienwohnungen.

Dass die Novellierung des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes alles ändert, ist aber nach Auffassung der Bezirke unwahrscheinlich. Wer vermieten will, muss sich registrieren lassen und jeweils am Jahresende hinterlegen, wie oft und wie lange er seine Wohnung vermietete. Antragssteller müssen für eine Registriernummer eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 225 Euro zahlen. Bisher gibt es aber zu diesem neuen Verfahren eher wenig Anfragen bei den Bezirken: drei Anträge auf Registrierung in Pankow, zwei in Steglitz-Zehlendorf, drei in Neukölln – stadtweit insgesamt ungefähr 70.

Noch haben Vermieter von Ferienwohnungen aber auch noch Schonfrist: Erst am 1. August muss jeder seine individuelle Registriernummer gezogen haben. Damit erklären viele Verantwortlichen die in den meisten Bezirken stoische Gelassenheit gegenüber den neuen Regelungen. Dies gilt vor allem jenseits des begehrten Stadtzentrums: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue Regelung im Bezirk Spandau noch nicht so recht angekommen ist", heißt es dort augenzwinkernd.

Es hagelt Bußgelder

In Sicherheit wiegen sollten sich die illegalen Vermieter allerdings nicht: Wer erwischt wird, den bitten die Bezirke zur Kasse. Im vergangenen Jahr hagelte es berlinweit Bußgelder in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Vor allem innerstädtische Bezirke sammeln dadurch stattliche Nebeneinkünfte für ihren Haushalt. Spitzenreiter Friedrichshain-Kreuzberg, wo Touristen schon Mal auf Plakaten und Aufklebern mit „Berlin hates You“ beschimpft werden, nahm in den ersten Monaten dieses Jahres schon 124.228 Euro ein. Das sei die höchste Einnahme berlinweit, die festgesetzten Bußgelder seien noch höher.

Tempelhof-Schöneberg setzte Bußgelder in Höhe von 173.004 Euro fest, in Charlottenburg-Wilmersdorf waren es 85.828 Euro. Welche Summen davon tatsächlich eingetrieben werden können, ist unklar. Die anderen Bezirke nannten die Zahl der verhängten Bußgelder nicht.

Dass Friedrichshain-Kreuzberg stolz darauf ist, dass sein „Wohnungsamt so vorbildlich arbeitet“, hängt mit der politischen Überzeugung zusammen, wonach ohne die illegale Nutzung mehr reguläre Wohnungen für die Berliner verfügbar wären: „Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat unser Wohnungsamt 1466 Wohnungen wieder Wohnzwecken zugeführt“, teile das Bezirksamt auf Anfrage mit. 466 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten seien eingeleitet. Pankow meldet bis Ende vergangenen Jahres die „Zurückführung“ in „reine Wohnnutzung“ von 407 Ferienwohnungen.

Allerdings sind die Verfahren aufwändig, kosten Geld und Personal, jedenfalls wenn sie Wirkung entfalten sollen und nicht enden sollen „wie beim Falschparken auf dem Radstreifen: ohne Kontrollen wird auch das nicht plötzlich aufhören“, sagt Neuköllns Bezirksstadtrat für Bürgerdienste, Jochen Biedermann (Grüne). Anders als Kreuzberg, wo die Novelle als „Aufweichung“ des ursprünglichen Gesetzes angesehen wird, findet er „die Neuregelung richtig“, sagt aber auch, dass damit „definitiv zusätzliche Arbeit für das Wohnungsamt entsteht“.

Ohne zusätzliche Mitarbeiter sei das nur auf Kosten anderer Aufgaben zu erledigen. „Die größte Mühe macht uns die Vergabe von Registriernummern, die Bearbeitung der Leerstandsanträge und die Verfolgung rechtswidrigen Leerstandes.“ Der Aufwand erhöhe sich noch dadurch, dass Wohnungen generell nun nur noch drei Monate genehmigungsfrei leer stehen dürfen. Zumal auch die Überwachung Mehrarbeit erzeuge, ob diese kurze Frist überhaupt eingehalten wird.

Hilfe von dem wichtigsten Nutznießer des Geschäftes, von Online-Vermittler Airbnb, dürfen die Bezirke nicht erwarten: „Es herrscht kein besonders kooperatives Verhältnis“, heißt es in Friedrichshain-Kreuzberg über den Ferienwohnungs-Vermittler Airbnb. Und in Pankow heißt es sogar, „der Auskunftsanspruch gegen Airbnb ist faktisch nicht durchsetzbar“.

Bei Anfragen zu den Vermietern „wird bislang verwiesen auf Dublin, den europäischen Sitz von Airbnb“, wo deutsche Ämter wenig ausrichten könnten. Und der Online-Multi schütze seine Kunden und verschleiere deren Identität: „Bob vermietet tolle Wohnung im Szenekiez Boxhagener Platz“, heiße es etwa in den Angeboten. Deshalb seien die Mitarbeiter auf den 6,25 Stellen des Wohnungsamtes auf konkrete Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.

Resigniert angesichts des ganzen Aufwands meldet der Bezirk Reinickendorf: „Bußgeldverfahren im Bereich Zweckentfremdung sind recht aufwändig und zeitintensiv. Auf Grundlage der Änderungen wurde deshalb noch kein Bußgeld verhängt.“ Außerdem seien in Reinickendorf nur vereinzelt Anfragen zur neuen Regelung eingegangen – und weniger als zehn Anmeldungen zur Erteilung einer Registriernummer.

Ganz anders im zentraler gelegenen Charlottenburg-Wilmersdorf: „Derzeit gibt es eine starke Nachfrage“ nach Registriernummern. Doch „es gab noch keine Anmeldung, da die Software erst kürzlich um die Antragsart ergänzt wurde“, sagt der Bezirksstadtrat für Bürgerdienste, Arne Herz (CDU).

Am wenigsten treibt das Problem mit den Ferienwohnungen den Bezirk Marzahn-Hellersdorf um: „Bisher gab es eine Anfrage zur Anmeldung einer Wohnung für Homesharing und der damit verbundenen Registratur“, heißt es dort. Ein Antrag sei nicht gestellt worden. Überhaupt gebe es keine aktuellen Zahlen, wie viele Wohnungen im Bezirk ungenehmigt als Ferienwohnung genutzt werden – „mangels einer entsprechenden Erfassung“.

Die beteiligten Berlin- und Leute-Autoren: Ralf Schönball, Judith Langowski, Gerd Appenzeller (Reinickendorf), Corinna von Bodisco (Friedrichshain-Kreuzberg), Boris Buchholz (Steglitz-Zehlendorf), Cay Dobberke (Charlottenburg-Wilmersdorf), Madlen Haarbach (Neukölln), Laura Hofmann (Mitte), Christian Hönicke (Pankow), Robert Klages (Lichtenberg und Spandau), Sigrid Kneist (Tempelhof-Schöneberg), Thomas Loy (Treptow-Köpenick), Ingo Salmen (Marzahn-Hellersdorf)

In einer früheren Version dieses Beitrags stand fälschlicherweise, dass die Vermietung von Ferienwohnungen für 60 Tage im Jahr zulässig sei. Diese Regelung strich der Senat wieder aus der Gesetzesnovelle vor deren Verabschiedung. Wir bitten um Entschuldigung für diesen Fehler.

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