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Um Martin Luther gibt es Diskussionen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Umbenennung von Straßen in Berlin: Warum die „Spanische Allee“ antisemitische Bezüge hat

Seit gut einem Jahr wird heftig über die Umbenennung von Straßen und Plätzen mit antisemitischen Bezügen diskutiert. Manche Straßennamen wirken zunächst harmlos.

„Spanische Allee“? Klingt historisch gesehen erstmal harmlos. Antisemitische Bezüge? Bei diesem Namen? Nicht erkennbar. Man muss schon etwas tiefer bohren, dann wird man fündig. Die Nazis haben die langgezogene Straße im Bezirk Steglitz-Zehlendorf 1939 in „Spanische Allee“ umbenannt, zu Ehren der deutschen „Legion Condor“, die im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten des faschistischen Generals Franco gekämpft und 1937 die Stadt Guernica in Schutt und Asche gelegt hatte.

Im Dossier „Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin“, offiziell vorgestellt im Dezember 2021 und mit 290 Namen befüllt, fehlt die „Spanische Allee“ allerdings. Erst Hinweise aus der Bevölkerung haben Samuel Salzborn auf die Lücke gestoßen. Der Antisemitismusforscher und Ansprechpartner des Landes Berlin zum Thema Antisemitismus hatte das Dossier in Auftrag gegeben.

Für Salzborn ist die „Spanische Allee“ ein schönes Beispiel dafür, wie gut sich die Debatte um die vollzogene und geplante Umbenennung von Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen entwickelt hat. Seit gut einem Jahr werden Vor- und Nachteile, grundsätzlich und im Detail, intensiv diskutiert. Am Mittwoch hat Salzborn eine Art Zwischenbilanz gezogen.

Die Debatte ist auch immer eine Auseinandersetzung mit eigenen Positionen

„Die öffentliche Debatte hat mich in ihrer Breite und Intensität überrascht“, sagte der Forscher. „Und natürlich wird auch kontrovers diskutiert“. Aber so eine Diskussion „ist auch immer eine Auseinandersetzung mit den eigenen Wahrnehmungen und Positionen“.

Zum Beispiel beim Thema Martin Luther. Der große Reformator, der 1517 seine 95 Thesen an das Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg genagelt hatte, ist für Salzborn „ein ganz klarer Antisemit, ein Problemfall“.

Für evangelische Christen aber ist er auch der Mann, der Fehlentwicklungen der Kirche anprangerte und korrigierte. Salzborn hat Verständnis dafür, dass sie Luther nicht bloß als Antisemiten betrachten. Und er rechnet es Christian Stäblein, dem Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, hoch an, dass der Luther auch als Antisemiten einstuft. „Das hat auch etwas mit Selbstkritik zu tun“, sagt Salzborn.

Bei Luther genügt dem Bischof ein Hinweisschild zu dessen Antisemitismus

Aber für Stäblein ist es auch in Ordnung, wenn man eine Martin-Luther-Straße nicht umbenennt, sondern auf einem Schild Luthers Antisemitismus dokumentiert.

Mehrere Umbenennungen sind dagegen bereits erfolgt oder beschlossen worden. Der ehemalige Maerckerweg in Steglitz-Zehlendorf ist inzwischen der Maria-Rimkus-Weg. Maercker gründete 1922 den Deutschen Kolonialkriegerbund und war auf Lebenszeit dessen erster Präsident.

Umbenannt werden soll in Friedrichshain-Kreuzberg die Brachvogelstraße. Brachvogel gilt als Autor mit antisemitischen Bezügen. „Er ist relativ unbekannt“, sagt Salzborn. So unbekannt, dass auch er erst durch Hinweise aus der Bevölkerung auffiel. Im Dossier fehlt sein Name.


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