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Eine Katze schaut durch die Gitterstäbe am Katzenzwinger im Tierheim Berlin. Das Tierheim ist in den Sommerferien und mit dem Ende der Homeoffice-Regelung fast schon am Rand seiner Kapazität.

© Annette Riedl/dpa

Ende des Homeoffice und illegaler Handel: Tierheim Berlin befürchtet Überfüllung in diesem Sommer

Die Pandemie ließ das teils illegale Geschäft mit Haustieren boomen. Nun fürchtet das Tierheim Berlin zur Auffangstation für ungeliebte Vierbeiner zu werden.

Wohin mit Mieze und Bello? Nach dem Auslaufen der Homeoffice-Regelung in der Pandemie befürchtet das Berliner Tierheim eine Abgabewelle von Hunden und Katzen. Neben ausgesetzten und sichergestellten Tieren kämen momentan auch oft schwerkranke junge Hunde ins Tierheim. Sie stammten vermutlich häufig aus illegalem Welpenhandel und würden vielleicht nicht zufällig ausgerechnet in den Sommerferien abgegeben, sagte Sprecherin Beate Kaminski. „Scheinbar sind viele jetzt wohl einfach im Weg. In Sachen Homeoffice kommt das dicke Ende vermutlich noch“, ergänzte sie.

Damit rechnet auch der Deutsche Tierschutzbund. Viele Menschen haben sich während der Arbeit zu Hause ein Tier zugelegt, das sie mit der Rückkehr an den Arbeitsplatz manchmal nicht mehr so einfach betreuen können.

Denn seit dem 1. Juli ist die Homeoffice-Pflicht vorbei. Immer mehr Tierheime nähmen Tiere auf, die während der Pandemie unüberlegt im Internet, beim Züchter oder im Zoofachhandel angeschafft wurden, heißt es beim Tierschutzbund. Auch der illegale Welpenhandel führe mancherorts zu überfüllten Tierheimen.

Rund 240 Hunde und 300 Katzen leben zurzeit im Tierheim Berlin, mit 16 Hektar Fläche einem der größten in Europa. Viel mehr Hunde kann das Tierheim nicht mehr aufnehmen. Denn die meisten vertragen sich nicht mit Artgenossen und müssen einzeln untergebracht werden. Bei Katzen wird es ab 400 Miezen eng, denn auch sie verstehen sich nicht immer in Gruppen-Gehegen.

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Schon jetzt kann das Tierheim kaum noch Reserveplätze für Fälle bieten, in denen Veterinärämter viele Tiere auf einmal bei überforderten oder illegalen Haltern sicherstellen. „Das können im Extremfall mehrere hundert Tiere auf einmal sein“, sagte Kaminski.

Illegaler Welpenhandel stark angewachsen in Pandemie

Traurige Tiergeschichten wiederholten sich jeden Sommer: Kaninchen auf der Müllkippe, Katzenkinder in zugeklebten Kartons am Straßenrand. Dazu Hunde, die angebunden zurückgelassen werden, schutzlos der Witterung ausgesetzt, ohne Futter und Wasser. Ein jammernder Hundewelpe kam im Tierheim jüngst auf die Krankenstation. Seine Besitzer, die ihn abgaben, scheuten augenscheinlich Tierarztkosten. Auch dieser junge Hund stammt nach Einschätzung des Tierheims aus dem illegalen Welpenhandel und war beim Transport vermutlich dehydriert und unterzuckert. Inzwischen habe er sich erholt, berichtete Kaminski. „Zum Glück hatte er keine Krankheiten wie die meisten Tiere aus dem illegalen Handel.“ Einige Welpen kämpften im Tierheim wochenlang um ihr Leben und verlören dann doch. „Das ist eine ganz große Tragik“, sagte die Sprecherin.

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Der illegale Welpenhandel, der seine Basis oft in Osteuropa hat, bleibt deshalb weiter eine der größten Sorgen im Berliner Tierheim. „Die Nachfrage bei Hunden geht seit dem Beginn der Pandemie durch die Decke“, ergänzte Kaminski. Trotz aller Warnungen kauften viele Menschen bei dubiosen Vermittlern über Internetportale. Am Preis liege das nicht, denn der unterscheide sich aufgrund der hohen Nachfrage kaum noch von den Angeboten seriöser Züchter.

„Im illegalen Handel werden Welpen vor der Übergabe an die Käufer oft mit Adrenalin und Aufputschmitteln fitgespritzt und wirken dadurch für Laien beim Verkauf gesund“, berichtete die Sprecherin. Erst später merkten die neuen Besitzer, dass ihr Tier krank sei. Oft sei es beim Kauf weder entwurmt noch geimpft. „Die Haltung der Hunde im Herkunftsland ist in der Regel eine Katastrophe“, sagte Kaminski. „Sie vegetieren meist in kleinen, verdreckten Käfigen und Verschlägen in ihrem eigenen Dreck vor sich hin, kommen niemals an die frische Luft und sind völlig unterversorgt.“ Denn es gebe nicht genug Futter und keine medizinische Betreuung. „Welpen werden oft schon im Alter von zwei bis drei Wochen der Mutter weggenommen, in Boxen und Kofferräume gepfercht und zum Verkauf nach Westeuropa gekarrt“, sagte Kaminski. Nicht wenige Tiere verendeten auf dem Transport. „Die, die bei der Ankunft zu sehr schwächeln oder nicht direkt einen Abnehmer finden, werden dann gern einfach irgendwo ausgesetzt. Der Profit für die Händler ist trotzdem noch hoch genug.“

Das Hundeelend werde durch die vielen interessierten Käufer in Deutschland nun nur noch vergrößert. „Das ist nicht erst seit Corona ein großes Thema. Wer trotz aller verfügbarer Information immer noch illegal einen Welpen kauft, ist entweder völlig blauäugig oder es ist den Leuten scheinbar egal“, sagte Kaminski.

Richtiges Verhalten bei Katzen auf der Straße

Manchen Hauskatzen hingegen werde die Tierliebe gutmeinender Menschen zum Verhängnis. Immer wieder würden auch gepflegte und gut genährte Samtpfoten beim Herumstreifen in ihren Revieren einfach mitgenommen und dann im Tierheim abgegeben. Ist die Mieze nicht gechipt und registriert, sei es nahezu unmöglich, Halter zu ermitteln. „Grundsätzlich sollte man Katzen, die nicht in Not sind, draußen in Ruhe lassen“, sagte die Sprecherin. Straßenkatzen bekämen Laien ohnehin kaum zu fassen, sie seien viel zu scheu.

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Katzenjunge, die wild leben und eingefangen werden, wachsen in privaten Pflegestellen bei ehrenamtlichen Mitarbeitern des Tierheims auf. „Bei Jungtieren ist die Zähmung kein Problem“, erläuterte Beate Kaminski. „Manchmal werden aber auch ganze Familien mit den Muttertieren eingefangen.“ Wenn die Mutter selbst nie ein Zuhause bei Menschen hatte, fühle sie sich dort oft nicht wohl und sei häufig auch nicht zähmbar. „Solche Katzenmütter ziehen unter unserer Obhut ihre Kleinen in Ruhe groß. Wenn die Jungen alt genug sind, wird die Mutter kastriert und nach ihrer Genesung in ihrem Revier wieder freigelassen.“ Sind Fundkatzen trächtig, kommt ihr Nachwuchs im Tierheim zur Welt und wird von dort aus später zahm vermittelt. „Wir haben jeden Sommer rund 200 Katzenwelpen bei uns“, berichtete die Sprecherin.

Wer sich für ein Tier interessiert, das auf der Webseite des Heims zur Vermittlung angeboten wird, kann einen Einzeltermin vereinbaren. Das Tierheim hat in der Pandemie staatliche Corona-Hilfen in Höhe von 3500 Euro erhalten. (dpa)

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