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Seit 2011 können die Gerichte für wegen Verbrechen verurteilte Straftäter das Tragen elektronischer Fußfesseln anordnen. In der Regel trifft es Gewalt- und Sexualstraftäter.

© dpa/Fredrik Von Erichsen

Teure Sicherheit in Berlin: Was elektronische Fußfesseln bei Verbrechern bringen

Seit 2013 hat Berlin 1,5 Millionen Euro ausgegeben. Damit zwei bis fünf gefährliche Straftäter pro Jahr mit elektronischer Fußfessel überwacht werden. Die Linke fordert, den Nutzen zu prüfen.

Es geht um Terror, Raub, schwere Gewalt, Sexualverbrechen und Drogenhandel im großen Stil: Berlin hat in den vergangenen zehn Jahren 1,5 Millionen Euro ausgegeben, um 42 gefährliche Straftäter per elektronischer Fußfessel zu überwachen. Seit 2012 stiegen die jährlichen Ausgaben von 120.000 Euro auf 193.000 im vergangenen Jahr.

Die Zahl der Träger schwankt pro Jahr zwischen fünf und zwei, aktuell sind es in Berlin drei, bundesweit rund 130. Die Tragepflicht dauert von einem Monat bis zu mehr als vier Jahren. Das geht aus einer Antwort der Senatsjustizverwaltung auf eine Anfrage des Linke-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg hervor.

Sebastian Schlüsselburg ist rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

© bengross.de

Sehen Gerichte bei Straftätern nach der Haftentlassung die Gefahr, dass sie weitermachen wie zuvor, können sie eine Führungsaufsicht samt Fußfessel anordnen. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2020, dass die seit 2011 erlaubte Fußfessel nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Doch was Fußfesseln bringen, ist umstritten.

Zentral überwacht werden sie von der „Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL) in Hessen. Dort geht ein Alarm ein, wenn mit der Fußfessel etwas nicht stimmt. Die Justizverwaltung konnte in ihrer Antwort an den Linke-Politiker Schlüsselburg nur Vorfälle seit dem Jahr 2019 auflisten: Meist waren es technische Probleme.

Wie bei einem Mann, der wegen Unterstützung einer Terrorgruppe im Ausland und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat seine Strafe abgesessen hatte. Mehrfach war bei ihm die Batterie schwach, dann kam die Polizei und überwachte das Aufladen.

Nicht erwähnt ist der Fall des Islamisten Rafik Y. Er saß im Gefängnis, als Anhänger der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam hatte er geplant, den damaligen irakischen Premierminister Ijad Allawi bei einem Staatsbesuch in Berlin zu töten. 2013 kam Rafik Y. frei und wohnte in Spandau. Weil er als gefährlich galt, musste er eine elektronische Fußfessel tragen.

Rafik Y. wurde 2008 wegen eines geplanten Anschlags zu acht Jahren Haft verurteilt.

© Marijan Murat/dpa

Doch an einem Morgen im September 2015 nahm der 41-Jährige das Gerät ab. Wegen einer Panne kam die Polizei nicht rechtzeitig. Der Islamist attackierte in Spandau mehrere Passanten mit einem Messer. Eine Polizeibeamtin, die den Islamisten stoppen wollte, wurde schwer verletzt, ihr Kollege erschoss den Iraker.

Berüchtiger Remmo-Mann dank Fußfessel überführt

Auch einen mehrfach verurteilten Mann aus dem Remmo-Clan hinderte die Fessel nicht. Er ist berüchtigt für Gewalttaten, Drogen- und Waffendelikten. Nach mehrjähriger Haft bekam er 2019 eine Fußfessel. Erst kürzlich erging Anklage gegen ihn: Er soll von Dezember 2020 bis Februar 2021 eine Serie von zwölf Brandstiftungen an Autos verübt haben. Der zentrale Beweis sind die Daten der Fußfessel.

So war es auch, nachdem er im November 2020 mit Clan-Männern am Gesundbrunnen Center zwei Tschetschenen schwer verletzt hatte. Damals tobte in Berlin ein Bandenkrieg zwischen dem aus dem Libanon stammenden Remmo-Clan und einem tschetschenischen Netzwerk. Die Daten seiner Fußfessel überführten den Clan-Kriminellen, nach seiner Festnahme im Februar 2021 endete auch die Brandserie.

Mehrere Männer aus dem Remmo-Clan griffen im November 2020 am Bahnhof Gesundbrunnen Tschetschenen brutal an.

© privat

Was also bringt die Fußfessel? Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber auch verpflichtet, „die spezialpräventiven Wirkungen und technischen Rahmenbedingungen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung empirisch zu beobachten“ – und das Gesetz bei Bedarf anzupassen.

Eine Evaluation fordert auch der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. „Das oberste Ziel der Führungsaufsicht muss darin bestehen, dass die ehemaligen Straftäter keine neuen Straftaten begehen. Dafür kann die Fußfessel gerade bei ehemaligen Terror- und Sexualstraftätern sinnvoll sein. Sie ist allerdings auch sehr teuer“, sagt Schlüsselburg.

Allein von den Verwaltungskosten könnten zwei Justizvollzugsbeamte für aktuell drei Fußfesselträger finanziert werden. „Ich schlage vor, dass wir eine Studie über die Wirkung der Fußfessel in Auftrag geben“, sagt Schlüsselburg. Dann könne überlegt werden, ob die Fußfessel für ehemalige Drogenstraftäter abgeschafft und auf Gewalt-, Terror- und Sexualstraftaten begrenzt werden kann.

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