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Kleine Freude, große Freude. Hamzah Ali, ehrenamtlicher Seniorenhelfer, und Susanne Schattschneider vom interkulturellen Besuchsdienst „Türöffner“ von Malteser und Caritas, in der Café-Bäckerei am Theodor-Loos-Weg. Die 96-jährige Elli Rothkopf, die der junge Mann aus Rudow besucht, arbeitete früher auch in einer Bäckerei. Zum Treffen konnte sie leider nicht kommen, sie lag im Krankenhaus.

© Sven Darmer

Tagesspiegel bittet um Spenden für Weihnachtsaktion: Zwei Herzen und eine Seele – ein Besuchsprojekt mit Geflüchteten

Geflüchtete besuchen Senioren: In der Pandemie hilft menschliche Wärme gegen Einsamkeit. Das Projekt „Türöffner“ braucht Unterstützung.

Auch in diesem Jahr bittet der Tagesspiegel bei der Weihnachtsaktion „Menschen helfen!“ um Spenden der Leser:innen. Wie bei jeder Spendenrunde wollen wir auch mit der 29. Aktion bei jenen Problemen und Krisen helfen, über die wir im Jahresverlauf öfter berichtet haben: Corona-Pandemie, Obdachlosigkeit in Berlin, Klimakrise weltweit, humanitäre Krise in Afghanistan. Wir stellen in unserer Spendenserie zu „Menschen helfen!“ 2021/22 einige Projekte stellvertretend für alle 42 vor, für die wir Gelder sammeln. Heute: das inklusive Besuchsprojekt Türöffner für Geflüchtete und Migranten zugunsten alter Menschen in Berlin von Maltesern und Caritas.

Der Whatsapp-Film auf dem Handy startet. Darin sieht man eine alte Dame, die in ihrem Krankenhausbett an Keksen knabbert. „Du bist mein Süßer! Ich hab’ Dich lieb!“, sagt die Frau und lacht, sie dankt mit dem Video aus der Klinik dem jungen Mann, der das Video zeigt und der mit seiner Freundin die Kekse für die 96-Jährige gebacken hat.

Es ist Hamzah Ali, 29 Jahre alt, er ist in Rudow zu Hause – wie die Seniorin Ella Rothkopf. „Sie ist meine deutsche Oma“, sagt der junge Mann mit jemenitischen Wurzeln. „Ich gehe Elli, so wird sie von ihren Freunden genannt, seit etwa einem Jahr fast jeden Sonntag zu Hause besuchen. Ihre Gesundheit ist eigentlich stabil, aber jetzt lag sie im Krankenhaus, wo ich sie zum Glück auch besuchen durfte.“

Den jungen Ehrenamtlichen und die alte Dame hat Susanne Schattschneider zusammengebracht, sie ist die Leiterin des Integrationsdienstes der Malteser und koordiniert den interkulturellen Besuchsdienst „Türöffner“ gemeinsam mit der bei Besuchsdiensten erfahrenen Caritas. Alle bitten die Leser:innen des Tagesspiegel um Spenden, mit dem Ziel, alte Menschen, die in der Corona-Pandemie zu Hause oder in Senioreneinrichtungen isoliert und auch mal einsam sind, durch coronasichere Besuche und Spaziergänge erfreuen zu können.

Viele alte Menschen sind einsam

Denn viele ältere Berliner:innen in Einrichtungen durften während der Lockdowns keinen Besuch mehr bekommen. In Heimen durften die Bewohner:innen teils noch nicht mal in das Zimmer nebenan gehen. Jenen, die Berlin nach dem Krieg wieder aufgebaut haben, wollen Neu-Berliner:innen jetzt etwas zurückgeben. Und: „Übergreifend stärkt das Projekt den sozialen Zusammenhalt in Berlin – da vornehmlich getrennt lebende gesellschaftliche Gruppen Berührungsängste ab- und Vertrauen zueinander aufbauen“, heißt es im Bewerbungsschreiben von Katrin Göhler vom Malteser-Hilfsdienst an den Tagesspiegel-Spendenverein.

[Für alle, die Berlin schöner machen, gibt es den Tagesspiegel-Newsletter „Ehrensache“. Er erscheint immer am zweiten Mittwoch im Monat. Hier kostenlos anmelden: ehrensache.tagesspiegel.de.]

Wie das Konzept praktisch gelebt wird, ist beim Treffen in der neuen Bäckerei „KRM’S“ im auffälligen Neubau in der Gropiusstadt am Theodor-Loos-Weg 51 zu spüren. Wer hätte gedacht, dass jemand, die vor fast 100 Jahren in Europa auf die Welt kam, und jemand, der vor drei Jahrzehnten in der arabischen Welt geboren wurde, so zur beiderseitigen Bereicherung zueinanderfinden.

„Ich habe ein halbes Jahr nach einem Ehrenamt gesucht, bis ich dieses Projekt fand“, erinnert sich Hamzah Ali. Die Eltern des 29-Jährigen stammen aus Jemen. Er selbst machte in Saudi-Arabien Abitur, studierte in China Bauingenieurswesen. „Mein Vater ist Klempner, meine Mutter Hausfrau, sie machte ihren Schulabschluss später nach“, erzählt Ali. „Beide haben meinen sechs Schwestern, meinem Bruder und mir beigebracht, etwas aus unserem Leben zu machen.“ Der junge Mann kam vor drei Jahren hierher, er parliert sprachbegeistert auf Deutsch.

Gesucht und gefunden. Hamzah Ali und Elli Rothkopf kennen sich seit einem Jahr und mögen sich sehr.
Gesucht und gefunden. Hamzah Ali und Elli Rothkopf kennen sich seit einem Jahr und mögen sich sehr.

© privat

„Ich denke mein Leben Schritt für Schritt“, sagt der Neu-Berliner, und dazu gehörte bereits „Sprachkurs besuchen, in einem Sprachcafé die Alltagssprache lernen, Praktikum machen, eine Fortbildung besuchen, den Führerschein machen, eine Arbeitsstelle suchen“. Hamzah Ali hat subsidiären Schutz, und der Bauingenieur freut sich sehr, dass er in Kürze eine Arbeitsstelle im Süden von Berlin antreten kann. Die Firma wolle ihn nehmen, obgleich er den Papieren nach aktuell noch ein Jahr Aufenthalt hat; aber der Schutz wird der Gesetzeslage nach verlängert. Bei der Baukammer hatte Ali die Anerkennung seines Abschlusses beantragt, erfolgreich.

Die alte Dame war auch Flüchtling

„Elli hat mir erzählt, dass sie auch Flüchtling ist“, berichtet Hamzah Ali weiter. Das haben sie gemeinsam, meint er, und, dass sie beide immer viel Wert auf Bildung und arbeiten gehen gelegt haben. „Frau Rothkopf hat mir davon erzählt, wie sie alles zurückgelassen hat, als sie im Zweiten Weltkrieg aus dem Osten hierher geflüchtet ist, mit ihrer kleinen Tochter. Und davon, wie sie mit ihrem Mann gearbeitet und gespart hat, um sich eine kleine Bäckerei kaufen zu können.“ Es gab eine zweite Flucht, aus Ost-Berlin in den Westen, weil „ihr Mann nicht den Mund halten wollte“, aus politischen Gründen, und es sei beiden gelungen, wieder eine Bäckerei zu betreiben.

Malteser und Caritas bitten um Spenden für Tablet-PCs

Das alles erzählt der Neu-Berliner beim Gespräch in dem Rudower Bäckerei-Café mit Cateringdienst und den frisch zubereiteten Salaten. Hier würde sich die Seniorin, „von der ich schon viel gelernt habe“, auch wohlfühlen, meint Ali. Und wie zum weiteren Beweis, dass das Türöffner-Projekt mit seinem Ansatz des kulturellen Brückenbaus inklusive Mehrwert funktioniert, ergibt sich beim Fotoshooting für die Tagesspiegel-Spendenserie ein Gespräch mit der neugierig gewordenen Betreiberin des „KRM’S“-Cafés. Die Großbuchstaben stehen für ihren Nachnamen Karacam und den Vornamen Seda.

Sie ist auch so eine Macherin, wie die alte Dame und der junge Mann, sie ist 24 Jahre jung und selbstständig. Ihre Mitarbeiterin hat selbst mal bei einem ähnlichen Besuchsdienst-Projekt mitgemacht. Ja, das ergebe wirklich Sinn, sagt jene, dass der Weihnachtswunsch der Malteser und der Caritas Geldspenden für 25 Tablet-PCs für die alten Menschen seien, denn sie selbst habe miterlebt, wie Senioren bei Zoom-Meetings mit den Ehrenamtlichen Freude und Leben in ihre stillen Wohnungen bekommen haben.

Und: Ja, Senioren können den Umgang mit digitalen Medien, Handys oder Whatsapp lernen, und dank dessen auch bei Lockdown und Quarantäne Außenkontakte aufrechterhalten. Der Tagesspiegel-Spendenverein bittet zudem um Spenden für die Schulung der Engagierten in seniorengerechter Technik oder dem Umgang mit Menschen im Rollstuhl sowie für die Ehrenamtspauschale (zehn bis 15 Euro im Monat) für „Türöffner“.

Der Ehrenamtliche liebt deutsche Redewendungen

Auch Hamzah Ali hat während des Lockdowns von der digitalen Welt profitiert, er hat über Handy-Apps wie „Hello Talk“ oder „Tandem“ mit einem Gesprächspartner weiter Deutsch gelernt und dem anderen im Gegenzug Arabisch beigebracht. Ali möchte etwas klarstellen: Wenn Geflüchtete sagen würden, es gebe von Seiten der Mehrheitsgesellschaft aus Hindernisse bei der eigenen Integration – das habe er anders erlebt. „Ich habe von Elli auch die Redewendung gelernt: Wenn man was fragt, kriegt man alles. Und wenn man was will, ist vieles möglich. Ich selbst finde, alles steht in Deutschland zur Verfügung.“

Doch manchmal fehle den Menschen der Zugang, und es werde viel zu wenig genutzt, so viel gesellschaftlicher Diskurs sei bei dem Gespräch über Integration nötig, findet er. Migrant:innen und Geflüchtete, die ähnlich denken und leben wie er, kritisierten, dass sich viele Neu-Berliner in ihren Communitys gegenseitig darin bestärkten, angesichts der gewährten staatlichen finanziellen Unterstützung nichts oder viel zu wenig fürs eigene Fortkommen, für Spracherwerb und Integration zu tun. „Und leider gibt es auch Arbeitgeber in Berlin, die Schwarzarbeit fördern.“

Da müsse sich etwas ändern. Wenn er selbst noch mehr Fuß gefasst habe, wolle er eine eigene Organisation gründen, die den Einstieg von Geflüchteten in die Arbeitswelt fördere. „Ich sage immer, auf lange Sicht wird man ohne persönliches Fortkommen nichts im Leben schaffen. Ich brauche immer ein Ziel vor Augen.“ So wartete er schon ungeduldig, bis er nach den Pandemie-Einschränkungen endlich die 96-jährige Neuköllnerin besuchen durfte. „Zuerst konnten wir nur telefonieren, und da war ich gebeten worden, möglichst laut in den Hörer zu sprechen.“ Das Eis war nach den folgenden Videotelefonaten schnell gebrochen.

Migranten wollen sich sinnstiftend einsetzen

Bei den ersten persönlichen Besuchen war noch Ella Rothkopfs Tochter Heidi dabei. „Ich wollte etwas über Deutschland erfahren, die Kultur kennenlernen, einem alten Menschen helfen.“ Er habe schon so viel gelernt, sagt Ali. Derzeit engagieren sich mehr als 20 Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund bei dem „Türöffner“-Projekt. Es sind aktuell sieben Frauen und 15 Männer im Alter von 26 bis 46 Jahren, sie kommen unter anderem aus der Türkei, Syrien, Nigeria, Irak und Jordanien, und sie wollen sich „sinnstiftend und sichtbar in die Berliner Gesellschaft einbringen“, so hat es Susanne Schattschneider in der Bewerbung beim Tagesspiegel-Spendenverein formuliert. Drei Senioren werden Zuhause besucht.

Das ist das Spendenkonto

Hamzah Ali liebt Redewendungen, und zu jeder hat er eine Geschichte aus dem Alltag parat. „Elli hat mir beigebracht: Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist.“ So stehe man auch schwere Zeiten durch. Meist denkt er aber positiv. Und freut sich über Handtücher und Töpfe, die ihm seine „deutsche Oma“ für die erste eigene Wohnung vermacht hat. Einen Tipp fürs Gesundbleiben bis ins hohe Alter hat er auch bekommen: „Viel Kopfrechnen“, wie Frau Rothkopf früher an der Kasse in der Bäckerei.

Spenden können Sie bitte an folgendes Konto überweisen: Empfänger: Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42.

Bitte Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren. Infolge der Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie bitten wir um etwas Geduld bei der Zusendung des Spendenbelegs. Auch Online-Banking ist möglich.

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