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Ein Beamter trägt das Wappen der Berliner Polizei. (Symbolfoto)

© Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

Rassismus-Studie der TU Berlin: Kein „Racial Profiling“ der Polizei im Görli – es bleibt aber viel zu tun

Eine Studie im Auftrag des Senats zeigt: Die Berliner Polizei muss sensibler für Rassismus werden. Doch ein Pauschalurteil gegen Beamte ist nicht angebracht.

| Update:

Racial Profiling am Görlitzer Park? Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe von Polizisten für Dealer gehalten und nur deshalb kontrolliert werden? „Das haben wir nicht wirklich beobachtet“, sagte Christiane Howe von der Technischen Universität (TU) Berlin, die mit ihrem Forscherteam mehr als drei Monate lang Polizisten begleitet hat. Die Kontrollen hätten immer einen Anlass gehabt. Es ist ein Befund, der überrascht. Denn das Gegenteil wird der Polizei oft vorgeworfen.

2021 war die Studie vom damaligen Innensenator Andreas Geisel (SPD) für 200.000 Euro in Auftrag gegeben worden, als Teil des Elf-Punkte-Plans zur Bekämpfung extremistischer Einstellungen bei der Polizei. Nun hat das Forscherteam in der am Freitag vorgelegten Studie ein differenziertes Bild gezeichnet. Studienleiterin Howe sagte, die Frage, ob die Polizei rassistisch sei oder nicht, könne nicht einfach beantwortet werden. Letztlich müsse man sagen: „Ja und Nein“, so wie es die Gesellschaft insgesamt auch sei.

Am Ende drehte sich die Studie darum, in welchen Situationen Diskriminierung und Rassismus bei der Polizei entstehen können, wodurch sie befördert werden. Zu politischen Einstellungen von Polizisten soll eine andere Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums Auskunft geben, an der sich Berlin beteiligt.

Der 140-Seiten-Bericht des Zentrums für Technik und Gesellschaft an der TU attestiert Politik und Polizei, „an vielen Stellen bereits intensiv zum und am Thema“ Rassismus zu arbeiten. Trotzdem erlebten Menschen im Alltag Diskriminierungen, etwa durch „immer wiederkehrende Unterstellungen und Abwertungen“.

Ob es mehr rassistische Diskriminierung durch die Polizei gibt, ist unklar

Die Wissenschaftler berufen sich auf Auskünfte von 17 Verbänden und Initiativen, wonach Menschen mit Migrationsgeschichte nach eigenem Erleben „weitaus häufiger als Weiße im öffentlichen Raum kontrolliert“ und strikter geahndet werden. Aussagen, „ob rassistische Diskriminierungen zu- oder abgenommen haben und wie weit verbreitet das Phänomen ist“, seien aber kaum möglich.

Bei ihrer Feldforschung stellten die Wissenschaftler fest, dass Polizisten mit „vielfältigen Situationen, unterschiedlichen Menschen und zahlreichen Konfliktlagen umgehen, auf die sie sich meist nur kurzfristig einstellen können“. Es käme zu „Missverständnissen, Fehlannahmen, Irritationen“. Bei Einsätzen seien die Beamten nicht selten Gewalt und Aggression ausgesetzt.

Polizist:innen sollte ihre Rolle als mächtige Vertreter:innen des staatlichen Gewaltmonopols präsent sein:“

Untersuchungsbericht des Zentrums für Technik und Gesellschaft an der TU

Ergo: Stress führt zu Fehlentscheidungen, nicht verarbeitete seelische Belastung verfestigt Voreingenommenheit. Um Diskriminierungen zu vermeiden, raten die Wissenschaftler der Polizei zu mehr Offenheit und Sensibilität für das für das Thema Rassismus..

Nötig sei eine verbesserte Aus- und Fortbildung, auch zu Themen wie der kolonialen Geschichte Deutschlands. Wichtig seien aber auch soziale und kommunikative Kompetenzen, ebenso eine professionelle Reflexion zu Einsätzen, um Schubladendenken aufzubrechen. Zudem müssten Hinweise oder Kritik möglich sein, ohne dass dies sofort zu Konsequenzen führt.

Viele wissen nicht, was die Polizei darf und tun muss

Bei Kontrollen und Einsätzen sollten Polizisten sich über ihre Rolle als „mächtige Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols“ bewusst sein und Erfahrungen der anderen Seite mitdenken. Bodycams oder „Kontroll-Quittungen“ könnten die Transparenz fördern, nötig seien auch digitale Übersetzer und die Sanierung maroder Dienststellen. Nachholbedarf habe auch die Zivilgesellschaft, denn viele Bürger wüssten nicht, „wofür die Polizei zuständig ist, was sie rechtlich darf, was sie rechtlich muss“.

Polizeisprecherin Beate Ostertag bezeichnete die Studie als Arbeitsauftrag. Die Polizei werden jetzt prüfen, welche Handlungsempfehlungen bereits umgesetzt worden sind und welche noch angegangen werden müssen.

So reagieren Verbände und Politik auf die Studie.

  • Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte: „Auf den ersten Blick aber wird schon deutlich, dass eher bei den Rahmenbedingungen und der politischen Bildung in der Gesellschaft als bei der tagtäglichen Polizeiarbeit in dieser Stadt Optimierungsbedarf besteht. Ein Disziplinarrecht, was keinen Raum für Fehler und Entwicklung lässt, unflexible Arbeitszeitmodelle, zu wenig Personal und fehlende Kapazitäten zur Vorbereitung und Reflexion von Einsätzen sind die Barrieren, mit denen unsere bürgerfreundliche Hauptstadtpolizei tagtäglich zu kämpfen hat.“
  • Jörn Badendick vom Polizeiberufsverband „Unabhängige“ erklärte: „Die Studie nimmt auf, was Berufsverbände wie wir seit Jahren fordern: bessere Ausstattung, mehr Personal, bessere Versorgung nach belastenden Einsätzen und a mehr Zeit für Supervision. Die jahrelange Mangelwirtschaft hat auch Folgen für Polizisten im Alltag. Die Studie ist ein Appell an die Politik.“
  • Gollaleh Ahmadi, Sprecherin für Sicherheitspolitik der Grüne-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte: „Die Studie macht klar, wie alltäglich Rassismus und Diskriminierung bei der Polizeiarbeit ist. Rassismus- und diskriminierungskritische Fortbildungen müssen zur regelmäßigen Pflicht in der Aus- und Weiterbildung werden. So erhöhen wir die Sicherheit der Betroffenen und Polizist*innen können kritische Situationen besser einschätzen und adäquater reagieren.“
  • Vasili Franco, Innenexperte der Grüne-Fraktion sagte: „Die Studie zeigt, dass sich im Handeln der Berliner Polizei immer wieder rassistische Denkmuster widerspiegeln und die Perspektive der Betroffenen noch nicht ausreichend berücksichtigt wird. In der Nachbereitung von Einsatzgeschehen und dem Ausbau von Supervision gibt es noch Luft nach oben. Damit wir nicht nur die Analyse, sondern auch Lösungen vorantreiben, ist es wichtig, dass die Studie fortgeführt wird.“
  • Björn Jotzo, Innenexperte der FDP-Fraktion, erklärte: „Die Arbeit der Polizei ist herausfordernd, denn jedem Einsatz muss nüchtern und neutral begegnet werden. Eine multikulturelle Gesellschaft braucht eine darauf ausgerichtete Polizei. Die Einführung von Bodycams für mehr Transparenz und Selbstkontrolle der Polizei ist längst überfällig. Das Bilden sozialer und kommunikativer Kompetenzen darf nicht länger weitgehend nur durch ein „learning by doing“ erfolgen.“
     

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