zum Hauptinhalt
Sicherheit, wenn auch nur begrenzt, bieten Corona-Selbsttests.

© Kamaryt Michal / dpa/CTK

Streit um Wechselbetrieb in Schulen: Die Gesellschaft setzt ihre Prioritäten immer noch falsch

Bleiben Berlins Schulen im Wechselbetrieb? Was in den verbleibenden Wochen eines katastrophalen Schuljahrs jetzt noch passieren muss. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Machen die Schulen ganz auf oder bleibt es beim Wechselunterricht? Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres hat (ausnahmsweise) gute Argumente auf ihrer Seite. In den Altersgruppen der Schulkinder ist die Inzidenz höher als in der Gesamtbevölkerung.

Viele Eltern sind ungeimpft, auch viele Pädagog:innen haben noch keinen vollen Impfschutz. Nach den Sommerferien wird das Risiko im vollen Präsenzbetrieb ungleich niedriger sein als jetzt, denn bis dahin werden Millionen weitere Impfspritzen an Erwachsene und an ältere Kinder verabreicht worden sein. Das alles spricht dafür, kurz vor den Sommerferien nicht übereilt ins Risiko zu gehen.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Andererseits: Manche Klassenkamerad:innen haben einander seit einem halben Jahr nicht gesehen. Die Last, die in diesem Schuljahr auf den Schultern der Kinder und ihrer Eltern lag, ist gigantisch.

Am Freitag kam die Meldung, dass in Berlin Innengastronomie und Hotels womöglich schon am 4. Juni wieder aufmachen. Es ist empörend, dass die Gesellschaft das Risikobudget, das sie zu verteilen hat, überall anders zuerst investiert, bevor sie es in den Schulbetrieb steckt.

Eine Frage aber gehört stärker in den Fokus: Wie können die Kinder einen versöhnlichen Abschluss des Schuljahres erleben? Es sollte nicht darum gehen, noch so viel Lernstoff wie möglich in die kleinen Köpfe hineinzuklöppeln. Sondern darum, die Kinder mit einem Gefühl der Zuversicht in die Ferien zu entlassen. Mit der Ahnung, dass sich Dinge zum Guten wenden können. Vielleicht sogar mit Vorfreude auf das nächste Schuljahr, in dem hoffentlich der Corona-Ausnahmezustand Schritt für Schritt zu Ende gehen wird.

Es braucht eine verstärkte Testoffensive für die Schulen

Ab kommender Woche sollen wieder Exkursionen und auch Feste im Freien in voller Klassenstärke erlaubt sein. Das geht genau in die richtige Richtung: Waldspaziergang statt Wechselbetrieb.

Außerdem hat Scheeres’ Verwaltung angekündigt, dass ab kommender Woche wieder alle Grundschulkinder den Hort nutzen können. Da allerdings fehlt die klare Linie. Vormittags Wechselunterricht, nachmittags sehen sich alle im Hort: Die Epidemiologin des persönliches Vertrauens fände das wohl eher weniger sinnvoll.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Warum nicht ganz praktisch an das Problem herangehen? In der kommenden Woche könnte eine Testoffensive beginnen, bei der für den Rest des Schuljahres nicht mehr nur zwei Mal pro Woche, sondern täglich getestet wird. Es brächte zusätzliche Sicherheit.

Knapp vier Schulwochen verbleiben. Sollte die Inzidenz weiter so erfreulich sinken, könnten in den allerletzten Tagen des Schuljahres tatsächlich noch einmal alle Kinder zusammenkommen. Und zwar ausdrücklich nicht mit der Erwartung, noch die Versäumnisse einer seit Pandemiebeginn chaotischen Schulpolitik aufholen zu wollen.

Sondern mit der Frage im Mittelpunkt, wie es den Kindern geht und was die Schule tun kann, um ihnen Begegnungen zu ermöglichen und sie emotional aufzufangen, wo notwendig. Die Kinder müssen spüren, dass sie in der Klassengemeinschaft gesehen werden und aufgehoben sind. Zumal viele Klassen nicht in der bestehenden Besetzung im kommenden Schuljahr weitermachen und Kinder voneinander Abschied nehmen wollen.

Eltern müssen weiterhin die Wahl haben

Diese Ideen gelten freilich nur unter einer wichtigen Prämisse: dass Eltern auch weiterhin die Wahl haben, ob sie ihr Kind überhaupt dem Risiko einer Ansteckung in der Schule aussetzen wollen. Die Präsenzpflicht ist nach wie vor ausgesetzt. Das ist gut und richtig und muss so bleiben, bis für alle Schulkinder Impfungen verfügbar sind.

Die Schulen würden als erstes wieder aufmachen, hieß es aus der Politik, als die alles dichtmachte. So kam es nicht. Das Recht auf Bildung sei überragend wichtig, hieß es. Nun gibt es keine Impfstoffkontingente speziell für Jugendliche. Die Diskussion um den Modus des Schulbetriebs ist auch deshalb so aufreibend, weil die Gesellschaft insgesamt die Prioritäten noch immer falsch setzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false