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So wünscht es sich Signa. Der Immobilienzweig des Konzerns möchte den Karstadt-Neubau gemischt nutzen – auch für Büros, Wohnungen und Sport. Die Terrasse mit Bäumen soll als Rückzugsort dienen und Habitat für Insekten sein.

© Rendering: Signa/Chipperfield

Streit um Signa-Deal: Schaukampf um den Karstadt-Umbau am Hermannplatz

Signa will am Karstadt-Standort Kreuzberg investieren – doch die Pläne sind umstritten. Am Mittwoch hat Senator Scheel den „Letter of Intent“ im Abgeordnetenhaus verteidigt.

Die Widersacher kreuzten nach dreieinhalbstündiger Debatte die Klingen. Es ging um das umstrittenen Bauvorhaben des Immobilienmultis Signa in Berlin

Konzernvorstand Timo Herzberg attackierte Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) scharf, warf ihm vor, keine „Bereitschaft mit der Planung“ für die Errichtung eines historisierenden Neubaus am Hermannplatz zu haben. Auch habe Schmidt „Zusagen nicht eingehalten“ und damit gleichsam eine Vereinbarung mit dem Senat gebrochen: Dass das Land eben nicht dieses Projekt an sich zieht, sondern dem Bezirk die Planung überlässt. Was der nicht tue.

Verschärft hat sich die Lage durch den Ausbruch der Corona-Pandemie. Die hat die Karstadt-Filialen, die den zweiten Geschäftszweig der Signa-Gruppe bilden, eine Milliarde Euro gekostet. 

Die Insolvenz wurde am Dienstag abgewendet. Viele Häuser schließen. In Berlin sollen drei erhalten bleiben. Darauf verständigte sich der Senat mit dem Konzern. 

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Teil der Absichtserklärung: Signa kann bauen am Hermannplatz, am Alexanderplatz und am Kürfürstendamm. Daran hängen nun auch gut 600 Arbeitsplätze in Berlin. Damit wäre es ein leichtes, wenn der Senat die Planung an sich zöge.

„Die Öffentliche Hand bestimmt, wo, wann, wie Baurecht entsteht“, sagte der Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Sebastian Scheel (Linke). Hier könne man sich auch nicht „auf Geschäfte einlassen“. 

Scheel kündigt Beteiligung der Bürger an

Damit umging Scheel die Fragen von Abgeordneten, ob er sich – wie andere Linke-Mitglieder – „erpresst“ fühle durch die Absichtserklärung. Am Hermannplatz stehe man am „Anfang“ eines Verfahrens. Es werde Beteiligung geben. 

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Mit den Bezirken werde er sich gemeinsam an einem Tisch die „städtebauliche Einordnung“ einer Umgestaltung des Warenhauses geben. Richtig sei aber auch, dass dieses Warenhaus ein „Ankerpunkt“ für das Quartier sei, an dem nicht nur die Arbeitsplätze von Karstadt, sondern auch zahlreicher umliegender Mittelständler abhänge.

Damit reicht Scheel nach beiden Seiten die Hände: Der SPD, die mit Daniel Buchholz im Ausschuss einen strammen und verlässlichen Zeitplan für den Investor einfordert, aber auch der informellen linken Koalition. 

Was geschieht mit den Arbeitsplätzen während der Bauzeit? 

Zu der gehören neben der klassenkämpferischen Basis, Bezirksstadtrat Schmidt oder auch Katrin Schmidberger. Die Grünen-Abgeordnete fragte scharf nach: Wie viel Fläche Signa denn genau für welche Nutzungen schaffen wolle. 

Die Mietpreise der passend zur Anhörung bekannt gewordenen Kooperationsvereinbarung mit der städtischen Degewo und den geplanten Wohnungen wollte sie wissen. Und: Was geschieht mit den Arbeitsplätzen während der Bauzeit? 

„Wie sehr kann man einem Investor trauen, der schon mal Arbeitsplätze garantierte, die dann platzten?“. Schmidbergs Bilanz: „Eine Kita mit 100 Plätzen ist schön, aber damit kriegen Sie uns nicht, Herr Herzberg“.

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Ganz fair war das nicht, denn die Coronakrise kostete Milliarden und trifft den Einzelhandel mit Wucht. Freie Fahrt für Investoren forderte deshalb Stephan Förster (FDP) angesichts einer Investitionssumme von 600 Millionen Euro. 

Berlin dürfe nicht lange die Verkaufsfläche auf den Quadratmeter nachzählen, so wie bei Fünfjahresplänen „wie bei Konsum“ – eine kleine Spitze auf die gescheiterte DDR-Staatswirtschaft.

Nur, Berlin ist andererseits auch berühmt für spektakuläre Skandale infolge allzu locker gestrickter Hinterzimmer-Vereinbarungen zwischen demokratisch gewählten Senatsverwaltungen mit smarten Investoren: Das braune Bürohaus an der Friedrichstraße des Hamburger Investors Harm Müller-Spreer bescherte dem Land wegen unausgegorener Verträge und Vereinbarungen Millionenschaden. 

Das finanzpolitische Desaster beschäftigte einen Untersuchungsausschuss. Und der Bau selbst, in Simulationen fast so gläsern wie Pläne von Mies van der Rohe, gilt als ästhetische Bausünde in der Friedrichstadt.

"Sammelpunkt von ausgegrenzten Menschen"

So gesehen sind auch in Notlagen sowie zur Rettung hunderter Arbeitsplätze geordnete städtebauliche Verfahren, wie Cordelia Polinna von Urban Catalyst anregte, durchaus erwägenswert. Die Stadtplanerin fordert, ein „Beteiligungsverfahren unter Ägide der Öffentlichen Hand“, um überhaupt „eine Haltung zum Ort“ zu finden. 

Der Hermannplatz liege an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Ortsteilen. Gräfekiez und Reuterkiez hätten bereits eine „Aufwertung“ erfahren. Der Hermannplatz sei „Sammelpunkt von Stigmatisierten und ausgegrenzten Menschen“. 

Es gebe Drogenhandel, auch in der Hasenheide und im Donaukiez. Die Sonnenallee wiederum sei als arabische Meile, ein schönes Beispiel für „migrantische Ökonomie“. 

In dieses soziale und städtebauliches Milieu einfach nur ein Kaufhaus einzupflanzen, werde nicht reichen. Denn: Das „Einkaufen als Leitfunktion bricht weg“ wegen des Onlinehandels. Erlebsniskonsum in Kombination mit Kino, Kulturangebote und Gastronomie hatte sich vor der Coronakrise als weiterentwickelte Anker-Punkte bewährt – jedenfalls bevor Corona die Innenstädte leerfegte.

Am Ende steht die Architektur des Gebäudes

Von der Prüfung von „Bedarfen“ spricht Baustadtrat Schmidt auch, also was die Menschen sich dort wünschten. „Noch hat Signa die Möglichkeit, den Hebel umzulegen und gemeinsam“ mit dem Bezirk ein geordnetes Verfahren durchzuführen. 

Von den „Vorschlägen aus der Nachbarschaft“ ausgehend könnten dann das „Nutzungskonzept“ und die „Baupotenziale“ am Hermannplatz abgeleitet werden. Ganz am Ende müsse dann die „Debatte über die Form“ stehen: also die Architektur des Gebäudes.

Die Vision zeigen die Renderings, mit denen Signa die Öffentlichkeit elektrisiert hatte. Im Stil der 1920er Jahre, auf Dachterrassen umgeben von Bäumen, mit dem Blick über Berlin und die Shopping-Tüten über der Schulter – die Bilder wirken.  Nur eben nicht in der Politik: Scheel jedenfalls und auch Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel kritisierten deren vorschnelle Veröffentlichung.

Immerhin, gegen Ende der Anhörung beantworteten die Signa-Manager auch diese Frage: Zehn bis 20 Prozent mehr Fläche soll der Neubau haben, 67000 Quadratmeter sind es derzeit.

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