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Am Ufer des Teichs. Angela (70) und Klaus Tittel (78) haben vor einem halben Jahr ein Drittel ihres Gartens in Heiligensee abgegeben. Doch ihnen bleiben immer noch 1900 Quadratmeter samt Gewässer zum Bewirtschaften. Da bleibt nicht viel Zeit für Ruhepäuschen.

© Thilo Rückeis

Berliner Pflanzen - Die Gartenserie (5): Stille Wasser

Dieser Garten sind zwei: einer zur Straße hin und ein verborgener. Kröten und Kois gefällt es dort, Bachstelzen und Fledermäusen. Denn die Besitzer haben hinterm Haus in Heiligensee Teiche angelegt

Von Susanne Leimstoll

Angela und Klaus Tittel haben, streng genommen, zwei Gärten. Arbeiten sie vor ihrem Haus im bürgerlichen Heiligensee hinter dem halbhohen Zaun, trifft man sie in ihrer Toskana an, einer Grünanlage, gesäumt von Terrakotta-Pflaster. Wer eingeladen ist, die gesamten 1900 Quadratmeter zu besichtigen, geht am Gewächshaus vorbei um eine mit hohen Gehölzen und Stauden bepflanzte Insel herum und weiß dann, warum das Schild „Tittel-Park“ am Wohnhaus nicht übertrieben ist: Ein Blockhaus auf kleiner Anhöhe, zwei Teiche und weiter Rasen, die Luft erfüllt von Froschquaken. Wo war da noch gleich die Straße? Das Beste an dieser Anlage ist: Tittels blicken von der Blockhaus-Terrasse auf weitere 1100 Quadratmeter Garten, die ihnen bis vor einem halben Jahr gehörten. Nun sind sie verkauft, aber kein Zaun, keine optische Barriere trennt sie. Die neuen Nachbarn sind nette Leute, man macht gemeinsame Gartensache. „Eigentlich ist alles wie früher“, sagt Angela Tittel und blickt fröhlich auf beide Ländereien. „Wir haben jetzt eben weniger Arbeit.“

Petrus ist schuld.

Den einen Teil abzugeben, war eine bewusste Entscheidung. Die Tittels sind um die siebzig, 3000 Quadratmeter waren ein Fulltime-Job, der vor 38 Jahren begann. Damals wohnten sie noch im Haus auf dem abgegebenen Teil, Klaus Tittels Elternhaus. Dort rodeten sie erstmal Großvaters 75 Obstbäume, schwankten dann zwischen Toskana und englischem Garten und entschieden sich für Privatpark mit Gewässer. Als die Grube für den ersten, den 1,60 Meter tiefen Teich ausgehoben war, türmte sich der Aushub nebenan als Hügel. So entstand, von abschüssigen Beeten und Rasen umgeben, der Standort fürs Blockhaus. Am zweiten, kleineren Teich in der Senke, ist Petrus schuld. Als im Tälchen nach einer Berliner Sintflut das Wasser stand und über Tage nur Schluck für Schluck versickerte, brachte die Restpfütze Klaus Tittel auf die Idee, der Natur nachzugeben und noch ein Gewässer anzulegen. „Acht Mann haben die Folie im Stück hier über die Wiese gezogen“, erinnert er sich.

Der Teich ist flacher als der erste und ein Paradies für Frösche. Wer sich still auf die Lauer legt, kann sie zwischen den Seerosen hervorglotzen und zum Backenaufblasen und Quaken auf einen der kleinen Felsen im Wasser hopsen sehen. Das ist hübsch hinter den knallgelb blühenden Irisstauden und dem Schilf, fast so, als säße man irgendwo draußen, jenseits des Zauns, auf einer Lichtung. Der Teich, sagen die Tittels, überrasche sie immer wieder. „Da sind Stichlinge drin, keiner weiß, woher.“ Vielleicht die Vögel, sie lassen manchmal Beute fallen. „Wir hatten dort sogar schon Krabben.“ Der tiefe Teich nebenan, den nun die Nachbarn versorgen, war Klaus Tittels Erstlingswerk, eine Fiberglas-Wanne, mit Kunstharz gestrichen und so blank, dass er während der Bauphase kreischende Enten herausretten musste, die die glatten Wände nicht mehr hoch kamen. Dort blubbern nun 13 Kois, und um die 100 schlanke Rotfedern stehen unterhalb der tief wurzelnden, sehr alten Seerosen. Schilf und Wasserpest helfen, das Wasser zu reinigen und spenden Sauerstoff. Den Froschlaich haben die Tittels mitgebracht. Fertige Frösche auszusetzen, funktioniert nicht. „Die hauen ab.“ Kermits Kumpels schützen ihr Territorium auch vor Überpopulation: Wenn es zu eng ist, wandert ein Teil freiwillig aus.

Spiegel für die Wolken.

Das Teich-Biotop zieht noch mehr Tiere an: Libellen fühlen sich am Ufer wohl, Vögel kommen zum Brüten als Zwischenmieter, Fledermäuse stürzen sich zum Trinken in die Flut. Jedes Jahr siedeln sich Bachstelzen an. Das Sauberhalten des Wassers macht Mühe. Früher stieg Klaus Tittel mit Surferanzug rein, um Pflanzen zu trimmen und Algen zu entfernen. Der Teich muss klar sein. „Die Wolken müssen sich drin spiegeln können“, sagt Angela Tittel, als sei dies ein Gesetz unter Gärtnern. Drumherum haben sie es sich schön gemacht. Klaus Tittel trimmt den Buchs zu geschwungenen Einfassungen oder zum Zwiebelturm, hält den Rasen kurz oder goss, auf Wunsch seiner Frau, die Kopie einer englischen Ruine. Der Spitzfenster-Bogen mit Mauerwerk steht nun in der Eibe. Angela Tittel hat sich mit Terrakottagefäßen und Lieblingsblumen umgeben. In Beeten blühen Kermesbeere und Arkanthus, Lärchensporn, Sonnenhut, Salomonsiegel. Und Funkien – von tief- bis maigrün, gestreift und geädert. An einer Ecke hat sie Gräser in weißen Sand gesetzt. „Mein Sylt“, sagt sie – ganz untoskanisch – und in Sichtweite, vor der Terrasse, demonstrativ einen Ruheplatz geschaffen mit Teakholzliege auf zweifarbigem Kiesel und einer Skulptur auf dem Beistelltisch. Das weiße Polster sieht ziemlich unbenutzt aus. „Ick denke immer, im Sommer, da liest de ’n bisschen“, sagt sie und zupft schon wieder störende Stengel aus dem Beet. Keine Zeit, kommt ja schon ihr Sport – Tennis und Walking und Turnen – im Sommer zu kurz wegen der Gartenarbeit. Und ständig holt sie sich Inspiration: aus Zeitschriften, Gartensendungen, bei Besuchen von mittlerweile 60 anderen Anlagen. Zu den Tittels kommen am Tag der offenen Gärten Touristen selbst von Rügen oder aus Leipzig. „Wir leben von den Komplimenten“, sagt Angela Tittel. „Der Garten ist unser Lebenselixier. Wenn man mal Kummer hat, ist der schon halb verweht, wenn man hier rauskommt.“

Quaaak! Die Tittels haben Froschlaich für ihren Seerosen-Teich mitgebracht. Die Frösche schlüpften, blieben und fühlen sich wohl. Einen Frosch von woanders mitzubringen, hätte nicht geklappt. "Die hauen ab", sagt Klaus Tittel.
Quaaak! Die Tittels haben Froschlaich für ihren Seerosen-Teich mitgebracht. Die Frösche schlüpften, blieben und fühlen sich wohl. Einen Frosch von woanders mitzubringen, hätte nicht geklappt. "Die hauen ab", sagt Klaus Tittel.

© Thilo Rückeis

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