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Auftakt der Protestwochen der Letzten Generation in Berlin-Kreuzberg am 19. April 2023.

© Imago/Jürgen Held

Update

„Unzählige Behinderungen“ für Rettungsfahrzeuge: Klimaaktivisten legen Berliner Verkehr am Montag zeitweise lahm

Die Gruppe „Letzte Generation“ protestiert bereits seit mehreren Tagen verstärkt in der Hauptstadt. Die Polizei geht mit einem Großaufgebot dagegen vor.

| Update:

Mehrere Straßenblockaden der Klimagruppe „Letzte Generation“ haben zum Wochenstart zu Staus und Behinderungen auf Berlins Straßen geführt. Der Bereich Charlottenburg-Wilmersdorf bildete nach Polizeiangaben einen Schwerpunkt.

Eine Polizeisprecherin sagte dem Tagesspiegel am Montagnachmittag, die Blockaden seien beendet. Im Laufe des Montags habe es insgesamt mehr als 40 Protestaktionen in der Stadt gegeben, bei denen Menschen auf der Straße standen, diese mit Autos blockierten, auf dem Asphalt festgeklebt waren und Transparente hielten. Seit etwa 14 Uhr befinden sich der Sprecherin zufolge keine Aktivisten mehr auf den Straßen. Einzelne Einsätze in Berlin gebe es noch, weil zum Beispiel noch Personalien von Protestteilnehmenden festgestellt werden müssten.

Innensenatorin Iris Spranger teilte am Montagnachmittag auf Twitter mit: „Bisher wurden rund 200 Personen an 35 Orten festgenommen.“ Die Zahlen seien allerdings noch nicht endgültig. Mindestens 40 Menschen kamen vorläufig in den Polizeigewahrsam Tempelhof. Um zu verhindern, dass die Aktivisten sich sofort wieder an Blockaden beteiligen, ist ein sogenannter Präventivgewahrsam möglich. Diese Maßnahme muss von einem Richter angeordnet werden. Der Gewahrsam darf in Berlin höchstens 48 Stunden dauern.

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Auf der A100 wurde der Verkehr zeitweise lahmgelegt. Autofahrer standen zwischen Dreieck Charlottenburg und Kreuz Schöneberg bis zu zwei Stunden im Stau, wie die Verkehrsinformationszentrale (VIZ) bei Twitter mitteilte. Der ADAC zählte in den frühen Morgenstunden bis zu 5-mal mehr Staus im Vergleich zur Vorwoche sowie eine Gesamtstaulänge von bis zu 30 Kilometer.

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Laut der Berliner Feuerwehr gab es in der Stadt „unzählige Behinderungen“ für Rettungsfahrzeuge. Teils seien andere Fahrzeuge herausgeschickt worden, weil einige nicht weiter kamen, sagte ein Sprecher. Laut Feuerwehr waren mehr als 15 Rettungswagen durch Klimablockaden behindert worden. In sieben Fällen seien die Einsatzkräfte auf dem Weg zum Notfallort gewesen. Zeitweise standen nur zehn Rettungswagen bereit. Am Montagmittag hatte sich die Lage leicht entspannt, der Rettungsdienst war aber noch immer im Ausnahmezustand.

Der Feuerwehr zufolge hatten auch die Blockaden einen Anteil daran, dass der Ausnahmezustand ausgerufen werden musste. Laut Deutscher Feuerwehr-Gewerkschaft konnte wegen der Blockaden „eine nicht unerhebliche Anzahl von Einsätzen und Einsatzstellen nachweislich nur verzögert erreicht werden“. 

Einsatz mit bis zu 500 Polizisten und einem Hubschrauber

Die Berliner Polizei war nach eigenen Angaben mit bis zu 500 Beamten und einem Hubschrauber im Stadtgebiet unterwegs, um die Blockaden zu verhindern beziehungsweise schnell zu beenden.

Nach Angaben einer Polizeisprecherin dauerte es teilweise länger als sonst, festgeklebte Demonstranten von Straßen zu lösen, weil diese einen anderen Kleber verwendeten. Beim Loslösen der Menschen komme es deshalb teils zu Beschädigungen des Asphalts, heiß es. Um einen festgeklebten Menschen von der Fahrbahn zu lösen, musste die Polizei etwa am Ernst-Reuter-Platz die Straße erst aufstemmen, wie auf einem Twitter-Foto zu sehen war.

Bei ihren Protesten nutzten die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ auch Fahrzeuge des Carsharing-Anbieters Miles. Sie stellten sie auf der Stadtautobahn ab und verschlossen sie. Auf Twitter reagierte das Unternehmen und distanzierte sich von der Aktion. Miles stellte klar, dass die Firma „nicht als Organisator oder Initiator an der Blockierung von Straßen“ agiere. „Bei missbräuchlicher Nutzung unserer Fahrzeuge folgen rechtliche Konsequenzen“, schrieb das Unternehmen. 

500
Polizeibeamte waren am Montag wegen der Klimablockaden im Einsatz.

Autofahrer reagierten teils aggressiv auf die Blockaden. Auf der A100 in Höhe Abfahrt Kurfürstendamm hatten Klimaaktivisten in Richtung Schöneberg den Verkehr mit drei Fahrzeugen ausgebremst. Nachdem sie erst langsam gefahren waren, stoppten sie laut Reportern der Deutschen Presse-Agentur (dpa) die Autos ganz und stiegen aus, um sich auf die Autobahn zu setzen. Wütende Autofahrer versuchten, sie von der Straße zu zerren.

Die „Letzte Generation“ zeigte ein Video auf Twitter, das einen Angriff auf zwei Aktivistinnen dokumentiert. Ein Mann packte die beiden Frauen an den Haaren und zog sie einige Meter über den Boden weg. „Diese Menschen wissen, dass sie sich einem Risiko aussetzen“, schreibt die Gruppe dazu. „Dennoch tun sie es, weil wir innehalten müssen. Auch wenn es wehtut.“

Außerdem soll ein wütender Passant an der Hauptstraße, Ecke Dominicusstraße, in Schöneberg einem filmenden Aktivisten das Handy aus der Hand geschlagen haben. Das berichtete ein Sprecher der „Letzten Generation“. Er sei dann von der Polizei abgedrängt worden.

Der Polizei seien einzelne entsprechende Fälle bekannt, sagte die Polizeisprecherin. Sie appellierte erneut an Verkehrsteilnehmer, nicht zur Selbstjustiz zu greifen, weil sie sich dadurch selbst strafbar machten. „Wir kommen und wir lösen die Situation“, betonte die Sprecherin.

Der Berliner Stressforscher Mazda Adli erklärte in der „Berliner Zeitung“, das Versperren des Weges löse bei Menschen enormen Stress aus. Der Ur-Instinkt der Verteidigung des Territoriums werde geweckt. So erkläre sich, dass einige Menschen völlig aus der Haut fahren. „Das sind Emotionen, die natürlich auch durch die Aktivisten eingeplant sind“, erklärte Mazda Adli.

Laut der Berliner Staatsanwaltschaft hat die Polizei bislang acht Vorfälle geprüft, bei denen Autofahrer Klimademonstranten angegriffen haben sollen. Bei der Staatsanwaltschaft seien davon bisher drei gelandet, zwei seien wegen unbekannter Täter eingestellt worden.

Verspätungen und Ausfälle auch im Busverkehr

Von der Verkehrsinformationszentrale hieß es, aufgrund der Proteste komme es auch im Busverkehr zu zahlreichen Verspätungen, Umleitungen, Ausfällen oder Einstellungen. „Wenn möglich, auf S+U Bahnen ausweichen!“, lautete die Empfehlung der VIZ bei Twitter.

Die „Letzte Generation“ teilte mit: „Unsere höchsten Erwartungen wurden deutlich übertroffen! An 27 Verkehrsknotenpunkten in Berlin kam es heute zu Protesten, drei Mal so viele wie noch im letzten Herbst.“ Die Gruppe hatte angekündigt, sie wolle versuchen, von Montag an die gesamte Hauptstadt lahmzulegen. Bis zu 800 Unterstützer sollten an Aktionen und Blockaden teilnehmen.

Seit vergangenem Mittwoch ist die Gruppe wieder verstärkt in Berlin aktiv. Am Wochenende gab es verschiedene Aktionen. So wurden etwa am Samstag Schaufenster dreier Geschäfte auf dem Ku'damm mit Farbe besprüht und am Sonntag mitten auf der gesperrten Stadtautobahn ein Konzert gegen deren geplanten Weiterbau veranstaltet.

Die Gruppe beklagt fehlenden Klimaschutz und verlangt die Einsetzung eines Gesellschaftsrats mit gelosten Mitgliedern. Sie fordert von der Politik einen Plan zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels, mit dem die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindert werden sollten.

„Wir nehmen nicht mehr hin, dass diese Regierung sich nicht an unsere Verfassung hält. Wir nehmen nicht länger hin, dass die Regierung keinen Plan hat, wie die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gestoppt werden kann. Wir leisten jetzt Widerstand!“, hieß es am Montag von der „Letzten Generation“.

Die Gruppe Scientist Rebellion erklärte ihre Solidarität mit der Gruppe. An den Straßenblockaden waren etwa 40 Mitglieder weiterer Klimagruppen beteiligt. Unterstützung sicherte auch die Partei Klimaliste Berlin zu. Scharfe Kritik kam von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): Bei den „Guerilla-Aktionen“ handele es sich um gezielte Straftaten. „Unser demokratischer Rechtsstaat ist nicht verhandelbar, auch nicht, wenn man versucht, seine Taten mit dem für uns alle relevanten Klimawandel zu legitimieren.“ (mit dpa)

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