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Stillgelegte und verwilderte Stammbahn-Strecke Berlin - Potsdam am ehemaligen S-Bahnhof Düppel.

© imago/Jürgen Ritter

Umdenken im Bund: Stammbahn zwischen Berlin und Potsdam soll reaktiviert werden

Von Potsdam über Kleinmachnow in wenigen Minuten ins Berliner Zentrum: Die Stammbahn kommt nun doch. Der Bund änderte dafür seine langfristige Planung.

Die Zahlen klingen verführerisch: In 15 Minuten von Kleinmachnow zum Potsdamer Platz oder in 18 Minuten vom Potsdamer Hauptbahnhof zum Rathaus Steglitz. Rechnungen, die die Initiative Stammbahn aufmacht und die nicht nur Pendler zwischen Berlin und Brandenburg verzücken dürften. Mit dem Auto wäre das niemals zu schaffen. Nachdem der Wiederaufbau der 1838 in Betrieb genommenen Stammbahn zunächst vom Tisch schien, ist das Thema nun wieder aktuell.

Wie das Bundesverkehrsministerium jetzt auf Anfrage mitteilte, wird die Stammbahn nach Rückmeldung der Länder Berlin und Brandenburg zum sogenannten zweiten Gutachterentwurf des Deutschlandtaktes „wieder als Regionallinie aufgenommen und ist damit in zukünftigen Arbeitsständen enthalten“.

Weiter heißt es aus dem Bundesministerium: „Um der wachsenden Metropolregion Berlin/Potsdam auch in Zukunft gerecht zu werden, sind im derzeitigen Gutachterentwurf Taktverdichtungen und Mehrverkehre zugrunde gelegt.“

Der Deutschlandtakt ist ein System, das es ermöglichen soll, bundesweit einen Integrierten Taktfahrplan einzuführen – einen Fahrplan, bei dem Regional- und Fernzüge in jeder Stunde zur gleichen Zeit abfahren und man an großen Bahnhöfen von jedem Zug in jeden anderen umsteigen kann.

Derzeit Grundlagenplanungen

Die Zahl der Bahnfahrgäste soll mit dem Konzept bis 2030 verdoppelt werden. Im ersten Entwurf dieses Taktes war die Stammbahn als Regionalbahnstrecke enthalten, im zweiten nicht mehr. Das hatte bei Landespolitikern, dem Fahrgastverband Pro Bahn und im Landesverkehrsministerium für große Kritik gesorgt.

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Zum Wiederaufbau der Stammbahn laufen derzeit Grundlagenplanungen. Die Bahn ist dem Konzernbevollmächtigten Alexander Kaczmarek zufolge dabei, eine Studie zu erstellen, wie viele Züge pro Stunde durch den Berliner Nord-Süd-Tunnel passen und wie die Fahrpläne dafür aussehen sollen.

Die Stationen der Stammbahn (rotes Plus anklicken zum Vergrößern).
Die Stationen der Stammbahn (rotes Plus anklicken zum Vergrößern).

© Tsp/PNN

Durch den Tunnel müssen die von der Stammbahn kommenden Züge; sie müssten sich die Gleise mit Fernzügen, Regionalzügen und dem künftigen Flughafenexpress teilen. „Ich habe aber wenig Befürchtungen, dass es nicht passt“, sagt Kaczmarek. Er setzt sich seit Jahren für einen Wiederaufbau der Strecke von Potsdam-Griebnitzsee über Kleinmachnow und Zehlendorf zum Potsdamer Platz in Berlin ein.

Im ersten Entwurf des neuen Deutschlandtaktes war vorgesehen, die Stammbahn nicht in ganzer Länge, sondern von Potsdam aus nur bis Schöneberg auszubauen. Dort sollte sie auf den Berliner Südring führen, Züge sollten so am Stadtzentrum vorbei zum Ostkreuz fahren können. Dafür müssten jedoch Gleise auf dem Südring wieder aufgebaut und elektrifiziert werden.

Investitionsprojekt i2030

Laut Kaczmarek war dieser Entwurf „nicht der Idealfall“. Schließlich wollten die meisten Pendler in die Berliner Mitte und nicht um die Mitte herum. Grund für diese Planung durch den Bund war die Befürchtung, dass zusätzliche Regionalzüge von der Stammbahn keinen Platz mehr im Berliner Nord-Süd-Tunnel hätten.

Die aktuelle Bahn-Studie zum Tunnel ist Teil der Untersuchungen im Rahmen des Investitionsprojektes i2030, mit dem Berlin, Brandenburg und die Deutsche Bahn die Verkehrsbeziehungen zwischen beiden Ländern verbessern wollen. Für die Region werden mehrere Varianten geprüft: So könnte auf der früheren Stammbahnstrecke eine S- oder eine Regionalbahn fahren.

Auch könnten Regionalbahnen auf einem weitgehend bestehenden Gleis von Potsdam nach Wannsee über Zehlendorf zum Potsdamer Platz fahren. Dann müsste ein kürzeres Streckenstück neu gebaut werden. Die Züge würden jedoch Kleinmachnow, Brandenburgs bisher größte Gemeinde ohne Bahnanschluss, weiterhin umfahren.

Geprüft wird zudem eine Verlängerung der S-Bahn von Teltow zur Sputendorfer Straße in Stahnsdorf. Federführend für diese Untersuchungen ist der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB). Er sieht keine Auswirkungen des Deutschlandtaktes auf seine Pläne, heißt es Wann eine Entscheidung für eine Ausbauvariante fällt, ist offen – auch wenn die Untersuchungen bereits im Oktober 2017 begannen.

Sowohl der Fahrgastverband Pro Bahn als auch die Bürgerinitiative Stammbahn, die sich seit zwei Jahrzehnten für den Wiederaufbau der im Jahr 1945 unterbrochenen Bahnstrecke einsetzt, kritisieren angesichts der langen Planungsphasen die brandenburgische Landesregierung, die sich beim Bund nicht genug für den Wiederaufbau der Stammbahn einsetze.

„Es geht um eine Ergänzung des Zug-Angebotes für die Pendler aus Brandenburg, die täglich in überfüllten Zügen nach Berlin-Mitte und zurück fahren müssen“, sagt Hubertus Bösken, Sprecher der Bürgerinitiative Stammbahn. (mit cse)

Enrico Bellin

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