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Todestag: Walter Leistikow starb vor 100 Jahren

Der Kaiser mochte den Maler nicht. An der Hochschule für bildende Künste wurde Leistikow gar wegen Talentmangels entlassen. Trotzdem stieg er auf zu einem der beliebtesten Maler Berlins. Am 24. Juli jährt sich sein Todestag.

Seine Majestät war ganz und gar nicht amüsiert. Erst verstopfte ihm dieser impertinente Museumsdirektor Hugo von Tschudi die Räume der Nationalgalerie mit französischen Impressionisten. Und dann wagte es der Kerl auch noch, ihm bei einer Museumsvisite, kaiserlichen Einwänden vorgreifend, Walter Leistikows vermaledeiten „Grunewaldsee“ zu präsentieren. Leistikow selbst – man hatte es ihm zugetragen – wusste zu berichten, der Kaiser habe ihn einen „Anarchisten“ geschimpft, „den ganzen Grunewald hat er versaut“.

Es ist also, wenn man so will, durchaus im kaiserlichen Sinne, dass zum Schuljahresende die Zehlendorfer Leistikow- Hauptschule schloss und der Name aufgegeben wurde, zufällig genau in den Wochen, in denen sich der Tod des Namensstifters zum 100. Mal jährt. Die zu diesem Jubiläum im Herbst geplante Ausstellung „Stimmungslandschaften“ im Bröhan- Museum fände Wilhelm garantiert unpassend, und für die Restaurierung des Leistikow-Grabes auf dem Steglitzer Friedhof an der Bergstraße hätte er seine Privatschatulle keinen Spalt geöffnet.

Einer wie Wolfgang Holtz dagegen macht das schon. Seit langem hat sich der mittlerweile pensionierte Lehrer der Erforschung der Geschichte der Stadt und besonders des früheren Bezirks Steglitz verschrieben, war Vorsitzender des dortigen Heimatvereins. Anfang der 90er Jahre hatte sich Holtz mit Erfolg dafür starkgemacht, dass die Ruhestätte Leistikows ein Ehrengrab erhielt. Der Grabstein blieb dabei der alte, eine nun fast 100 Jahre alte Steinmetzarbeit. In Eigeninitiative haben nun Holtz und seine Frau den Stein restaurieren lassen, abgestimmt mit der Friedhofsverwaltung und den letzten, weit weg von Berlin lebenden Verwandten des Malers. 2500 Euro kostet ihn dies, auch ein neues Fundament ist dafür drin, und morgen, am 24. Juli, dem Todestag, organisiert Holtz noch eine Gedenkveranstaltung in der Trauerhalle des Friedhofs.

Der 1865 in Bromberg, Provinz Posen, geborene Leistikow war 1883 nach Berlin gekommen, um sich hier zum Maler ausbilden zu lassen, fand sich in dem konservativ-akademischen Kunstbetrieb aber nicht zurecht und wurde nach einem halben Jahr aus der Hochschule für bildende Künste entlassen – wegen angeblichen Talentmangels. Seinen Drang zur Malerei bremste das nicht, er fand Privatlehrer, begann nach der vierjährigen Ausbildung seine Arbeiten in der Königlichen Akademie der Künste auszustellen, wurde bald selbst Lehrer und mit Landschaftsbildern ein gefragter Künstler.

Mit der Akademiemalerei hatten die Bilder wenig gemein, und eines der Werke, das 1895 entstandene, den Kaiser so ärgernde „Grunewaldsee“, wurde zur Initialzündung für den Bruch in der hiesigen Kunstszene, die Gründung der Berliner Secession im Mai 1898. Sie hatte sich allmählich angedeutet: Sechs Jahre zuvor war die Vereinigung der XI gegründet worden, ein Zusammenschluss moderner Künstler, die sich neue Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten für ihre vom etablierten Kunstbetrieb ignorierten Arbeiten versprachen. 1892 war auch das Jahr der Munch-Affäre, als die Ausstellung des norwegischen Malers beim Verein Berliner Künstler auf Initiative des Vorsitzenden Anton von Werner vorzeitig beendet wurde – nach einer Kampfabstimmung mit knapper Mehrheit. Aber den letzten Anstoß zum Bruch in der Berliner Künstlerschaft gab Leistikows „Grunewaldsee“. Der Maler wollte das Gemälde 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung zeigen, die Jury lehnte es ab. Wenige Monate später wurde die Berliner Secession gegründet, mit Leistikow als „Vater“ und „treibender Kraft“, wie Liebermann sagte, und ihm selbst als Präsidenten.

Die Aversion des Kaisers gegen Leistikows Werke hat dem Maler nicht geschadet. Das umstrittene Gemälde kaufte der Bankier und Mäzen Richard Israel und schenkte es 1898 der Nationalgalerie, wo es noch heute hängt. 1905 ließ die Zeitschrift „Die Woche“ den beliebtesten Maler Berlins ermitteln, Leistikow kam auf Platz 2 – nach Menzel. Damals war er schon schwer an Syphilis erkrankt, hatte mit immer heftigeren Krankheitsschüben zu kämpfen. Die Lage wurde für ihn immer hoffnungsloser, und am 24. Juli 1908, während eines Aufenthalts im Sanatorium Hubertus in Schlachtensee, erschoss er sich. Andreas Conrad

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