zum Hauptinhalt
Fadi Saad

© Heinrich

Lebensweg: Vom Kriminellen zum Vorbild

Mit 14 war Fadi Saad kriminell, mit 15 kam er für ein Wochenende in die Jugendstrafanstalt. Das veränderte sein Leben. Heute ist er Quartiersmanager in Berlins berüchtigten Rollbergviertel – und er hat ein Buch über seinen Weg geschrieben.

Zeltstangen liegen durcheinander auf dem Boden. Drei dunkelhaarige junge Männer mit ratlosen Gesichtern, die Hände in den Hosentaschen, stehen dazwischen herum - vor dem Gemeinschaftshaus Morus 14 in Neukölln. Ohne Fadi Saad, 29, Quartiersmanager, ehemaliger krimineller Jugendlicher und frisch gebackener Buchautor, läuft hier gar nichts. Kaum ist Saad wieder bei seinen Helfern, zeigt er auf die nummerierten Stangen, gibt knappe Anweisungen: "Die Zwei und die Drei da hin, die fünf darüber. Challas." Das letzte Wort ist arabisch und heißt "Schluss jetzt". Dann packt er mit an, Zigarette im Mundwinkel. Schnell wird aus Stangen und Plane ein Partyzelt.

Es ist Mittwochvormittag. Fadi Saad bereitet seinen großen Auftritt vor: Gleich wird er im Gemeinschaftshaus an der Morusstraße das Buch seines Lebens vorstellen: "Der große Bruder von Neukölln. Ich war einer von ihnen - vom Gang-Mitglied zum Streetworker" (Herder Verlag). Es ist nicht das erste über den "Problemkiez Neukölln" und "jugendliche arabische Straftäter". Zurzeit gibt es viele Neuerscheinungen zu dem Thema. Zum Beispiel den Roman "Arabboy" von der ehemaligen Sozialarbeiterin Güner Balci. Das Buch liest Saad gerade. Darin wird ein arabischer Junge zum Intensivtäter und stirbt beim einem Unfall, nachdem er aus Deutschland abgeschoben worden ist. Zwar ist es ein Roman, aber nicht weit von der Realität entfernt, sagt Saad. Auch mit ihm selbst hätte es böse enden können. "The Araber Boys 21" hieß die Weddinger Gang, mit der er als Jugendlicher herumzog, Leute mit Messern bedrohte, sie ausraubte und krankenhausreif prügelte.

Inzwischen ist er eine Respektsperson im Viertel

Er sei damals von den "echten Palästinensern" in der Gang fasziniert gewesen. Er selbst hat einen deutschen Pass, seit er in die Oberschule wechselte. "Ich habe damals nach meinen Wurzeln gesucht." Inzwischen hat er für sich herausgefunden, er sei weder Araber noch Deutscher. Sondern gehöre zu einer dritten Kultur: "Ich bin ein Deuraber." Eine Mischung. Schließlich sei auch seine Sprache ein Mix aus deutsch und arabisch. Saads Vater war lange vor der Geburt des Sohnes aus einem Palästinenserlager im Libanon nach Berlin geflüchtet, brachte seinen Kindern Deutsch bei und hatte - anders als die Eltern der anderen Gangmitglieder - immer Arbeit. Trotzem häuften sich die Strafanzeigen gegen Fadi Saad, noch bevor er 14 wurde. Mit 15 kam er in die Jugendstrafanstalt Kieferngrund. "Es war grauenvoll", schreibt er. "Ich kam mir so erniedrigt vor." Ein Wochenende nur blieb er in der kargen Zelle. Das veränderte sein Leben. Er vernichtete die Jacke mit dem Aufnäher der Gang, suchte sich neue Freunde. Wurde Mitglied bei den den ehrenamtlichen "Guardian Angels", die für Ordung in der U-Bahn und auf Berliner Straßen sorgen. Machte eine Ausbildung zum Bürokaufmann und wurde nach einigen Umwegen Quartiersmanager im Rollbergkiez. Er heiratete eine Deutsche und bekam mit ihr zwei Kinder. Seit fünf Jahren arbeitet er im Gemeinschaftshaus Morus 14. Sein Job: "Die Defizite im Kiez ausgleichen, eine Schnittstelle zwischen Stadtplanung und Sozialarbeit sein."

Mit seinem wiegenden, breitbeinigen Gang und dem grimmigen Blick im Lausbubengesicht ist Fadi Saad mittlerweile eine Respektsperson im Viertel. "Aamu" - Onkel, nennen ihn die arabischen Jugendlichen. "Abi", großer Bruder, die türkischen. Auch damals in der Gang ging es ihm vor allem um Anerkennung, und die bekam er, indem er Furcht verbreitete. "Robin Hood" hätte man ihn damals auch genannt, sagt er. Er habe oft Leute verprügelt, weil sie Schwächere bedrohten. Inzwischen habe er jedoch gelernt, seine "Probleme verbal zu lösen." Nicht nur im Rollberg-Kiez, sondern sogar als Gast in Fernseh-Talkshows, etwa bei Anne Will, oder vor einiger Zeit im Elysee-Palast in Paris, wo er mit dem ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac und Angela Merkel über Migration in Europa sprach.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false