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Panther

© Britta Pedersen (dpa)

Zoos: Kapital mit Kuschelfaktor

Statt Dividende gibt’s gute D-Mark-Tradition: Die Teilhaber von Zoo und Tierpark trafen sich im Friedrichstadtpalast

Wenn Aktionäre zusammenkommen, dann geht es um Zahlen: Um Bilanzen, Kurssteigerungen, Gewinnrücklagen, Jahresüberschüsse. Ziemlich trockene Materie. Vielleicht hat sich die Zoologischer Garten Berlin Aktiengesellschaft deshalb ausgerechnet den Friedrichstadtpalast ausgesucht, um ihre Hauptversammlung abzuhalten. Denn hier ist sonst das volle Kontrastprogramm zu haben: Paillettenglitzern, lange Beine, Federboas und Wasserfontänen, die nach Unterhaltung dürstende Seelen bespritzen. Doch vergebliche Liebesmüh, der Geist des Ortes hat gegen die harte Realität einer soliden Bilanzstruktur oder eines ordentlichen Satzungsänderungsantrags nicht den Hauch einer Chance. Und so absolvieren die Aktionäre eine Tagesordnung, die so trocken ist, dass der Staub von den Wänden rieselt.

Wenn schon Zahlen, dann wenigstens schwarze, mag sich Gabriele Thöne, die im zweiköpfigen Vorstand der AG den kaufmännischen Part innehat, gedacht haben, und präsentiert ein „erfolgreiches Geschäftsjahr“ mit einem Überschuss von 1,6 Millionen Euro. Die Aktionäre haben davon wenig, denn eine Dividende wird nicht ausgeschüttet. Bei der Zoo-Aktie ist manches anders als in der richtigen Wirtschaft. Die Aktiengesellschaft ist gemeinnützig, das Land Berlin führt die staatliche Aufsicht. Das Grundkapital verteilt sich auf rund 4000 Aktien, die sehr teuer sind und in der Regel vererbt werden. Im Moment kostet eine Aktie 2550 Euro. Gehandelt werden sie aber immer noch in D-Mark, ein rührender Umstand, der deutlich macht, dass es hier viel mehr um Bewahrung von Traditionen geht und erst sekundär um einen echten Wirtschaftskreislauf.

Die wichtigste Person fehlt. Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz lässt sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen, und jeder weiß warum. Ein Schimpanse hat ihm den größten Teil seines Zeigefingers abgebissen. Und so bleibt es Gabriele Thöne überlassen, Blaszkiewitzs Rede vorzulesen. Sie klingt nicht danach, als sei bei ihm irgendein Groll auf seine Tiere zurückgeblieben. Im Gegenteil, freudig wie ein frischgebackener Vater berichtet er vom regen Tierleben des Zoos. Vor allem die Antilopen hätten nicht enttäuscht und zahlreiche Nachkommen geboren. Fruchtbar wie immer seien die Rinder gewesen, genauer die Bisons und Rotbüffel, auch von der schwarzen Brüllente, den Raubkatzen wie Panther oder Jaguare, dem mittelamerikanischen Tapir oder dem Spitzennashorn weiß er Erfreuliches zu berichten. Nicht immer war der Zuwachs hauseigen, ein amerikanischer Wüstenbussard ist dem Zoo zugeflogen, woher, das bleibt offen. Natürlich sind auch Abgänge zu beklagen, ein alter Puma noch aus DDR-Zeiten ist gestorben, die Eisbärin Tosca hat wieder ihre beiden Jungen getötet und zwei kanadische Biber sind, wie es auf einer deutschen Hauptversammlung korrekterweise heißen muss, „im Berichtsjahr verendet.“ Knut, den Superstar, der auch Blaszkiewitz zu bundesweiter Bekanntheit verholfen hat, erwähnt er nur kurz: Er würde sich zu einem stattlichen Halbstarken entwickeln.

Die Tiere sind nicht die einzigen, die Farbe zurück in den Friedrichstadtpalast bringen. Auch einige Aktionäre fallen aus dem Rahmen. Einer trägt einen stolz gezwirbelten Schnauzbart im Franz-Joseph-Stil und beklagt sich, dass ein Vogelstrauß zu Tode gequält worden sei. Ein anderer erinnert mehrfach daran, dass er die Aktie von seinem Großvater geerbt habe und verliert sich bei der Begründung eines Gegenantrags zur Satzungsänderung wortreich im Detail. Ein Dritter tritt in ranzigen Jeans und langen grauen Haaren auf, bezeichnet sich als „Private Dancer“ und „Altindianer“, empfiehlt dem Zoodirektor Nachhilfe bei den Tierpflegern und wirft dem Vorstand vor, dass er sülzen würde, ohne zu merken, wie er selbst sülzt. So dreht sich die Veranstaltung im Kreis, bewegt sich langsam auf die Neuwahl des Aufsichtsrats zu räumt dann den Saal. Abends muss schließlich wieder Platz sein für die langen Beine.

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