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Mentalist Jan Becker: "Ein Mann wie ein Regelbruch"

Er ist der Gewinner der Hokuspokus-Fernsehshow "The next Uri Geller". Der Magier Jan Becker behauptet von sich selbst, keine übersinnlichen Fähigkeiten zu haben. Und dennoch scheint es, als könne er mühelos Gedanken lesen.

Jetzt aber wachsam sein. Da vorne sitzt der „Mann wie ein Regelbruch“, wie sich Gedankenleser Jan Becker vollmundig in seiner Eigenwerbung nennt. Lichtscheu ist er jedenfalls nicht. Ein Sonnenbrand glüht auf der Nase. Der Magier sitzt im Café Gagarin am Kollwitzplatz und notiert was in ein schwarzes Büchlein. Nein, keine paranormalen Zauberformeln, sondern Ideen für eine neue Show.

Den Mond liebt der Romantiker genauso wie die Sonne. Deshalb trägt er auch den rasierten Halbmond auf dem blanken Mentalistenschädel. Am Arm prangt eine tatöwierte Mond-Tarotkarte. „Für das Geheimnisvolle, Unterbewusste“, teilt der Gewinner der Hokuspokus-Fernsehshow „The Next Uri Geller“ mit. Er und der ebenfalls fernsehbekannte Bestsellerautor Thorsten Havener sind derzeit die Stars der deutschen Gedankenleser-Gilde. Beide kommen aus Saarbrücken, sind eher höflich als dämonisch und unterhalten und manipulieren bundesweit restlos ausverkaufte Säle. Auch die inzwischen fünfte Soloshow „Arcanum – Das Geheimnis“ des Wahlberliners Jan Becker Pfingstsonntag im Admiralspalast ist wieder gut gebucht. Das Geschäft mit der Illusionskunst geht gut in unsicheren Zeiten. Sogar im Fernsehen ermittelt ja inzwischen ein Mentalist.

Ist das eigentlich ein Lehrberuf? „Nee“, sagt Jan Becker, 33, „eine Leidenschaft, oder auch ein Defizit: Ich kann nichts anderes.“ Und dann erzählt er, dass er schon als Kind von Magie und dem Buch „Das Gedankenlesen“ des legendären Berliner Illusionisten Erik Jan Hanussen fasziniert war, dem er auch die neue Show widmen will. Doch weil Jan Becker ein Profi-Mystiker und patenter Plauderer ist, sind sicher alle Angaben „ohne Gewähr“. Sein Alter, 33, klingt immerhin glaubhaft. Wie vieles andere, was Becker erzählt und vorführt. Schließlich macht ein Show-Scharlatan wie er gerade deshalb so viel Spaß, weil man nie weiß, ob nur Windiges oder nicht doch auch Wahres im Spiel ist.

Über das Wort „Scharlatan“ amüsiert Jan Becker sich sichtlich. „Ich habe keine übersinnlichen Fähigkeiten“, bekennt der Mentalist, der sich als Unterhaltungskünstler versteht und nicht etwa als Seelenklempner. Die emotional ausgehungerten Studiogäste von Uri Gellers Mentalistenshow, die von Beckers gebetsmühlenartig wiederholten Wohlfühlformeln wie „Wir sind alle Herzwesen“ oder „Das ist dein Applaus“ regelmäßig zu Tränen gerührt waren, sahen das offensichtlich anders. Sind Kunststücke wie Lebensgeschichtenraten oder Menschen Dinge finden zu lassen nicht doch gefährliche Volksverdummung? „Nein, nur ein großes Spiel“, spricht Becker und beteuert: „Ich suche keine Jünger, sondern ein mündiges Publikum.“ Trotzdem hat ihn schon mal ein Fan mitten auf der Bühne des Admiralspalastes um Lebenshilfe gebeten. Den verwies er nach der Show doch lieber an einen Psychiater.

Was Jan Becker nach Berlin verschlagen hat? „Die Liebe“, sagt er. Bei einem Gastspiel vor fünf Jahren im Varieté Wintergarten verguckte er sich in die Studentin, die Zigaretten und Süßigkeiten verkaufte. „Der Magier und das Bauchladenmädchen“, grinst er, und es klingt wie sein erster Buchtitel. Das will er allerdings lieber mal über seine Reisen schreiben, bei denen er nach alter Magiersitte gerne Kontakte zu örtlichen Schamanen sucht.

Bleibt ja eigentlich nur noch herauszubekommen, wie Jan Becker es schafft, unschuldige Menschen im Fernsehen zu bestimmten Handlungen zu bringen, eine irgendwo in Berlin versteckte Stecknadel zu finden oder das Konto des Schauspielers Ben Becker abzuräumen. Mal abgesehen von einfachen Mentalistentricks, die man im Internet nachlesen kann, müssen Showtalent, geschulte Beobachtungsgabe und ausgeprägte Intuition des Gedankenlesers als Erklärung reichen. Mehr verrät er nicht. Nur, dass er, ähnlich wie weiland Hanussen, die unwillkürlichen Muskelbewegungen, die menschlichen Handlungen vorausgehen, zu lesen verstünde.

So mitten im Café die Gedanken seines Gegenübers lesen will Jan Becker aber nicht. Stattdessen fordert er dazu auf, intensiv an eine Zahl zwischen eins und hundert zu denken, die mit der übereinstimmen soll, die Becker auf einen Block geschrieben hat, der jetzt umgeklappt auf dem Tisch liegt. 47, 47, 47, denkt das Hirn. Der Gedankenleser tippt an die Stirn. Jetzt aber flott umentschieden und laut „48“ gesagt. Und was steht auf dem aufgedeckten Block? Verflixt: 48! Wie hat der das bloß gemacht? Mit den Augen 48 ins Hirn gemorst, den Block unbemerkt bekritzelt, während man ihn wie befohlen fixierte und die Zahl sprach? Null Ahnung. „Nicht zu viel drüber grübeln“, tröstet der Dämon im Männerkostüm und reicht triumphierend die Hand.

Admiralspalast, Pfingstsonntag, 31.5., 20 Uhr, 25 Euro

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