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"Smart City": Auf der Suche nach der digitalisierten Modellstadt.

© imago/Ikon Images

Stadt der Zukunft: Wie smart wollen wir leben?

Barcelona macht es vor, und auch Berlin hätte beste Voraussetzungen, eine digitalisierte Modellstadt zu werden. Aber der Senat zögert und zaudert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Die intelligente, vernetzte Stadt der Zukunft, die „Smart City“, ist voller Verheißungen: Ausgestattet mit einer anpassungsfähigen Infrastruktur, steuert sie das öffentliche Leben auf der Basis von Bewegungs- und Verhaltensdaten ihrer Bürger bequem, effizient und ressourcenschonend. Ein Traum. Aber wer steuert die Steuerung? Und, am Ende, zu wessen Gunsten und auf wessen Kosten? Die „Smart City“ kann leicht zum Albtraum werden, wenn sie regiert wird von den Feudalherren unserer Zeit, den Tech-Giganten, die unsere Daten ausbeuten und uns immer mehr wie Marionetten durchs Leben laufen lassen.

Städte bieten, im Gegensatz zu kleineren Orten, stets ein Freiheitsversprechen: mehr Möglichkeiten, weniger soziale Kontrolle. Kann eine auf gnadenlose Effizienz getrimmte Konglomeration, die jeden Schritt, jede Entscheidung ihrer „Kunden“, früher als Bürger bekannt, mit Kameras beobachtet, mit Sensoren misst, berechnet und lenkt, noch so ein Ort der Freiheit sein? Oder kann eine „Smart City“ auch funktionieren, ohne die Individualität ihrer Bewohner einzuschränken, ohne ihnen ein standardisiertes Verhalten aufzuzwingen?

Es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen einer solchen Stadt. Im Silicon Valley planen Technologie-Riesen die Gründung privatwirtschaftlicher „Smart Citys“. In Barcelona dagegen strebt die Stadtverwaltung eine staatlich gelenkte Digitalisierung an: „Räuberische“ Geschäftsmodelle wie die von Airbnb und Uber werden durch Regulierung zurückgedrängt, die Bürger sollen die Souveränität über ihre Daten erhalten und selbst entscheiden, welche sie der Kommune für welche Zwecke zur Verfügung stellen. Und was macht Berlin?

Wer entwirft die Strategie?

Die Stadt hat eigentlich beste Voraussetzungen, eine digitalisierte Modellstadt zu werden: Es gibt ein Neubauprogramm, das sich mit den Ideen einer intelligenten Stadt hervorragend verbinden lässt. Es gibt ein Nahverkehrsnetz, das der wachsenden Einwohnerzahl anzupassen ist. Es gibt eine Verwaltungs-IT, die von Grund auf erneuert werden muss. Es gibt die Verpflichtung zu nachhaltiger Energiepolitik. Es gibt einen Rekordüberschuss, der Investitionen erlaubt. Es gibt ein digitales Know-how wie kaum irgendwo sonst. Aber gibt es auch jemanden, der das alles vorantreibt, die Vorhaben bündelt, eine Strategie entwirft?

Wer in den Koalitionsvertrag schaut, findet dort eine „BerlinStrategie 2030“: „Für die Transformationsräume werden Umsetzungsstrategien erarbeitet“, heißt es da, und: „Es werden Ansätze für eine Smart City Berlin integriert.“ Wer im Senat fragt, wer für die Digitalisierung verantwortlich ist, bekommt zu hören: „Alle Ressorts sind verantwortlich“, und das bedeutet: niemand so richtig, jedenfalls nicht konzentriert. In Barcelona hat die Stadtregierung dafür ein eigenes, großes Ressort mit weitreichenden Kompetenzen und dem Posten des „Digital Innovation Commissioner“. Eine der Aufgaben: die Diskussion über die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, in die Stadtgesellschaft zu tragen. Von einer „Revolution im Rathaus“ sprechen sie dort.

In Berlin aber wird gezögert und gezaudert, werden Risiken gescheut und Chancen vertan. Dabei ist auch dem Regierenden Bürgermeister klar, was geschehen muss: „Es fällt uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir über eine andere Struktur nachdenken.“ Aber nur nachdenken, ohne zu handeln – das ist nicht smart.

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