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Marathon-Läufer auf der Straße des 17. Juni (Archivbild).

© dpa

Berlin-Marathon: Spurten zur Startnummer

Sie drängten und quengelten, bis die gestrengen Ordner sie endlich auf die Marathon-Messe am Airport Tempelhof ließen, um ihre Startnummer abzuholen.

Mathew, 27, aus Manchester sitzt neben seiner Schwester Alice auf dem Boden im Vorraum des stillgelegten Airports Tempelhof. Irina, 41, aus einer Kleinstadt nahe Moskau steht sich mit Tochter Nastasia lieber die Beine in den Bauch. Vor ihnen haben sich Sicherheitsleute aufgebaut und versperren ihnen den Zutritt zur Messe. Hinter ihnen feixen Franzosen. Sie alle wollen nur das eine: die Startnummer für den 41. Berlin Marathon, das Bandel, das kein Läufer mehr bis Sonntag vom Armgelenk streifen darf und den durchsichtigen Kleiderbeutel für Handtuch, Duschzeug und Straßenkleidung, die im Ziel bereitliegen – wenn es endlich vollbracht ist und die Medaille um den Hals baumelt.

Punkt 14 Uhr, das Tor geht auf

„I lov’ it“, raunt Mathew und startet durch, als die Ordner um Punkt 14 Uhr zur Seite weichen. An Kirstin Perry, „from St. Louis, Missouri“, vorbei, die hier für die beiden Kinderteams der „Berlin-Brandenburg International School“ aus Kleinmachnow aufgeschlagen ist: Ihre Schützlinge laufen den Mini-Marathon. Zu den Flughafen-Hangars drängt es alle, eiligen Schrittes, als ob heute schon der Startschuss fiele. Dabei geht es jetzt erst mal ums Geschäft: Der Autosponsor feilt am Image: In einen Hybridflitzer steigt ein Läufer ein, „und nach dem Zieleinlauf geht’s ins Autohaus?“ – „aber nur wenn er gewinnt mit der Siegerbörse“, sagt sein Compagnon.
Hoffnungslos ausgebucht ist der Marathon: 74.000 wollten starten, nur 40.000 dürfen in den streng abgeriegelten Startraum am Sonntag um 9 Uhr – das Los hat entschieden. Seit dem ersten Berliner Lauf 1974 ist die Bestzeit für die gut 42,195 Kilometer lange Strecke um fast eine Dreiviertelstunde zusammengeschrumpft auf zwei Stunden und drei Minuten. Aber die allermeisten Läufer, drei Viertel der Starter, sind mehr als fünf Stunden unterwegs.

Zauberwerk braucht's

Und allerlei Zauberwerk braucht’s dafür: Sportuhren und Stützstrümpfe, Energiepasten und Berlin-Capes, Funktionsshirts oder ein 360-Grad-Foot-Scan – was nicht so alles helfen kann, damit sich’s leichter läuft und die Kassen klingeln. Draußen auf dem Flugfeld kann man eine Runde drehen, Würstchen fassen und ein Bier, mit oder ohne. Der eigentliche Renner aber ist die Schautafel in der Abfertigungshalle, abseits des Rummels: Auf blauem Grund sind die Capitole der Laufbewegung genannt mit Streckenverlauf und Startfoto: New York, Boston, London, Tokio – und natürlich Berlin. Unter der Tafel baut sich der Marathon-Tourist auf, er lächelt, zeigt mit dem Finger auf den Schriftzug und lässt sich fotografieren. Wie sagte der wohl berühmteste Wahlberliner mit Wohnsitz in Schönebergs Hauptstraße noch gleich: „We can be heroes, just for one day“.

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