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Archäologen der Freien Universität und des Landesdenkmalamtes graben seit dem Sommer auf dem Tempelhofer Feld, auf der Suche nach Resten des ehemaligen NS-Zwangsarbeiterlagers. Foto: dapd/Zihnioglu

© dpa

Ausgrabungen: Spuren der Nazizeit unter dem Tempelhofer Feld

Archäologen legen auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof Spuren der Nazizeit und der Alliierten frei. Im kommenden Jahr wird auch nach Überresten eines Konzentrationslagers gesucht.

Archäologen haben auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof Überreste des ehemaligen „Lilienthal“-Zwangsarbeiterlagers der Lufthansa aus dem Zweiten Weltkrieg freigelegt. Die Grabungen bilden für die Archäologen den Auftakt zum Themenjahr unter dem Motto „Zerstörte Vielfalt – Berlin in der Zeit des Nationalsozialismus“ 80 Jahre nach Hitlers Machtübernahme, sagte Landeskonservator Jörg Haspel.

Die Baracken des Zwangsarbeiterlagers befanden sich östlich der Zufahrt zu den im Zweiten Weltkrieg zerstörten, alten Flughafengebäuden am Columbiadamm. Dort waren Zwangsarbeiter vorwiegend aus Osteuropa, aber auch Frankreich, Belgien und den Niederlanden einquartiert – unter teils menschenunwürdigen Bedingungen. Jetzt gefundene Nägel deuten darauf hin, dass die Wände der vermutlich bei den Bombenangriffen im Winter 1942/43 zerstörten Baracken nur etwa sieben Zentimeter dick waren, so Reinhard Bernbeck, Leiter des Instituts für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität. Umfangreiche Überreste wurden von dem aus Betonfertigteilen konstruierten Splittergraben freigelegt, der den Zwangsarbeitern der Tempelhofer Lufthansa-Werkstätten bei Angriffen Schutz bieten sollte.

Die Fundstücke stammen vorwiegend aus einem offenbar kurz nach der Flugplatzübernahme durch die US-Streitkräfte verfüllten Feuerlöschteich. Bestecke aus dem einstigen Mitropa-Flughafenrestaurant und ein alter Flugzeug-Drehzahlmesser gehören ebenso dazu wie ein offenbar aus dem Lager stammender Emailletopf, ein beschädigtes Flugzeugmodell, Tuben einer Salbe, mit der sich die GIs vor Geschlechtskrankheiten schützen sollten, und das hintere Fahrgestell eines C-47-Rosinenbombers. Keine nennenswerten Funde gab es dagegen bei einer Grabung im Bereich der alten Flughafengebäude. Deren Ruinen waren von den Amerikanern nach 1945 offensichtlich gründlich beseitigt worden, sagte Grabungsleiter Jan Trenner.

Die Grabungen von Experten des Landesdenkmalamtes und des FU-Instituts kosteten bisher rund 150 000 Euro. Sie sollen im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Dann soll auch nach Überresten des KZ „Columbiahaus“ und des „Richthofen“-Gemeinschaftslagers gegraben werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung arbeitet an einer entsprechenden Verlängerung der Kooperationsvereinbarung mit dem Institut, Grün Berlin und der Tempelhof Projekt GmbH.

Eine Expertengruppe unter Leitung des Direktors der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama, soll ein Gedenkstättenkonzept für das Flughafenareal erarbeiten. Zunächst ist ein historischer Pfad geplant, erklärte Haspel. 2013, wenn sich die Machtübernahme durch die Nazis zum 80. und die Reichspogromnacht zum 75. Mal jähren, soll auch der Tag des Denkmals auf diese Daten ausgerichtet werden. „Dabei wird Tempelhof eine zentrale Rolle spielen“, kündigte der Landeskonservator an. Haspel wünscht sich überdies einen deutschlandweiten Verbund der erhaltenen Monumentalbauten aus der Nazizeit, vom „Kleiderbügel“ des Flughafens Tempelhof bis zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.

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