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Abfall zu Lifestyle. Georg Wächter, ein Bewerber um den „Green Product Award. Seine Firma KGO Sports in Berlin-Lichtenrade bietet Springseile der Marke „Edelkraft“, gesponnen aus Plastikgarn weggeworfener PET-Plastikflaschen.

© Sven Darmer

Sportgeräte aus Plastikflaschen, Pasta-Verpackung zum Essen: Die kuriosesten Erfindungen beim „Green Product Award 2021" in Berlin

Berliner Unternehmen haben verblüffende Produkte und Verfahren entwickelt, die ressourcenschonend sind. Die besten werden bis Sonntag per Abstimmung gekürt.

Essbare Nudelverpackungen, die man statt in den Plastikmüll mit ins kochende Wasser werfen kann, Kleidungsstücke aus Baumrinde, Bio-Zahnputzpulver für Kinder und flexible Tinyhouses: Das sind nur einige der Produkte und Konzepte, die Studierende und Start-Up-Unternehmerinnen und Unternehmer aus Berlin zum diesjährigen „Green Product Award“ und „Green Concept Award“ eingereicht haben. Das sind international vergebene Auszeichnungen für nachhaltigere Produkte, Herstellungs- und Designprozesse, die der Berliner Nils Bader mit seiner Tempelhofer Agentur für nachhaltige Innovation, Kommunikation und Marktanalyse „White Lobster“ seit zwölf Jahren vergibt.

Bader möchte grünes Wirtschaften stärken und umweltbewusst agierende Ökonomen, Ökologen und Visionäre aus Berlin und aller Welt vernetzen. Bei der aktuellen Runde läuft die öffentliche Publikumsabstimmung für die „Green Awards“ noch bis Sonntag, 14. Februar.

„In diesem Jahr haben wir schon knapp 1500 Einreichungen aus 51 Ländern, online wurden mehr als 54.000 Stimmen abgegeben“, sagt Nils Bader. Zu den Bewerberinnen für den „Green Product Award“ aus Berlin gehörten auch Glynn Ryland und Stefanos Pantelas mit ihrer fair hergestellten Akupressurmatte „Shaktimat“. Timm Bergmann hat sein Prototyp-Holz-Tinyhouse „Small but fine“ eingereicht. Und die in der Region erstellte Internet-Plattform „MTMfair“ ist als „globale Handelsplattform für Nachhaltige Interior- & Lifestlyeprodukte“ dabei. Die soll Verbaucherinnen und Verbrauchern Alternativen zum herkömmlichen Internethandel aufzeigen.

Akupressur to go. Die „Shaktimat“ ist laut Hersteller fair produziert.
Akupressur to go. Die „Shaktimat“ ist laut Hersteller fair produziert.

© promo

Der „Meet The Makers“-Handelsplatz sei aus langjährigen Erfahrung entstanden und solle den Handel „wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und fairer gestalten“, heißt es zum Konzept der Geschäftsführer Andreas David und Benjamin Rüggeberg von der Project Sixto GmbH in Alt-Buch. Produkte wie Hängematten, Kleiderständer oder Trinkbecher müssen mindestens drei von mehreren Kriterien erfüllen wie Ressourcenschonung, Produktion aus Bioanbau, faire und soziale Herstellungsbedingungen oder ein geringer CO2-Abdruck zum Klimaschutz.

Während die Corona-Pandemie zuletzt die Preisverleihung und die Ausstellung der Waren und Konzepte des „Green Product“ und „Green Concept Award“ vor Publikum verhagelte, verhilft sie zumindest einigen der Bewerber jetzt zu erhöhtem Absatz. Wie Georg Wächter aus Lichtenrade, der mit seinem Firmenteam von „Mind Manufactory“ und der Marke „Edelkraft“ umweltfreundliche Sportprodukte aus Naturmaterialien sowie Recyclingprodukten anbietet.

Vision „Meal Bag“. Die essbare Verpackung aus Maisstärke ist kein Müll.
Vision „Meal Bag“. Die essbare Verpackung aus Maisstärke ist kein Müll.

© promo

„Wir merken einen gestiegenen Absatz dadurch, dass die Fitness- und Yogastudios geschlossen haben“, sagt der gelernte Informatiker, der als Kind schon gern Schiffsmodelle aus Holz gebaut hat. Über seine Leidenschaft fürs Klettern kam er zu nachhaltigen Sportprodukten. Mittlerweile hat er bei seiner 2019 gegründeten GmbH mit Produktions- und Lagerstätte in Tempelhof drei feste und zwei freie Mitarbeitende. Produkte vertreiben sie über die eigene Seite und den „Avocadostore“, einen Online-Handelsplatz für faire Mode und nachhaltige Produkte.

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Für den „Green Product Award“ reichte Wächter sein „Edelkraft“-Springseil mit Holzgriffen aus zertifizierter Forstwirtschaft ein – und das Seil ist aus Müll hergestellt, genauer aus alten PET-Plastikflaschen. Der Test zeigt: Es ist etwas dicker, schwingt stabil mit einem schön sirrenden Sound. Normalerweise sind Springseile – im Lockdown auch in TikTok-Videos sehr im Trend – aus Nylon, also aus Erdöl, hergestellt. Oder sie bestehen aus PVC ummantelten Stahlseilen, erklärt der Unternehmer. Die nachhaltigen Sportgeräte aus Tempelhof aber sind aus Plastikgarn aus einer niederländischen Fabrik mit Photovoltaik-Anlage produziert.

Für den Transport wird ein CO2-Ausgleich bezahlt. Die Holzgriffe sind von nachhaltig arbeitenden Drechlsern und Tischlern aus Norddeutschland, und das Dreimeterseil kann man mit Edelstahl-Seilklemmen flexibel verstellen. Der Preis liege zehn Euro höher als für herkömmliche Qualitätsspringseile, also bei 30 und 40 Euro.

Ausgezeichnet 2020. Ladestation mit alten Solarmodulen – von SunCrafter.
Ausgezeichnet 2020. Ladestation mit alten Solarmodulen – von SunCrafter.

© privat

Georg Wächter hat mit dem Siya-Kopfstandhocker für Yogastunden schon mal einen „Green Product Award“ gewonnen, da ist die Oberfläche aus recycelten Fischernetzen und aufbereitetem Schaumstoff und das Holz nachhaltig produziert. Was ihm die Auszeichnung 2019 auch von Fachjuroren gebracht hat? „Eine Menge Vertrauen, dass wir wirklich nachhaltig arbeiten“, sagt der Unternehmer. Kürzlich hat sich ein renommiertes Sportgeschäft beim Edelkraft-Team gemeldet, die grünen Ideen ziehen auch im üblichen Handel Kreise.

Auch die Firma SunCrafter hat sich nach ihrer Award-Ehrung 2020 weiterentwickelt. Geschäftsführer Lisa Wendzich und Bryce Felmingham. Wendzich, 32 Jahre, aus Charlottenburg, hat Public Policy an der Hertie School studiert und kam über ihren Vater und seine Tätigkeit in der Modulprüfung zur Wiederverwendung von ausrangierten Solarmodulen. Weil diese über die Jahre immer leistungsstärker werden, lohnt es sich oft nicht, ausrangierte Module auf anderen Dächern zu installieren. Auch deshalb landen bis 2050 weltweit voraussichtlich 50 Millionen Tonnen vielfach noch funktionsfähiger Solarmodule auf Deponien oder in der Verbrennung.

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SunCrafter haben aber eine Technik und das KnowHow, um ausrangierte Solarmodule für eine neue Verwendung aufzubereiten. Los ging das mit dem „SolarHub“, einer mobilen Stromquelle, eingesetzt etwa im Eventsektor fürs Laden von Handys, Kameras, Laptops oder Ventilatoren auf großen Musikfestivals und auf Straßenevents wie der Kieler Woche. Dann stoppte Corona diesem Einsatzbereich. Und die rund ein Dutzend neue geschaffenen Arbeitsplätze konnten erstmal nicht gehalten werden. „Komplett alles, was wir neu gestartet hatten, ist ins Nichts zusammengefallen“, sagt Wendzich.

Kopfstand fürs Klima. Yogastuhl „Siya“ mit Fischernetzbezug gewann schon einen Preis.
Kopfstand fürs Klima. Yogastuhl „Siya“ mit Fischernetzbezug gewann schon einen Preis.

© Sven Darmer

Doch die Firma hat sich neu orientiert: Seit August stehen neue „CityHubs“ auf dem Campus der Hochschule Bochum, zum netzunabhängigen Aufladen von Elektroleichtfahrzeugen. Für SunCrafter ist dies ein Zukunftsmarkt, sie bieten Kommunen, Stadtwerken und Nahverkehrsbetreibern die Stationen als Infrastruktur an, an der E-Roller, E-Bikes oder E-Lastenräder ordentlich abgestellt und sauber aufgeladen werden können.

Zudem hat der Bezirk Mitte für das Projekt „Green Moabit“ Solarstationen auf dem Gelände von Schulen und Jugendhäusern, für die Veranschaulichung von Stromerzeugung und erneuerbaren Energien, das Laden von Geräten und Beleuchtung. Die Ladestationen haben etwa 200 bis 300 Watt, genug, um mindestens 20 Handys gleichzeitig zu laden. Kostenpunkt ab 5500 Euro im Basismodell.

SunCrafter fingen 2017 an als Einzelunternehmer, seit 2019 funktioniert das private Elternpaar Lisa Wendzich und Bryce Felmingham dienstlich als GmbH, ihre Arbeit ist zum Teil EU-gefördert. Die mit dem „Green Product Award“ geehrte und designgeschützte Technologieentwicklung haben die beiden auch schon in der Entwicklungszusammenarbeit, unter anderem in Ghana und am Rio Negro im Amazonasgebiet, eingesetzt. Und jetzt geht es für die Neuen beim aktuellen Berliner Nachhaltigkeitspreis in die letzte Runde.

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