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Das Team des Jugendclubs QuäX liegt in der Quäkersiedlung in Reinickendorf.,

© Sven Darmer

Spielort mit tierischen Seelentröstern: Jugendklub in Berlin-Reinickendorf benötigt Hilfe durch Spenden

Ein Berliner Verein betreut Kinder und Jugendliche aus schwierigen Vierteln. Er setzt dafür auch zwei Hunde ein – und bittet um Spenden.

Auch in diesem Jahr bittet der Tagesspiegel bei der Weihnachtsaktion „Menschen helfen!“ um Spenden der Leser. Wie bei jeder Spendenrunde wollen wir auch mit der 29. Aktion bei jenen Problemen und Krisen helfen, über die wir im Jahresverlauf öfter berichtet haben: Corona-Pandemie, Obdachlosigkeit in Berlin, Klimakrise weltweit, humanitäre Krise in Afghanistan. Wir stellen in unserer Spendenserie einige Projekte stellvertretend für alle 42 vor, für die wir Gelder sammeln. Heute: der Verein „kein Abseits“.

In dem weißen Regal sind Gesellschafts-Spiele aufgeschichtet, „Fang den Hut“, „Mensch ärgere Dich nicht“, „1...2...3, ich zähle“, solche Sachen. Neben dem Regal parkt ein leuchtend rotes Bobycar. Szenen der Idylle und Entspannung. Die Gelassenheit endet allerdings fünfzig Zentimeter weiter. Da hat ein riesiger Grizzly das Maul weit aufgerissen, seine Fangzähne sind eine einzige Drohung und Gefahr. Wer dem massigen Kopf entgegen starrt, könnte Angst bekommen.

Aber hier bekommt keiner Angst, er ist ja nicht echt, der Grizzly. Er droht nur auf einem Bild an der Wand. Direkt über zwei Sesseln und einem Beistelltisch mit Schachmuster. Das QuäX ist ein friedlicher Ort, hier sollen sich Kinder und Jugendliche wohlfühlen. Selbst mit einem Grizzly an der Wand.

Der Ort ist eine emotionale Fluchtburg in einer Gegend, die von nüchternen, grauen Häuserblöcken und Kinderarmut geprägt ist. Die Quäkersiedlung in Reinickendorf belegt im Sozialatlas einen der hinteren Ränge, deshalb schließt das QuäX seit diesem Jahr eine enorme Lücke. „Hier gibt es ja sonst nichts für Kinder und Jugendliche“, sagt Gloria Amoruso, die Geschäftsführerin des Vereins „Kein Abseits“, der das QuäX betreibt.

Seit zehn Jahren bietet der Verein Kindern und Jugendlichen, die in schwierigen Verhältnissen leben, Freizeitmöglichkeiten und soziale Betreuung. Das QuäX schließt aber auch noch eine andere Lücke, eine vereinsinterne. Endlich hat „kein Abseits“ eine stationäre Anlaufstelle. Bis dahin fuhren die Mitarbeiter mit ihrem Spielemobil, einem Lieferwagen, an verschiedene Standorte und packten dort ihre Spielgeräte aus.

Rund 100 Kinder und Jugendliche profitieren vom Angebot

Das QuäX vergrößert das Angebot des Vereins erheblich. Im Jugendklub gibt es eine Küchenzeile mit allem, was dazu gehört; die Kinder und Jugendlichen lernen hier kochen und backen. Es gibt eine Foto-Gruppe, eine Box- und auch eine Kreativ AG. Vor allem aber sollen zweimal monatlich Kinoabende stattfinden, natürlich stilecht mit einer Popcorn- und einer Eismaschine.

Rund 100 Kinder und Jugendliche, zwischen sechs und 15 Jahre alt, kommen monatlich ins QuäX, betreut von insgesamt zehn Mitarbeitern. Die sind Teil eines enorm gewachsenen Personalstamms.

Noch im Juni 2011 bestand der Verein „Kein Abseits“ aus Gloria Amoruso und ihrer Freundin Sinem Alparslan; zwei Frauen getrieben vom „Wunsch nach mehr Gerechtigkeit und einem bereichernden Miteinander“. Inzwischen arbeiten 22 Personen für den Verein, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Politologen, Leute mit Pädagogik-Erfahrung, aber auch Sportwissenschaftler. 15 von ihnen haben Vollzeit-Stellen.

Zwei Drittel des Vereins-Budgets wird mit öffentlichen Mitteln finanziert, aber beim Rest sind Gloria Amoruso und ihr Team auf Spenden angewiesen. Deshalb bitten sie die Tagesspiegel-Leser um Unterstützung. Die Mieten für das Vereinsbüro im Wedding und das QuäX müssen finanziert werden, auch der Unterhalt für das Spielemobil.

Zwei Hütehunde gehören auch zum Personal

Die Verpflegung von Remo und Schubert ist dagegen gesichert. „Sie sind hochintelligent, wollen sehr viel lernen und haben unwahrscheinlich viel Energie, echte Workaholics“, sagt Gloria Amoruso. Man kann sie aber auch streicheln, Remo und Schubert gefällt das, es sind ja genügsame Australian Shepards, Hütehunde mit viel Spieltrieb.

Sie wissen gar nicht, welch’ große Rolle sie für „kein Abseits“ spielen. Die Hunde gehören Gloria Amoruso und ihrer Kollegin Tanja Leising, die Tiere werden derzeit ausgebildet, schließlich sind sie zur „tiergestützten pädagogischen Arbeit“ eingeplant.

Alles natürlich verbunden mit Eignungstests. Remo und Schubert haben sie abgelegt, ihre Besitzerinnen auch, es muss ja klar sein, dass die als Halterinnen alles richtig machen.

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Remo und Schubert dienen aber auch als vierbeinige PR-Maßnahme. „Sie sind unsere Türöffner“, sagt Gloria Amoruso. Die Shepards bilden die Brücke zwischen Vereinsmitarbeitern und Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern. „Wir nehmen sie mit, wenn wir zum Beispiel zu Flüchtlingsunterkünften fahren“, sagt die Geschäftsführerin.

„Die Tiere spiegeln die Emotionen der Menschen wider“

Zuerst redeten alle über die Hunde, dann über andere Themen, irgendwann über die Angebote von „kein Abseits“. Und die Kinder und Jugendlichen sagten dann oft genug: „Oh toll, dort, wo diese Tiere sind, will ich auch hin.“

Und wenn sie schließlich mit Remo und Schubert spielen und sich um sie kümmern, dann steigert das gleichzeitig das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen und fördert ihr eigenes Sozialverhalten. „Die laufen mit den Hunden durch einen Parcours, machen den Hundeführerschein oder bringen ihnen Tricks bei“, sagt Gloria Amoruso. „Dabei sehen sie, was sie selber leisten können.“

Und sie sehen schnell, was sie nicht machen sollen. „Wenn die Kinder und Jugendlichen die Tiere nicht richtig behandeln, reagieren die Hunde. Sie ziehen sich dann zurück.“ Dann ist’s erstmal aus mit dem netten Spielen.

Aber wenn sie gut behandelt werden, sind Remo und Schubert fürsorgliche Seelentröster. „Die Tiere spiegeln die Emotionen der Menschen wider“, sagt Gloria Amoruso. „Wenn jemand traurig ist oder sich zurückzieht, spürt der Hund das sofort und kommt und legt sich neben einen. Dann kann man mit ihm kuscheln.“

Das immerhin gilt für beide Hunde, der Unterschied zwischen ihnen liegt in ihrem Energielevel. Schubert ist aktiver als Remo, er ist mehr für den Umgang mit Jugendlichen geeignet, die Action lieben. Deshalb ist vor allem er bei Ausflügen dabei. An Samstagen zum Beispiel, da zieht die Segel AG von „kein Abseits“ im Sommer zum Tegeler See.

Ehrenamtliche werden für Tandems gesucht

Der Verein hat eine Kooperation mit einem anderen Jugendklub, gemeinsam organisieren sie die Segeltörns. „Remo ist eher ruhiger“, sagt Gloria Amoruso, „er ist deshalb eher für die kleineren Kinder zwischen sechs und elf Jahren geeignet.“

Zum Einsatzgebiet von „kein Abseits“ gehört seit September auch Lichtenberg. Dort steht ein Umwelt- und Erlebnismobil, der zweite Lieferwagen des Vereins. Er ist wie das Spielemobil permanent im Einsatz. „Kein Abseits“ hätte in Lichtenberg gerne auch eine stationäre Anlaufstelle. Im Moment sucht Gloria Amoruso noch geeignete Räume.

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Sie sucht aber auch noch Erwachsene, die Kinder und Jugendliche als Tandem durch den Alltag begleiten. Die mit ihnen zusammen Ausflüge oder andere Dinge in der Freizeit unternehmen. Dabei geht es um eine Eins-zu-Eins-Betreuung, die neue Impulse geben und neue Eindrücke verschaffen soll. Acht Monate lang soll ein Tandem gebildet werden. Solche Tandems gibt es seit Gründung des Vereins, 500 waren es seit Beginn des Projekts insgesamt, 70 sind es aktuell.

Durch den Ort QuäX kann „kein Abseits“ jetzt noch mehr Angebote machen. Aber dadurch steigt auch der Bedarf an Helfern. Gloria Amoruso sagt: „Wir suchen ständig neue Ehrenamtler.“ Immerhin: Remo und Schubert als voll ausgebildete Helfer stehen in Kürze bereit.

Das Spendenkonto: Empfänger: Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42

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