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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (l, SPD) und der Fraktionsvorsitzende der SPD, Raed Saleh.

© dpa

SPD nach der Berlin-Wahl: Saleh fordert radikalen Kurswechsel

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh sieht seine Partei in der Existenzkrise und kritisiert indirekt Michael Müller, ohne ihn zu nennen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine Woche nach der Abgeordnetenhauswahl hat der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh der eigenen Partei eine tiefe Existenzkrise bescheinigt. „Ihren Status als Volkspartei hat die SPD in vielen Teilen der Stadt verloren“, schreibt Saleh in einem Beitrag für den Tagesspiegel. In den vielen Jahren der Regierungsverantwortung im Bund, aber auch in Berlin seien die Sozialdemokraten „zu einer Staatspartei geworden“. Im Wahlkampf habe er festgestellt, schreibt Saleh, „dass die Leute einen nicht mehr als Sozi aus der Nachbarschaft ansehen“.

Der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit habe es „mit seiner menschlichen Art“ lange geschafft, diese Kluft zu überbrücken, schreibt Saleh. „Im letzten Jahr ist uns das nicht genug gelungen.“ Den Namen des Amtsnachfolgers von Wowereit, Michael Müller, erwähnt der SPD-Fraktionschef in diesem Zusammenhang nicht. Die Sozialdemokraten müssten wieder auf der Seite der Bürger stehen, fordert er. „Und einflussreichen Lobbys den Kampf ansagen.“ Wenn die SPD auch nur annähernd in den Ruch käme, mit finanzstarken Eliten zu klüngeln, treffe das eine linke Partei bis ins Mark. Wenn sich die gesamte Partei in Inhalten, Stil und Selbstverständnis nicht radikal erneuere, „dann wird diese Republik sie mittelfristig nicht mehr brauchen“, sagt Saleh voraus.

Müller für Koalitionsverhandlungen mit Linken und Grünen

Auch der Berliner SPD-Rechtsexperte und Abgeordnete Sven Kohlmeier fordert in einem Online-Beitrag einen „inhaltlichen Neuanfang“ der SPD. „Wenn wir so weitermachen, verlieren wir noch mehr Vertrauen und rechtfertigen vielleicht demnächst 15 Prozent als Wahlerfolg“. Auch die Juso-Landesvorsitzende Annika Klose plädierte am Montag für eine ernsthafte Aufarbeitung des Wahlergebnisses. Die Berliner SPD habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, vor allem beim Thema soziale Gerechtigkeit.

Vor dem Hintergrund dieser innerparteilichen Auseinandersetzung verkündete der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller nach einer Sondierungsrunde mit Linken und Grünen im Roten Rathaus, dass er seiner Partei vorschlagen werde, Koalitionsverhandlungen für ein rot-rot-grünes Bündnis aufzunehmen. Die Verhandlungsführer von Linken und Grünen werden dies, bezogen auf ihre Parteien, ebenfalls tun.

„Wir sind an einen Punkt gekommen, an dem wir als Sondierungskommission unserem Landesvorstand empfehlen können, in Koalitionsgespräche einzutreten“, sagte Müller nach dem fast fünfstündigen Gespräch. Bei der SPD muss nun der Landesvorstand – voraussichtlich am Donnerstag – über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abstimmen, bei den Grünen der Landesausschuss, bei der Linkspartei ein kleiner Parteitag am Freitag. „Alle drei Gesprächspartner sind sich der Tragweite der Probleme in der Stadt bewusst und entschlossen, sie anzupacken“, sagte der Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer. Für die Grünen lobte deren Landeschef Daniel Wesener das „sehr gute Sondierungsgespräch“, bei dem viele Themen schon sehr vertieft besprochen worden seien. Dabei ging es unter anderem um die öffentlichen Finanzen, dringend notwendige Investitionen, den Wohnungsbau, die Sozialpolitik und ein landeseigenes Stadtwerk. Die Koalitionsverhandlungen werden voraussichtlich Mitte nächster Woche beginnen.

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