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"Beförderung nur mit gültigem Fahrausweis" - und wenn nicht, soll das eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat mehr sein.

© Lukas Schulze/picture alliance / dpa

Exklusiv

Senat unterstützt Bundesratsinitiative: Schwarzfahren soll keine Straftat mehr sein

Der Senat hat beschlossen, eine Bundesratsinitiative Thüringens zu unterstützen: Fahren ohne Fahrschein soll nur noch Ordnungswidrigkeit sein.

Von Ronja Ringelstein

Schwarzfahren soll keine Straftat mehr sein, das fordert Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) schon lange. Am Dienstag wurde im Senat beschlossen, dass Berlin eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuchs (StGB) unterstützt. Thüringen hatte bereits einen entsprechenden Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht, der das Ohne-Ticket-Fahren zur Ordnungswidrigkeit herabstuft. Berlin wird diesen Antrag mitzeichnen. Die Initiative wird am kommenden Freitag im Plenum des Bundesrats vorgestellt.

„Fahren ohne gültigen Fahrausweis sollte nicht im Strafgesetzbuch geregelt sein. Das Strafrecht ist Ultima Ratio. Es ist also das letzte Mittel. Ein starker Rechtsstaat zeichnet sich nicht etwa dadurch aus, dass er mit Kanonen auf Spatzen schießt", sagte Behrendt dem Tagesspiegel. Ein starker Rechtsstaat zeichne sich dadurch aus, dass verbotenes Verhalten auch mit milderen Mitteln sanktioniert werden könne. "Es ist schlicht unverhältnismäßig, wenn der Staat Menschen mit dem Strafgesetzbuch zu Leibe rückt, nur weil sie mehrfach ihr Busticket nicht gelöst haben. Eine Ordnungswidrigkeit wäre hier angemessen", sagte Behrendt weiter.

Derzeit befinden sich laut Senatsjustizverwaltung 334 Menschen in Berliner Haftanstalten wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe, in etwa ein Drittel davon verbüßten eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen des Erschleichens von Leistungen (§265 a StGB), worunter das Schwarzfahren fällt.

Strafverfolgung verschärft soziale Ungleichheiten

Gegen die strafrechtliche Verfolgung des Schwarzfahrens sprechen aus der Sicht Berlins und Thüringens mehrere Gründe. Die Strafverfolgung verschärfe beispielsweise soziale Probleme und Ungleichheiten, da sie sich in vielen Fällen gegen sozial und gesellschaftlich benachteiligte Personen richte. "Diese könnten sich einen Fahrschein einfach oft nicht leisten. Dieses soziale Ungleichgewicht setzt sich häufig bei der Strafvollstreckung fort: nämlich dann, wenn die Schwarzfahrer die Geldstrafen nicht bezahlen können und deshalb eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen", heißt es in der Thüringer Erklärung zu dem Antrag.

Außerdem ist die Strafverfolgung der Schwarzfahrer mit einem erheblichen Ressourcenaufwand verbunden. In der Polizeilichen Kriminalstatistik finden sich für das Jahr 2018 rund 210.000 Fälle der „Beförderungserschleichung“. Fahren ohne Fahrschein sei ein Massendelikt mit einem im Einzelfall sehr geringen Schaden. Da der Staat auch Verkehrsverstöße weitgehend nur über Ordnungswidrigkeiten ahndet, dürfe beim Fahren ohne Fahrschein nichts anderes gelten, so die Argumentation Thüringens.

Dirk Behrendt trägt das Thema schon lange vor sich her. In der Vergangenheit hatte es Koalitionskrach gegeben, da sich Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Dirk Behrendt wie berichtet gegenseitig bei ihren Vorhaben blockiert hatten. Dass Thüringen nun den Vorstoß zur Bundesratsinitiative tat - und nicht Berlin - sei aber kein Problem, heißt es aus der Senatsverwaltung für Justiz. Es sei doch "schön", dass man zusammen mit einem anderen rot-rot-grün regierten Land eine solche Initiative auf den Weg bringen könne.

Nach der Vorstellung im Bundesrat am Freitag wird der Gesetzesantrag in die dortigen Ausschüsse überwiesen. Diese beraten in der letzten Septemberwoche. Sobald sie ihre Empfehlungen für das Plenum erarbeitet haben, kommt der Antrag zur Beschlussfassung auf die Tagesordnung im Bundesrat.

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