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Damals noch ohne Maske: Eines der ersten "Lernbrücken"-Duo im Sommer 2020 an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule in Moabit.

© Annette Kögel

Update

Schulhilfe für benachteiligte Kinder in Berlin: Lernbrücken in der Coronakrise

Mit einem neuen Programm sollen Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern unterstützt werden. 3000 Kinder nehmen bereits teil.

Mit dem Englischen ist das so eine Sache. „Was heißt groß?“, fragt der Geschichtsdoktorand und Muttersprachler, derzeit Pädagoge, den elfjährigen Jungen neben sich. „Long?“, kommt die Antwort. Stimmt fast, ein Sofa ist long, aber bei der Körpergröße heißt es „tall“. Gar nicht so einfach. Die Feinheiten der englischen Sprache werden derzeit auf freiwilliger Basis in der Bücherei der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule gepaukt – beim „Lernbrücken“-Programm der Senatsbildungsverwaltung mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).

Damit Kinder nicht abgehängt werden

An der Moabiter Schule nehmen mehr als 30 Kinder und Jugendliche an der Unterstützung teil, die allerdings meist auf sechs Wochen begrenzt ist, und die jenen helfen soll, die zu Hause beim Lernen nur wenig Unterstützung erfahren oder sich in engen Wohnverhältnissen mit vielen Geschwistern einen Computer teilen müssen – wenn sie das überhaupt können. Kinder sollen im digitalen Schulalltag nicht abgehängt werden. Derzeit werden bereits 103 dieser individuellen Hilfen in ganz Berlin für 3000 Schülerinnen und Schüler angeboten, meist in Kooperation mit freien Trägern, mit denen die Schule schon eingespielt ist, etwa bei der Freizeitbetreuung – im Fall der Heuss-Schule von Direktorin Annedore Dierker ist es der Verein „Casa“. So sollen die Lernrückstände von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern möglichst gering bleiben, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bei einer Pressekonferenz mit Sicherheitsabstand in der Schulturnhalle.

Eltern sind dankbar für die Hilfe

Laut Heike Kahl, DKJS-Geschäftsführerin, nehmen nach Sichtungsgesprächen mit Schulleitung, Lehrern, Eltern und Kindern bereits Schülerinnen und Schüler von 70 Schulen teil, mit 256 Schulen sei man in Kontakt; 38 Träger der freien Jugendhilfe seien mit an Bord. Viele Eltern seien dankbar für die Hilfe.

Sondiert wurde etwa bei Treppenhausgesprächen unter Wahrung der Coronavirus-Sicherheitsregeln, nun werden auch mal Schulmaterialien zu Hause vorbeigebracht – zudem gibt es Online-Angebote, Elternarbeit, Unterricht in Kleingruppen. Wichtig sei auch das soziale, emotionale Miteinander, und: Der Versuch, jene weiter mitnehmen zu können, die die Lernbedingungen zu Hause sonst noch weiter abhängen würden, auch, weil die überforderten Eltern die Tage nicht verlässlich strukturieren können, wie es Kinder brauchen.

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Denn in Corona-Zeiten sind wohl die meisten Schüler einerseits oft stundenlang am Smartphone – wissen aber anderseits nicht, dass man eine Mail an den Lehrer nicht komplett ins Betrefffeld schreibt. Die Theodeor-Heuss-Gemeinschaftsschule weiß auch die Jugendhilfe-Experten vom SOS Kinderdorf an ihrer Seite, und sie hat einen eigenen Kinder- und Jugendtherapeuten an die Schule geholt.

Sehnsucht nach Normalität

Mit dem digitalen und rudimentär persönlichen Unterricht, dem einige nicht mehr folgen können oder wollen, könne es nach den Ferien nicht mehr weitergehen, sagte Scheeres. Sie hofft auf mehr Normalität, wie indes die Covid-19-Lage im Spätsommer ist, weiß niemand. Derzeit würden etwa ein Viertel der Schülerschaft nicht erreicht.

Landesschülerrat lobt Kooperation mit Jugendhilfe

Der Landesschülerausschuss Berlin begrüßt das Lernbrücken-Programm und sieht darin "auch mehrere Aspekte unseres Konzeptes zur Lehrstoffvermittlung in Zeiten von Schulschließungen. Wir loben die von uns geforderte und ungesetzte Sicherstellung der Kommunikation sowie die Möglichkeit, den Lehrkräften ein Feedback auszustellen." Auch die "Schnittstelle zwischen zur Jugendhilfe und die Umsetzung durch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung" sei zu begrüßen, teilte Landesschülersprecher Miguel Góngora dem Tagesspiegel auf Anfrage mit. Denn dadurch könne auch die Frage zum mangelnden Personal geklärt werden. "Das Angebot erscheint gut durchdacht zu sein, da auch Einbindungsmöglichkeiten für das pädagogische Personal bestehen und Alternativen im Falle einer zweiten Coronawelle entwickelt wurden", sagte Landesschülersprecher Miguel Góngora.

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