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Schulfarm Scharfenberg: Die künftige Leitung muss auch den Fährdienst im Blick habe. Immer wieder fällt er aus und damit auch der Unterricht.

© Thilo Rückeis TSP

Exklusiv

Schulfarm wird nur kommissarisch geführt: Ex-Scharfenberg-Leiter verlässt Berliner Schuldienst

Die Bildungsverwaltung hat zu wenig geeignetes Führungspersonal, schaffte es aber nicht, Matthias Völzke eine Perspektive zu bieten. Der geht jetzt zur diakonischen Stephanus-Stiftung.

Der beliebte und von der Bildungsverwaltung lange Zeit hochgelobte Ex-Leiter der Schulfarm Insel Scharfenberg, Matthias Völzke, verlässt den Berliner Schuldienst. Er wird ab 1. November Bereichsleiter der großen diakonischen Stephanus-Stiftung in Berlin. Dies teilte die Stiftung am Donnerstag mit.

„Die gemeinnützige Stephanus-Stiftung in Berlin wird ihre Arbeitsfelder Bildung und Kinder-Jugend-Familie zusammenführen und gemeinsam weiterentwickeln“, heißt es auf der Homepage. Künftig arbeiten demnach die verschiedenen Stephanus-Bildungseinrichtungen mit den Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe enger unter dem Dach des neuen Geschäftsbereichs „Leben und Lernen im Quartier“ zusammen. Die Leitung dieses Bereiches übernehme Völzke. 

Der ehemalige Schulleiter hatte sich nicht freiwillig aus dem Gymnasium zurückgezogen. Vielmehr musste er den Posten räumen, den er nur kommissarisch ausfüllte, da er noch nicht die adäquate Besoldungsstufe innehatte.

Die Schulkonferenz wollte Völzke

Die Schulkonferenz hatte sich aber aufgrund seiner Verdienste dennoch vehement für ihn eingesetzt. Der Protest eskalierte vor einem Jahr, als die Bildungsverwaltung die Stelle an einen Bewerber vergeben wollte, der angeblich „überragend geeignet“ war und der Schulkonferenz daher als alternativlos präsentiert werden sollte. Daraufhin kam es zu einer Demonstration der Schulgemeinschaft.

Vor einem Jahr gab es zahlreiche Proteste für den Verbleib Völzkes. Er musste dennoch gehen.

© imago/Olaf Wagner

Die Gesamtelternvertretung wie auch das Gros der 440 Schülerinnen und Schüler sowie weite Teile der Lehrerschaft machten sich für Völzke stark, der die Schulleitung in einer schwierigen Lage übernommen und die Schule vor einem weiteren personellen Ausbluten bewahrt habe. Dennoch gab die Verwaltung nicht nach. Erst als die Proteste immer stärker wurden und juristische Schritte gegen die Präsentation nur eines einzigen Bewerbers drohten, wurden weitere Bewerber vorgestellt.

440
Schülerinnen und Schüler besuchen die Schulfarm Insel Scharfenberg

Als klar wurde, dass die Verwaltung rasch vollendete Tatsachen schaffen wollte, reagierte Völzke auf das Besetzungsverfahren mit einer einstweiligen Anordnung. Die Stelle kann daher zurzeit nur provisorisch besetzt werden. Dies geschah im August durch Matthias Waldow, der bis 2020 Fachbereichsleiter für die Naturwissenschaften auf der Schulfarm und dann im Auslandsschuldienst war. Er wird seit September auf der Schulfarm-Homepage als amtierender Schulleiter vorgestellt.

Dort berichtet Waldow, er sei „aufgrund der aktuellen Situation“ von der Senatsverwaltung „bis auf Weiteres“ mit der Schulleitung der Schulfarm beauftragt worden. Die notwendige Fortbildung habe er 2018/19 durchlaufen und freue sich darauf, nun erstmalig nicht nur einen Fachbereich oder eine Abteilung, sondern eine ganze Schule leiten zu dürfen.

Gerichtsentscheidung im Dezember?

Völzkes Anwalt Jens Brückner sagte dem Tagesspiegel am Donnerstag, er rechne mit einer Gerichtsentscheidung im Dezember. Falls das Gericht den Antrag auf einstweilige Anordnung verwirft, wäre es wahrscheinlich, dass die Bildungsverwaltung dort weitermacht, wo sie vor Völzkes juristischem Schritt aufgehört hatte. Das könnte bedeuten, dass sie die Bewerberin an die Schule holt, der die Schulkonferenz gegenüber dem angeblich „überragend“ geeigneten Mitbewerber den Vorzug gegeben hatte.

Allerdings betonen Vertreter der Schulkonferenz, dass sie nur deshalb für die Bewerberin gestimmt hätten, um den von der Verwaltung bevorzugten Bewerber zu verhindern. Das sei damals der einzige im Schulgesetz mögliche Weg gewesen, was die Schulkonferenz auch explizit in einer Erklärung zu Protokoll gegeben habe.

Staatssekretärin angeblich nicht informiert

Was die Vertreter der Schulkonferenz dem Vernehmen nach schockierte: Als die neue Bildungsstaatssekretärin Christine Henke (CDU) auf die Insel gekommen sei, um sich mit den Gremien auszutauschen, habe sie offenbar nicht gewusst, wie das angeblich eindeutige Votum zustande gekommen sei. Die besagte separate Erklärung sei demnach der Staatssekretärin im Vorfeld „vorenthalten worden“, lautet die Vermutung von Schulvertretern, die bei Henkes Besuch zugegen waren.

Das aber brachte und bringt die Schulvertreter abermals gegen die Verantwortlichen in der Bildungsverwaltung auf. Diese sitzen in der Abteilung für die Beruflichen Schulen: Dieser Abteilung wurde vor einiger Zeit das Referat für Berlins Eliteschulen und besondere Schulen zugeschlagen, obwohl es sich dabei fast ausschließlich um allgemeinbildende und eben nicht um berufliche Schulen handelt.

Dauerprobleme der Schulverwaltung

Dem zuständigen Referat wird vorgeworfen, die Leitungsprobleme seiner Schulen nicht in den Griff zu bekommen. Wegen der Fehlentscheidungen dieses Referats sei die Schulfarm Scharfenberg in die im Schulinspektionsbericht von 2018 dargelegten Schieflage geraten, aus der Völzke sie habe befreien müssen, wird immer wieder in der Schulfarm betont.

Massive Leitungsprobleme gab oder gibt es auch an weiteren sowie an der Staatlichen Internationalen Nelson-Mandela-Schule. Für letztgenannte wird seit langem vergeblich eine neue Leitung gesucht. Bislang führt sie ein vor Jahren pensionierter ehemaligen Leiter einer ganz anderen Schule.

Hoffnung auf die neue Senatorin

Die Bildungsverwaltung weicht Fragen rund um die Personalprobleme meist mit dem Verweis auf „personelle Einzelangelegenheiten“ aus. Die Hoffnung der von umstrittenen Personalentscheidungen betroffenen Schulen geht dahin, dass Katharina Günther-Wünsch als neue CDU-Bildungssenatorin die Zuständigkeiten anders regelt als ihre Vorgängerinnen, damit die Verantwortung in andere Hände übergeht.

Auf kurze Sicht wünschen Vertreter der Insel Scharfenberg, dass die Leitungsstelle neu und bundesweit ausgeschrieben wird, sofern das Gericht dem Antrag auf einstweiligen Anordnung stattgibt. Da Völzke nicht mehr zur Verfügung steht, hoffen seine Unterstützer, dass jemand gefunden werde, der die reformpädagogische Tradition der Schulfarm pflegen möchte und eine Leitungspersönlichkeit sei.

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